Sandra Schulz: Der Zeitplan ist eng gesteckt. Wenn die gerade gewählte Vorsitzende der israelischen Kadima-Partei, Zipi Livni, Ministerpräsident Ehud Olmert im Amt ablösen will, dann muss ihre Koalition binnen 42 Tagen stehen. Darum will sie schon heute erste Koalitionsgespräche aufnehmen. Über die Erwartungen der Palästinenser gegenüber der neuen Frau an der Spitze wollen wir nun in den kommenden Minuten mehr erfahren. In Ramallah im Westjordanland bin ich telefonisch verbunden mit Abdallah Frangi von der Fatah-Partei, zuständig für die außenpolitischen Beziehungen. Guten Morgen!
Abdallah Frangi: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Herr Frangi, als Chance für den Frieden ist Zipi Livni von vielen Kommentatoren bezeichnet worden. Sehen Sie das auch so?
Frangi: So viel ich jetzt mitbekommen habe von dem Mann der Al Fatah, der bis jetzt mit ihr verhandelt hat, ist sie sehr seriös und gewillt, jetzt diesen Friedensprozess mitzumachen. Ich bin der Meinung, das ist ein gutes Omen.
Schulz: Ihnen beziehungsweise der Fatah ist ja Frau Livni alles andere als eine Unbekannte. Was schätzen Sie an ihr?
Frangi: Ich kenne sie überhaupt nicht, aber ich habe gehört, dass sie auch im Geheimdienst tätig war, das heißt bei der Verfolgung der Palästinenser vor allem in Europa, und ich weiß nicht, was sie damals, als ich in Europa war, von mir mitbekommen hat. Das ist eine Tätigkeit, die nicht unbedingt zu einem Politiker dazu gehört. Sie hat aber immerhin in Israel bis jetzt einen guten Ruf und ist seriös und man könnte sagen, persönlich ist sie unbelastet, obwohl sie knapp gesiegt hat und obwohl sie auch in manchen Punkten sehr weit weg mit ihrem Standpunkt von uns Palästinensern ist, in den Punkten, wo wir jetzt mit den Israelis verhandeln werden müssen. Das ist der Punkt Jerusalem und der Punkt der palästinensischen Flüchtlinge oder das Rückkehrrecht der Palästinenser.
Schulz: Gibt es denn Parallelen zu Golda Meir oder sehen Sie Parallelen, die Anfang der 70er Jahre ja erste und bisher einzige Regierungschefin in Israel war?
Frangi: Dass sie jetzt eine Frau ist, das ist das, was man heute erwähnt, dass sie die zweite Frau in Israel ist, die Ministerpräsidentin wird. Aber vom Lebenslauf her ist das nicht das gleiche, in fast jeder Hinsicht. Sie hat eine gewisse Sympathie - das kann man sagen - und sie redet mit den Palästinensern als eine Realität. Golda Meir hat damals gesagt, die Palästinenser, was ist denn das? Das Wort existiert nicht und es gibt keine Palästinenser. In diesem Punkt hat man auch einen gewaltigen Unterschied, was uns betrifft, zwischen den beiden Frauen.
Schulz: Lassen Sie uns auf das konkrete Prozedere blicken. Zipi Livni hat jetzt ja sechs Wochen Zeit, eine Regierungskoalition zu bilden, wenn sie Ehud Olmert als Ministerpräsidentin ablösen will. Wie sehen Sie ihre Chancen?
Frangi: Ich glaube, das ist sehr schwer. Das ist sehr schwer, eine sehr komplizierte Entwicklung innerhalb der israelischen Parteien, aber auch in der Kadima selbst, denn der Unterschied zwischen ihr und Mofas, der diesen Wahlkampf intern gegenüber Frau Livni gemacht hat, hat gezeigt, dass sie mit einem Prozent Vorsprung gewonnen hat, und das ist nicht viel innerhalb der Partei. Wenn man bedenkt, dass diese Partei 74.000 Mitglieder hat, und dass die Leute, die in dieser Partei gewählt haben, nur 53 Prozent waren, dann kann man sagen, das ist eine knappe Mehrheit und die Zahl ist wenig. Auch wenn man bedenkt, dass die Leute, die jetzt in der Arena sitzen, das heißt Netanjahu, ein alter Politiker, erfahren, nicht zu unterschätzen sind, und der zweite ist Barak von der Arbeiterpartei. Beide könnten gemeinsam miteinander jetzt so eine Art Koalition vorbereiten und zu neuen Wahlen gehen. In diesem Falle wird wahrscheinlich Frau Livni es sehr schwer haben und sie wird wahrscheinlich keine große Chance haben.
Schulz: Was können Sie, was kann die palästinensische Seite tun, um Zipi Livni den Rücken zu stärken?
Frangi: Auf jeden Fall hat unser Team, das heißt Präsident Abbas, die Kontakte mit der Kadima-Partei fortgesetzt und fortgeführt. Abu Allah, der zuständig für die Gespräche ist, ist auch weiterhin dabei und die haben diese Kontakte auch nicht unterbrochen. Die anderen sind durch ihre Geschichte und Erfahrung für die Palästinenser als Hardliner bekannt und als diejenigen, die bis jetzt verantwortlich waren für das Scheitern der Friedensgespräche zwischen Palästinensern und Israelis. Deswegen sind die Vorbehalte gegenüber den anderen sehr groß. Ich möchte mich aber nicht einmischen in die internen Angelegenheiten der Israelis und ich hoffe, dass Frau Livni erst mal weiter mit den Palästinensern verhandelt, dass sie mit diesen Verhandlungen, wenn sie gewinnt, ernst macht und dass sie auch uns als gleichberechtigte Partner akzeptiert.
Schulz: Die Fortsetzung der Gespräche ist derzeit das Maximalangebot von Ihrer Seite?
Frangi: Ja gut. Ich meine, man kann nicht mehr geben. Wissen Sie, wir haben bis jetzt immer Kompromisse gemacht auf Kosten der Palästinenser.
Schulz: Das sagt die israelische Seite auch.
Frangi: Ach nein. Wissen Sie, Israel hieß ja auch vor 50 Jahren schon Palästina und die Palästinenser waren in diesem Lande auch die letzten 100 Jahre. Das heißt, wenn wir jetzt einen Palästinenser-Staat haben, dann ist dieser Staat auf einem Viertel. Wenn wir die Gebiete von 1967 bekommen, dann haben wir ein Viertel von dem palästinensischen Boden, und das bedeutet, dass wir drei Viertel des Landes aufgegeben haben.
Schulz: Herr Frangi, wir haben September 2008. Wann steht ein Friedensabkommen?
Frangi: Unser Präsident hat bis vor kurzem davon gesprochen, dass wir jetzt alle Probleme hinter uns gelöst haben, vor der Zeit des Jahres 2008. Und es gibt viele Entwicklungen jetzt auf internationaler Ebene, die uns daran gehindert haben. Es gab auch Hindernisse, die von den Israelis nicht überwunden worden waren. Die israelische Regierung war in der Zeit gelähmt, was den politischen Prozess betrifft und was auch die Verhandlungen betrifft. Wir waren auch unter dieser Konfrontation mit Hamas belastet und die Tatsache, dass Hamas auf dem Gazastreifen die Oberhand mit militärischen Mitteln festhält, hat uns ebenso sehr belastet. Das Jahr 2008 war auf jeden Fall kein gutes Jahr für die Palästinenser, ebenso wie 2007. Es bleibt uns nur zu hoffen, dass das Jahr 2009 besser sein wird für uns Palästinenser. Was wir hoffen im nächsten Jahr, dass die Europäer mehr aktiv an diesen Friedensprozess herangehen sollen. Herr Sarkozy macht Fortschritte in dieser Richtung. Ich hoffe, dass die Europäer jetzt mit mehr Engagement an die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern herangehen.
Schulz: Herr Frangi, über diese weiteren Schritte müssen wir leider an anderer Stelle im Gespräch bleiben. - Im Interview mit dem Deutschlandfunk heute Morgen Abdallah Frangi von der Fatah-Partei. Haben Sie vielen Dank!
Abdallah Frangi: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Herr Frangi, als Chance für den Frieden ist Zipi Livni von vielen Kommentatoren bezeichnet worden. Sehen Sie das auch so?
Frangi: So viel ich jetzt mitbekommen habe von dem Mann der Al Fatah, der bis jetzt mit ihr verhandelt hat, ist sie sehr seriös und gewillt, jetzt diesen Friedensprozess mitzumachen. Ich bin der Meinung, das ist ein gutes Omen.
Schulz: Ihnen beziehungsweise der Fatah ist ja Frau Livni alles andere als eine Unbekannte. Was schätzen Sie an ihr?
Frangi: Ich kenne sie überhaupt nicht, aber ich habe gehört, dass sie auch im Geheimdienst tätig war, das heißt bei der Verfolgung der Palästinenser vor allem in Europa, und ich weiß nicht, was sie damals, als ich in Europa war, von mir mitbekommen hat. Das ist eine Tätigkeit, die nicht unbedingt zu einem Politiker dazu gehört. Sie hat aber immerhin in Israel bis jetzt einen guten Ruf und ist seriös und man könnte sagen, persönlich ist sie unbelastet, obwohl sie knapp gesiegt hat und obwohl sie auch in manchen Punkten sehr weit weg mit ihrem Standpunkt von uns Palästinensern ist, in den Punkten, wo wir jetzt mit den Israelis verhandeln werden müssen. Das ist der Punkt Jerusalem und der Punkt der palästinensischen Flüchtlinge oder das Rückkehrrecht der Palästinenser.
Schulz: Gibt es denn Parallelen zu Golda Meir oder sehen Sie Parallelen, die Anfang der 70er Jahre ja erste und bisher einzige Regierungschefin in Israel war?
Frangi: Dass sie jetzt eine Frau ist, das ist das, was man heute erwähnt, dass sie die zweite Frau in Israel ist, die Ministerpräsidentin wird. Aber vom Lebenslauf her ist das nicht das gleiche, in fast jeder Hinsicht. Sie hat eine gewisse Sympathie - das kann man sagen - und sie redet mit den Palästinensern als eine Realität. Golda Meir hat damals gesagt, die Palästinenser, was ist denn das? Das Wort existiert nicht und es gibt keine Palästinenser. In diesem Punkt hat man auch einen gewaltigen Unterschied, was uns betrifft, zwischen den beiden Frauen.
Schulz: Lassen Sie uns auf das konkrete Prozedere blicken. Zipi Livni hat jetzt ja sechs Wochen Zeit, eine Regierungskoalition zu bilden, wenn sie Ehud Olmert als Ministerpräsidentin ablösen will. Wie sehen Sie ihre Chancen?
Frangi: Ich glaube, das ist sehr schwer. Das ist sehr schwer, eine sehr komplizierte Entwicklung innerhalb der israelischen Parteien, aber auch in der Kadima selbst, denn der Unterschied zwischen ihr und Mofas, der diesen Wahlkampf intern gegenüber Frau Livni gemacht hat, hat gezeigt, dass sie mit einem Prozent Vorsprung gewonnen hat, und das ist nicht viel innerhalb der Partei. Wenn man bedenkt, dass diese Partei 74.000 Mitglieder hat, und dass die Leute, die in dieser Partei gewählt haben, nur 53 Prozent waren, dann kann man sagen, das ist eine knappe Mehrheit und die Zahl ist wenig. Auch wenn man bedenkt, dass die Leute, die jetzt in der Arena sitzen, das heißt Netanjahu, ein alter Politiker, erfahren, nicht zu unterschätzen sind, und der zweite ist Barak von der Arbeiterpartei. Beide könnten gemeinsam miteinander jetzt so eine Art Koalition vorbereiten und zu neuen Wahlen gehen. In diesem Falle wird wahrscheinlich Frau Livni es sehr schwer haben und sie wird wahrscheinlich keine große Chance haben.
Schulz: Was können Sie, was kann die palästinensische Seite tun, um Zipi Livni den Rücken zu stärken?
Frangi: Auf jeden Fall hat unser Team, das heißt Präsident Abbas, die Kontakte mit der Kadima-Partei fortgesetzt und fortgeführt. Abu Allah, der zuständig für die Gespräche ist, ist auch weiterhin dabei und die haben diese Kontakte auch nicht unterbrochen. Die anderen sind durch ihre Geschichte und Erfahrung für die Palästinenser als Hardliner bekannt und als diejenigen, die bis jetzt verantwortlich waren für das Scheitern der Friedensgespräche zwischen Palästinensern und Israelis. Deswegen sind die Vorbehalte gegenüber den anderen sehr groß. Ich möchte mich aber nicht einmischen in die internen Angelegenheiten der Israelis und ich hoffe, dass Frau Livni erst mal weiter mit den Palästinensern verhandelt, dass sie mit diesen Verhandlungen, wenn sie gewinnt, ernst macht und dass sie auch uns als gleichberechtigte Partner akzeptiert.
Schulz: Die Fortsetzung der Gespräche ist derzeit das Maximalangebot von Ihrer Seite?
Frangi: Ja gut. Ich meine, man kann nicht mehr geben. Wissen Sie, wir haben bis jetzt immer Kompromisse gemacht auf Kosten der Palästinenser.
Schulz: Das sagt die israelische Seite auch.
Frangi: Ach nein. Wissen Sie, Israel hieß ja auch vor 50 Jahren schon Palästina und die Palästinenser waren in diesem Lande auch die letzten 100 Jahre. Das heißt, wenn wir jetzt einen Palästinenser-Staat haben, dann ist dieser Staat auf einem Viertel. Wenn wir die Gebiete von 1967 bekommen, dann haben wir ein Viertel von dem palästinensischen Boden, und das bedeutet, dass wir drei Viertel des Landes aufgegeben haben.
Schulz: Herr Frangi, wir haben September 2008. Wann steht ein Friedensabkommen?
Frangi: Unser Präsident hat bis vor kurzem davon gesprochen, dass wir jetzt alle Probleme hinter uns gelöst haben, vor der Zeit des Jahres 2008. Und es gibt viele Entwicklungen jetzt auf internationaler Ebene, die uns daran gehindert haben. Es gab auch Hindernisse, die von den Israelis nicht überwunden worden waren. Die israelische Regierung war in der Zeit gelähmt, was den politischen Prozess betrifft und was auch die Verhandlungen betrifft. Wir waren auch unter dieser Konfrontation mit Hamas belastet und die Tatsache, dass Hamas auf dem Gazastreifen die Oberhand mit militärischen Mitteln festhält, hat uns ebenso sehr belastet. Das Jahr 2008 war auf jeden Fall kein gutes Jahr für die Palästinenser, ebenso wie 2007. Es bleibt uns nur zu hoffen, dass das Jahr 2009 besser sein wird für uns Palästinenser. Was wir hoffen im nächsten Jahr, dass die Europäer mehr aktiv an diesen Friedensprozess herangehen sollen. Herr Sarkozy macht Fortschritte in dieser Richtung. Ich hoffe, dass die Europäer jetzt mit mehr Engagement an die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern herangehen.
Schulz: Herr Frangi, über diese weiteren Schritte müssen wir leider an anderer Stelle im Gespräch bleiben. - Im Interview mit dem Deutschlandfunk heute Morgen Abdallah Frangi von der Fatah-Partei. Haben Sie vielen Dank!