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Das Beste von beidem

Nach einem Lehrplan aus Thüringen unterrichten finnische Lehrer an der Deutschen Schule in Helsinki. Die Schüler werden von Sonderpädagogen und Psychologen betreut und können aus vielen Angeboten wie Musik, Tanz oder Theater auswählen. Das Erfolsmodell ist jetzt schon 125 Jahre alt - aber erscheint Besuchern in Deutschland nicht finanzierbar.

Von Andrea Lueg |
    So klang es, als in der vergangenen Woche die deutsche Schule in Helsinki ihr 125-jähriges Bestehen feierte. Die "Finnlandia-Halle" war voll, Schüler und Eltern, Ehemalige und Sponsoren freuten sich an einem mehrstündigen bunten Programm, dass die gut 450 Schüler der Klassen 1 bis 12 auf die Beine gestellt hatten.

    Die deutsche Schule ist eine ungewöhnliche Mischung: von der Form her ein finnischer Verein, eine Auslandsschule der Bundesrepublik Deutschland, eine Privatschule, die zum größten Teil vom finnischen Staat finanziert wird. Und der Lehrplan, erzählt Johannes Binder, der Leiter der deutschen Schule, kommt aus Deutschland.

    "Wir unterrichten nach Thüringer Lehrplänen, also die Thüringer Lehrpläne bilden die Basis unserer Arbeit und wir hatten allerdings die Freiheit diese Thüringer Lehrpläne unseren Erfordernissen anzupassen, wir konnten finnische Elemente in diese Lehrpläne rein nehmen und haben jetzt Lehrpläne an der deutschen Schule auf der Basis von Thüringen."

    An der Schule wird auf Deutsch und Finnisch unterrichtet. Zusätzlich zu den Mitteln, die auch jede finnische Schule vom Staat erhält, unterrichten hier aber noch 15 Lehrer, die aus Deutschland bezahlt werden. Die Deutsche Schule hat, wie jede finnische Schule, eine Schulschwester, Sonderpädagogen, Psychologen und Förderlehrer. Den Schülern wird ein breites Spektrum von Zusatzangeboten gemacht, Musik, Theatergruppe, Tanz und Philosophie. Und die Finnen schicken ihre Kinder gerne - ausgerechnet - auf die deutsche Schule.

    "Also ungefähr 85 Prozent unserer Schüler haben einen finnischen Pass und zum einen sind es die Beziehungen der Familien zu Deutschland, es gibt ja sehr viele wirtschaftliche Beziehungen nach Deutschland und da denken die finnischen Eltern, dass die Kenntnisse der deutschen Sprache ein Vorteil ist.

    Zum anderen lernt man dann hier in der deutschen Schule so gut Deutsch wie an keiner anderen Schule, dadurch dass wir natürlich auch deutschsprachigen Fachunterricht anbieten, und dann hat natürlich die deutsche Schule seit Jahren einen sehr guten Ruf. Und da der Wert der Bildung in Finnland sehr hoch geschätzt wird, schicken Eltern ihre Kinder auf die deutsche Schule, um ihnen eine möglichst gute Bildung zukommen zu lassen."

    Deutsche und finnische Schüler bemerken übrigens durchaus Unterschiede zwischen deutschen und finnischen Lehrern:

    "Deutsche Lehrer sind schon strenger, also das merkt man schon daran, dass man finnische Lehrer mit Vornamen anreden kann, also die sind einfach lässiger."

    So groß sind die Unterschiede nicht, aber die älteren deutschen Lehrer, die fragen oft nur aus dem Buch ab, die jungen sind kreativer.""

    Wenn deutsche Besucherdelegationen nach Helsinki kommen, dann steht meistens die deutsche Schule auch auf dem Programm und Schulleiter Johannes Binder kennt die Fragen und Meinungen zum Dauerthema Pisa. Etwa die, dass sich doch die finnischen und die deutschen Verhältnisse an den Schulen nicht vergleichen ließen. Schließlich gebe es in Finnland zum Beispiel kaum Migrantenkinder an den Schulen. Das stimmt, die Zahl liegt bei durchschnittlich zwei Prozent, doch Binder meint:

    ""Ich finde es erstaunlich, dass gerade Finnland als so eine recht homogene Gesellschaft, das diese gerade sehr viel Wert auf Betreuung und Integration eines jeden Schülers legt. Eigentlich müsste in Deutschland das Fachpersonal zur Unterstützung solcher Schüler größer sein und wir haben in Deutschland weniger Personal."

    Ebenso weit verbreitet ist die Ansicht, dass finnische Kinder so gern und so viel lesen, sei nicht erstaunlich, was sollten sie in den langen Wintern denn anderes tun. Dass es im Nokia Land Finnland auch ausreichend technisches Spielzeug gibt mit dem man seine Abende verbringen kann, darauf kommen viele Beobachter offenbar nicht.

    "Es gibt in Finnland eine große Lesetradition und die Ausleihrate in den finnischen Bibliotheken ist sehr hoch und wenn man in ein finnisches Dorf kommt und sieht dort ein großes und schönes Haus, dann kann man sicher sein es ist die Bibliothek, also es hat einfach eine große Lesetradition. Aber ich denke und wenn ich mich an meine Jugend erinnere, auch wir hatten eine große Lesetradition wo die allerdings verloren gegangen ist, kann ich auch nicht sagen."

    Das deutsche Pädagogen, Wissenschaftler, Politiker auf ihren Reisen nach Finnland tatsächlich auch etwas mitnehmen für mögliche Veränderungen zuhause, da ist Johannes Binder skeptisch.

    "Zum großen Teil hab ich den Eindruck, die Gruppen sind sehr interessiert an diesem finnischen Modell auch and dem Modell der deutschen Schule, zum großen Teil habe ich aber nach einer solchen Informationsveranstaltung den Eindruck, dass sie uns beneiden und dass sie meinen, dass man diese Modelle mit diesem Personalaufwand in Deutschland nicht finanzierbar sind. Da stellt sich einfach die Frage, ob sich eine Nation ein solches Bildungssystem leistet, und ob sie bereit ist auch dafür finanzielle Opfer zu bringen."

    Wer übrigens nicht selber nach Finnland fahren und dort Schulen besuchen kann, der findet im Internet ein Netzwerk finnischer Schulen, die Informationen liefern und Kontakte zu deutschen Schulen knüpfen wollen.