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Das Alte Ägypten im Game
Historisch korrekt?

Geschichte erleben ohne Kämpfe: Die "Discovery-Tour" von "Assassin's Creed: Origins" erlaubt einen friedvollen Gang durch das Alte Ägypten. Aber stimmen die Fakten? Grenzwertig, urteilt Peter Franz Mittag, Professor für Alte Geschichte an der Universität zu Köln.

Von Tobias Nowak | 06.03.2018
    Große Sphinx von Gizeh in Ägypten mit der Chephren-Pyramide.
    Wie authentisch sind die Darstellungen des Alten Ägypten in "Assassin's Creed: Origins"? (imago / Joana Kruse)
    "Ich spiel nicht so viele Computerspiele", sagt Peter Franz Mittag, Professor für Alte Geschichte an der Universität zu Köln. Trotzdem hat er sich auf die "Discovery Tour" begeben, um ein fachmännisches Urteil zu diesem neuen Spielmodus abzugeben.
    "Willkommen bei: Alexandria - Planung der Stadt."
    Das Serapeum ersteht neu
    Der Spaziergang durch die Vergangenheit beginnt am Westtor Alexandrias und dem Experten fällt gleich auf:
    "Ja, das Tor ist jetzt nicht sonderlich befestigt, ne? Das sieht eher wie ein Triumphbogen, ja, reduziert oder sowas aus. Auch kein Fallgitter oder irgendwelche Vorrichtungen, die das absichern könnten."
    Tatsächlich sieht das Stadttor eher einladend aus. Auf den Straßen Alexandrias tummeln sich Passanten - zu Fuß, auf Pferden oder Kamelen. Man hört Unterhaltungsfetzen.
    "Na, jedenfalls sprechen die Leute auch Griechisch - obwohl die da gerade im ägyptischen Stadtviertel sind."
    Vom antiken Alexandria ist heutzutage fast nichts erhalten, da Neubauten und das Meer die alte Metropole unter sich begruben. Deshalb locken gerade die wenigen archäologisch erschlossenen Landmarken den Historiker. Zum Beispiel ein großer Gebäudekomplex, der im Hintergrund auf der höchsten Erhebung der Stadt thront.
    "Also, da oben das Serapeum, da gibt es ja noch Reste. Das, was da oben auf dem Hügel steht."
    "Unter den unzähligen Prachtbauten und Attraktionen der Stadt galt das Seraipeon als schönster Tempel von Alexandria."
    Allerdings weicht die Tempelanlage im Spiel weit ab von der historischen Wirklichkeit, welche die "Discovery Tour" in Form einer eingeblendeten Skizze zeigt.
    "Interessant, dass da die Rekonstruktion, die man da in dem Fensterchen sieht, ganz anders aussieht als das, was nun im Spiel rekonstruiert wurde, ne?"
    "Es gibt keine überlieferten Noten"
    Der weitere Stadtrundgang führt an einer Gruppe Straßenmusiker vorbei…
    "Es gibt ja mittlerweile relativ viele Leute, die versuchen, die antike Musik auch zu rekonstruieren und nachzuspielen. Ich bin da immer so ein bisschen skeptisch, es gibt nicht allzu viele wirklich sichere Hinweise darauf, wie die antike Musik aufgebaut und geklungen hat. Es gibt ja keine überlieferten Noten."
    Aber auch an Tempeln, die im Spiel als "in Betrieb" gezeigt werden, übt Professor Mittag Kritik. Zum Beispiel der große Tempel des Ptah in Memphis, ein großes Heiligtum für Apis, den Stiergott mit der Sonnenscheibe zwischen den Hörnern:
    "Was mich hier irritiert, dass das Dach nach oben offen ist. Normalerweise ist das Allerheiligste in ägyptischen Tempeln dieser Zeit ein kleiner, dunkler Raum - im Vergleich zu sonstiger Höhe. Ganz häufig quasi ein eigenes Gebäude, das innerhalb dieses Tempels freistehend ist."
    Gameplay geht vor Authentizität
    Aber ein kleiner, dunkler Raum eignet sich nun mal nicht für die akrobatischen Klettereien und Kämpfe eines Assassinen.
    "Also der Text selber, und was wir gehört haben, und was auch an Objekten aus Museen eingeblendet wurde, das hat mich im großen Ganzen schon überzeugt, weil das eine ganz nette Zusammenstellung war, auch ein ganz netter Versuch einer Synthese war. Was die Rekonstruktion der Gebäude anbelangt, bin ich halt deutlich skeptischer."
    Offenbar vertragen sich die Anforderungen an ein Unterhaltungsprodukt, das in der Entwicklung einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kostete, nicht mit dem Anspruch, historisch korrekt zu sein. Gameplay geht vor Authentizität. Andererseits erlaubt die "Discovery Tour" einen atmosphärischen Zugang zu dieser Epoche, den Geschichtsbücher - oder auch Filme - kaum bieten können.
    "Als so ein Appetizer, um einem vielleicht Lust auf die Epoche und die Gegend und die Zeit zu machen, würd ich sagen auch ja. Aber als Wissenschaftler würde ich sagen, das ist doch ein bisschen grenzwertig an der ein oder anderen Stelle."