Dirk-Oliver Heckmann: Im EU-Mitgliedsland Rumänien ist derzeit ein Machtkampf im Gang, der seinesgleichen sucht. Auf der einen Seite der konservative Staatspräsident Basescu, der wegen seiner Unterstützung des Sparkurses in der Bevölkerung unbeliebt ist. Auf der anderen Seite der sozialistische Ministerpräsident Ponta. Seine Sozialisten, zusammen mit den Liberalen, haben am Freitag ein Amtsenthebungsverfahren gegen Basescu in Gang gesetzt. Sie werfen ihm vor, sich illegal Regierungsbefugnisse angemaßt, die Justiz beeinflusst und gegen das Gebot der Parteilosigkeit verstoßen zu haben. Vorher aber waren noch die Präsidenten der Parlamentskammern ihres Amtes enthoben worden, und auch das Verfassungsgericht, das wurde praktisch ausgebootet. Die ehemalige rumänische Justizministerin Macowei, die spricht schon von einem Staatsstreich, und das mitten in der europäischen Union. Am Telefon begrüße ich dazu Elmar Brok von der EVP, also der CDU. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr Brok!
Elmar Brok: Guten Morgen!
Heckmann: Was ist das, was wir da beobachten können? Ist das so etwas wie ein Staatsstreich in Rumänien.
Brok: Ja, das ist wirklich ein Staatsstreich. Ich habe etwas Derartiges in einem Land, das sich Demokratie nennt, eigentlich noch nie erlebt. Da werden, entgegen allen Regeln, staatsstreichartig alle wesentlichen Positionen eines Landes durchbesetzt durch die Regierung in einem ruckartigen Verfahren. Dabei wird auch gegen Recht verstoßen, und teilweise wird auch nicht verstanden, dass man in einem Rechtsstaat auch bestimmte Dinge nicht tun darf und hinnehmen muss, dass Positionen in einer Gewaltenteilung auch anders besetzt sind. Das Schlimmste ist allerdings, dass man mit einem Dekret der Regierung Zuständigkeit eines Verfassungsgerichts außer Kraft setzt. Dass ein Ombudsmann, der in einem Verfahren retardierende Möglichkeiten, aufhaltende Möglichkeiten hat, aus dem Amt gejagt wird, um so, auf diese Art und Weise auch den Staatspräsidenten loszuwerden. Denn in beiden Fällen hätten sowohl der Ombudsmann als auch das Verfassungsgericht eine andere Position vertreten als die Regierung.
Heckmann: Inwiefern stellt das Ganze auch eine Verletzung der europäischen Verträge dar?
Brok: Es stellt eine dar, weil dieses eindeutig ein Verstoß gegen die Prinzipien der Europäischen Union ist. Der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, das ist Artikel 7 des Vertrages, und da können Verfahren in Gang gesetzt werden gegen einen solchen Staat.
Heckmann: Die europäischen Sozialdemokraten, Herr Brok, die sehen das offenbar nicht ganz so eng. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, der hat gesagt, er sehe keine Verletzung der EU-Verträge, und Hannes Swoboda, der Chef der Sozialisten im Europäischen Parlament, der meinte bei uns im Deutschlandradio Kultur, ein Amtsenthebungsverfahren, das sei ja schließlich in der Verfassung vorgesehen. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung der Sozialdemokraten?
Brok: Natürlich, ja, weil es ihre sozialistischen Brüder sind. Ein Amtsenthebungsverfahren mag ja möglich sein, aber es kann nicht sein, dass ein Verfassungsgericht, das jetzt so eine Position einnehmen kann und eine Bedeutung in diesem Verfahren hat, außer Kraft gesetzt wird durch ein Dekret der Regierung, nicht einmal durch einen Parlamentsbeschluss. Aber auch das ginge nicht. Man kann nicht Recht eines Verfassungsgerichts mit einer einfachen Mehrheit oder einer Regierungsentscheidung außer Kraft setzen. Dieses ist schlicht und einfach Verfassungsbruch. Dies ist gemacht worden, um hier politische Ziele zu erreichen. Das ist ein entscheidender Schritt, der zur Amtsenthebung hat führen können. Ohne diesen Schritt hätte man nicht das Amtsenthebungsverfahren durchführen können.
Heckmann: Also ganz klar: Sie werfen den Sozialdemokraten in Europa falsche Rücksichtnahme vor, so wie die Ihre EVP Rücksicht auf die konservative Regierung in Ungarn genommen hat, als sie angefangen hat, die Demokratie auszuhöhlen.
Brok: Nein, das ist ja nicht der Fall. Denn im Fall von Ungarn sind Verfahren in Gang gesetzt worden, und Ungarn hat im Wesentlichen bereits da zurückgerudert und hat die Position verändert. Gerade in der letzten Woche etwa die Frage der Unabhängigkeit der Zentralbank.
Heckmann: Aber die Stellungnahmen der Unionspolitiker waren doch sehr lau.
Brok: Nein, wir haben gesagt, dass im Falle Ungarns Verfahren durchgeführt werden müssen, dass die Kommission prüfen muss, und wenn die Kommission Verletzungen feststellt, diese Kommission dieses durchsetzen muss gegen die ungarische Regierung. Dies ist inzwischen weitestgehend gelungen. Hier muss man sich an die Verfahren halten. Auch dort waren Dinge da, die nicht in Ordnung waren, und ich glaube, das sollte man hier jetzt auch machen. Und es gibt ja im Falle Rumäniens und Bulgariens ein besonderes Kooperations- und Verifikationsverfahren, und ich nehme an, dass die Kommission in den nächsten Tagen dieses durchführt, um festzustellen – das ist in einer Vorstufe – dass das Verfahren nicht in Ordnung ist, und die Kommission hatte ja bisher festgestellt schon, dass sie hier Überprüfungen durchführen muss. Und es kann nicht sein, dass die Zuständigkeiten eines Verfassungsgerichts oder eines Ombudsmanns mit einem Federstrich verändert werden. Dieses ist schlicht Verfassungsbruch.
Heckmann: Wo ist denn Ihre Stimme gewesen, als Staatspräsident Basescu, der ja dem konservativen Lager angehört, immer mehr Macht an sich gerissen hat. So, wie Sie sich anhören, ist Herr Basescu ja ein reines Opfer. Aber ganz so scheint es ja doch nicht zu sein, oder?
Brok: Es spielt doch keine Rolle dabei, ob man jemand gut oder schlecht findet, aber er hat keine Macht verfassungswidriger Weise an sich gegriffen. Ob einer gute oder schlechte Politik macht, ob man ihn mag, ob man Entscheidungen macht, das spielt doch in einem solchen Verfahren der Rechtsstaatlichkeit keine Rolle, das ist eine Frage der politischen Bewertung. Und politische Wertungen können nicht Verfassungsrecht außer Kraft setzen. Wenn dieser Grundsatz nicht klar ist, dann ist Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht möglich.
Heckmann: Jetzt soll es ja ein Referendum geben in Rumänien über die Absetzung Basescus. Wenn das jetzt so ausgeht, dass die Bevölkerung sagt, eine Mehrheit eben sagt, diese Absetzung ist in Ordnung, ist dann alles okay?
Brok: Nein, dann ist nicht alles okay, denn man kann nicht eine Verfassung außer Kraft setzen. Wenn man populistisch gerade abwartet, ob jemand populär ist oder nicht populär in einem demokratischen Verfahren, in einer Demokratie ist, dann kann man nicht vorher Verfassungsrecht außer Kraft setzen. Dass ein solches Verfahren überhaupt erst möglich wird.
Heckmann: Aber was ist denn, wenn die Regierung dabei bleibt und wenn es wirklich dann so ausgeht, welche Mittel hat denn Brüssel überhaupt, die Regierung unter Druck zu setzen. Außenminister Westerwelle, der hat schon vom Beitritt zum Schengen-Raum gesprochen, der in Frage stehe. Wäre das eine Option?
Brok: Erstens halte ich das – der Beitritt zum Schengen-Raum von einem Land, das nicht vollständig rechtsstaatlich ist, für unmöglich. Das ist ein richtiger Ansatz des Bundesaußenministers. Ich meine allerdings auch, dass andere Verfahren noch in Gang gesetzt werden müssen aus Artikel 7, die bis hin zur Suspendierung des Stimmrechts Rumäniens innerhalb der Europäischen Union führen können.
Heckmann: Und Sie glauben, dass ein solches Verfahren erfolgreich sein könnte?
Brok: Ich bin der Auffassung, dass Rechtsstaat und Recht eingehalten wird. Das ist das Entscheidende. Wenn wir das Prinzip der Rechtsgemeinschaft, die Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Verfassungstreue außer Kraft setzen und dieses innerhalb der Europäischen Union akzeptieren, dann geben wir die entscheidenden Werte auf, die wir haben.
Heckmann: Außenminister Westerwelle, der hatte gefordert, man brauche mehr Kontrolle auch der demokratischen Standards, schärfere Sanktionsmöglichkeiten, denn die bisherigen Mechanismen, die seien eindeutig zu sperrig, die Sanktionen seien ohne Relevanz, weil die Hürden viel zu hoch sind. Sehen Sie das auch so?
Brok: Ich glaube, dass wir im Artikel 7 ein Instrumentarium haben, und dass dieser Artikel 7 jetzt einmal angewandt werden muss, und dann werden wir sehen, ob Rumänien bereit ist, hier einzuschwenken, wie das Ungarn in wesentlichen Teilen bisher getan hat, um auf diese Art und Weise die Dinge in Ordnung zu bringen. Hier ist auch ein Test, in welcher Weise man hier auch im Bereich der Sozialisten bereit ist, voranzugehen. Die Verfahren gegen Ungarn sind durch christdemokratische Politiker, durch Kommissionspräsident Barroso und die zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Reding, in Gang gesetzt worden. Nun bin ich mal gespannt, wie sehr die Sozialisten, und hier insbesondere die Liberalen, deren Haltung ich nun überhaupt nicht verstehe, sich einbeziehen. Also ich meine, wie die Liberalen im Europäischen Parlament sich hier für die Rechtsstaatlichkeit einsetzen über ihre parteipolitischen Freunde hinweg.
Heckmann: Ist es unterm Strich ein Fehler gewesen, Rumänien aufzunehmen? Denn man hat doch den Eindruck, dass die gesamte politische Kaste dort ziemlich korrupt ist.
Brok: Also, erstens ist die Pauschalisierung nicht richtig, zweitens haben wir mit der Kooperation Probleme, aber einen solchen Verfassungsbruch haben nicht alle durchgeführt. Und ich glaube, das müsste eigentlich deutlich unterschieden werden. Diese Sozialisten haben schon mal Anfang der 90er-Jahre in Rumänien schlimme Dinge getrieben und jetzt sind sie wieder dabei, diese Verfahren durchzuführen. Sie haben, glaube ich, bis heute den Übergang, auch mental den Übergang von der alten sozialistischen Diktatur zur Demokratie nicht geschafft.
Heckmann: Heißt, die Aufnahme Rumäniens war ein Fehler?
Brok: Nein, es war kein Fehler, aber wir müssen jetzt zeigen, dass wir dafür Sorge tragen, dass die Dinge eingehalten werden. Und wenn das nicht getan wird, dann wird es eine traurige Angelegenheit für Rumänien. Aber wir können das nicht in der Europäischen Union zulassen.
Heckmann: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok, war das von der CDU. Herr Brok, ich danke Ihnen für dieses Interview!
Brok: Ich danke auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Elmar Brok: Guten Morgen!
Heckmann: Was ist das, was wir da beobachten können? Ist das so etwas wie ein Staatsstreich in Rumänien.
Brok: Ja, das ist wirklich ein Staatsstreich. Ich habe etwas Derartiges in einem Land, das sich Demokratie nennt, eigentlich noch nie erlebt. Da werden, entgegen allen Regeln, staatsstreichartig alle wesentlichen Positionen eines Landes durchbesetzt durch die Regierung in einem ruckartigen Verfahren. Dabei wird auch gegen Recht verstoßen, und teilweise wird auch nicht verstanden, dass man in einem Rechtsstaat auch bestimmte Dinge nicht tun darf und hinnehmen muss, dass Positionen in einer Gewaltenteilung auch anders besetzt sind. Das Schlimmste ist allerdings, dass man mit einem Dekret der Regierung Zuständigkeit eines Verfassungsgerichts außer Kraft setzt. Dass ein Ombudsmann, der in einem Verfahren retardierende Möglichkeiten, aufhaltende Möglichkeiten hat, aus dem Amt gejagt wird, um so, auf diese Art und Weise auch den Staatspräsidenten loszuwerden. Denn in beiden Fällen hätten sowohl der Ombudsmann als auch das Verfassungsgericht eine andere Position vertreten als die Regierung.
Heckmann: Inwiefern stellt das Ganze auch eine Verletzung der europäischen Verträge dar?
Brok: Es stellt eine dar, weil dieses eindeutig ein Verstoß gegen die Prinzipien der Europäischen Union ist. Der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie, das ist Artikel 7 des Vertrages, und da können Verfahren in Gang gesetzt werden gegen einen solchen Staat.
Heckmann: Die europäischen Sozialdemokraten, Herr Brok, die sehen das offenbar nicht ganz so eng. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, der hat gesagt, er sehe keine Verletzung der EU-Verträge, und Hannes Swoboda, der Chef der Sozialisten im Europäischen Parlament, der meinte bei uns im Deutschlandradio Kultur, ein Amtsenthebungsverfahren, das sei ja schließlich in der Verfassung vorgesehen. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung der Sozialdemokraten?
Brok: Natürlich, ja, weil es ihre sozialistischen Brüder sind. Ein Amtsenthebungsverfahren mag ja möglich sein, aber es kann nicht sein, dass ein Verfassungsgericht, das jetzt so eine Position einnehmen kann und eine Bedeutung in diesem Verfahren hat, außer Kraft gesetzt wird durch ein Dekret der Regierung, nicht einmal durch einen Parlamentsbeschluss. Aber auch das ginge nicht. Man kann nicht Recht eines Verfassungsgerichts mit einer einfachen Mehrheit oder einer Regierungsentscheidung außer Kraft setzen. Dieses ist schlicht und einfach Verfassungsbruch. Dies ist gemacht worden, um hier politische Ziele zu erreichen. Das ist ein entscheidender Schritt, der zur Amtsenthebung hat führen können. Ohne diesen Schritt hätte man nicht das Amtsenthebungsverfahren durchführen können.
Heckmann: Also ganz klar: Sie werfen den Sozialdemokraten in Europa falsche Rücksichtnahme vor, so wie die Ihre EVP Rücksicht auf die konservative Regierung in Ungarn genommen hat, als sie angefangen hat, die Demokratie auszuhöhlen.
Brok: Nein, das ist ja nicht der Fall. Denn im Fall von Ungarn sind Verfahren in Gang gesetzt worden, und Ungarn hat im Wesentlichen bereits da zurückgerudert und hat die Position verändert. Gerade in der letzten Woche etwa die Frage der Unabhängigkeit der Zentralbank.
Heckmann: Aber die Stellungnahmen der Unionspolitiker waren doch sehr lau.
Brok: Nein, wir haben gesagt, dass im Falle Ungarns Verfahren durchgeführt werden müssen, dass die Kommission prüfen muss, und wenn die Kommission Verletzungen feststellt, diese Kommission dieses durchsetzen muss gegen die ungarische Regierung. Dies ist inzwischen weitestgehend gelungen. Hier muss man sich an die Verfahren halten. Auch dort waren Dinge da, die nicht in Ordnung waren, und ich glaube, das sollte man hier jetzt auch machen. Und es gibt ja im Falle Rumäniens und Bulgariens ein besonderes Kooperations- und Verifikationsverfahren, und ich nehme an, dass die Kommission in den nächsten Tagen dieses durchführt, um festzustellen – das ist in einer Vorstufe – dass das Verfahren nicht in Ordnung ist, und die Kommission hatte ja bisher festgestellt schon, dass sie hier Überprüfungen durchführen muss. Und es kann nicht sein, dass die Zuständigkeiten eines Verfassungsgerichts oder eines Ombudsmanns mit einem Federstrich verändert werden. Dieses ist schlicht Verfassungsbruch.
Heckmann: Wo ist denn Ihre Stimme gewesen, als Staatspräsident Basescu, der ja dem konservativen Lager angehört, immer mehr Macht an sich gerissen hat. So, wie Sie sich anhören, ist Herr Basescu ja ein reines Opfer. Aber ganz so scheint es ja doch nicht zu sein, oder?
Brok: Es spielt doch keine Rolle dabei, ob man jemand gut oder schlecht findet, aber er hat keine Macht verfassungswidriger Weise an sich gegriffen. Ob einer gute oder schlechte Politik macht, ob man ihn mag, ob man Entscheidungen macht, das spielt doch in einem solchen Verfahren der Rechtsstaatlichkeit keine Rolle, das ist eine Frage der politischen Bewertung. Und politische Wertungen können nicht Verfassungsrecht außer Kraft setzen. Wenn dieser Grundsatz nicht klar ist, dann ist Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht möglich.
Heckmann: Jetzt soll es ja ein Referendum geben in Rumänien über die Absetzung Basescus. Wenn das jetzt so ausgeht, dass die Bevölkerung sagt, eine Mehrheit eben sagt, diese Absetzung ist in Ordnung, ist dann alles okay?
Brok: Nein, dann ist nicht alles okay, denn man kann nicht eine Verfassung außer Kraft setzen. Wenn man populistisch gerade abwartet, ob jemand populär ist oder nicht populär in einem demokratischen Verfahren, in einer Demokratie ist, dann kann man nicht vorher Verfassungsrecht außer Kraft setzen. Dass ein solches Verfahren überhaupt erst möglich wird.
Heckmann: Aber was ist denn, wenn die Regierung dabei bleibt und wenn es wirklich dann so ausgeht, welche Mittel hat denn Brüssel überhaupt, die Regierung unter Druck zu setzen. Außenminister Westerwelle, der hat schon vom Beitritt zum Schengen-Raum gesprochen, der in Frage stehe. Wäre das eine Option?
Brok: Erstens halte ich das – der Beitritt zum Schengen-Raum von einem Land, das nicht vollständig rechtsstaatlich ist, für unmöglich. Das ist ein richtiger Ansatz des Bundesaußenministers. Ich meine allerdings auch, dass andere Verfahren noch in Gang gesetzt werden müssen aus Artikel 7, die bis hin zur Suspendierung des Stimmrechts Rumäniens innerhalb der Europäischen Union führen können.
Heckmann: Und Sie glauben, dass ein solches Verfahren erfolgreich sein könnte?
Brok: Ich bin der Auffassung, dass Rechtsstaat und Recht eingehalten wird. Das ist das Entscheidende. Wenn wir das Prinzip der Rechtsgemeinschaft, die Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Verfassungstreue außer Kraft setzen und dieses innerhalb der Europäischen Union akzeptieren, dann geben wir die entscheidenden Werte auf, die wir haben.
Heckmann: Außenminister Westerwelle, der hatte gefordert, man brauche mehr Kontrolle auch der demokratischen Standards, schärfere Sanktionsmöglichkeiten, denn die bisherigen Mechanismen, die seien eindeutig zu sperrig, die Sanktionen seien ohne Relevanz, weil die Hürden viel zu hoch sind. Sehen Sie das auch so?
Brok: Ich glaube, dass wir im Artikel 7 ein Instrumentarium haben, und dass dieser Artikel 7 jetzt einmal angewandt werden muss, und dann werden wir sehen, ob Rumänien bereit ist, hier einzuschwenken, wie das Ungarn in wesentlichen Teilen bisher getan hat, um auf diese Art und Weise die Dinge in Ordnung zu bringen. Hier ist auch ein Test, in welcher Weise man hier auch im Bereich der Sozialisten bereit ist, voranzugehen. Die Verfahren gegen Ungarn sind durch christdemokratische Politiker, durch Kommissionspräsident Barroso und die zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Reding, in Gang gesetzt worden. Nun bin ich mal gespannt, wie sehr die Sozialisten, und hier insbesondere die Liberalen, deren Haltung ich nun überhaupt nicht verstehe, sich einbeziehen. Also ich meine, wie die Liberalen im Europäischen Parlament sich hier für die Rechtsstaatlichkeit einsetzen über ihre parteipolitischen Freunde hinweg.
Heckmann: Ist es unterm Strich ein Fehler gewesen, Rumänien aufzunehmen? Denn man hat doch den Eindruck, dass die gesamte politische Kaste dort ziemlich korrupt ist.
Brok: Also, erstens ist die Pauschalisierung nicht richtig, zweitens haben wir mit der Kooperation Probleme, aber einen solchen Verfassungsbruch haben nicht alle durchgeführt. Und ich glaube, das müsste eigentlich deutlich unterschieden werden. Diese Sozialisten haben schon mal Anfang der 90er-Jahre in Rumänien schlimme Dinge getrieben und jetzt sind sie wieder dabei, diese Verfahren durchzuführen. Sie haben, glaube ich, bis heute den Übergang, auch mental den Übergang von der alten sozialistischen Diktatur zur Demokratie nicht geschafft.
Heckmann: Heißt, die Aufnahme Rumäniens war ein Fehler?
Brok: Nein, es war kein Fehler, aber wir müssen jetzt zeigen, dass wir dafür Sorge tragen, dass die Dinge eingehalten werden. Und wenn das nicht getan wird, dann wird es eine traurige Angelegenheit für Rumänien. Aber wir können das nicht in der Europäischen Union zulassen.
Heckmann: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok, war das von der CDU. Herr Brok, ich danke Ihnen für dieses Interview!
Brok: Ich danke auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.