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"Das kann ihm ja niemand nehmen, dass er mal Bundespräsident war"

Hätte Ex-Bundespräsident Christian Wulff ein besseres Krisenmanagement gehabt, wäre die Affäre um ihn im Keim erstickt, sagt der Politikberater und Ex-"Bild am Sonntag"-Chefredakteur Michael Spreng. FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß agiere bei seiner Steuer-Affäre geschickter.

Michael Spreng im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Ein ehemaliges Staatsoberhaupt unseres Landes: Christian Wulff, Jurist und Berufspolitiker, ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen, von der Kanzlerin zum Bundespräsidenten auserwählt und von der Bundesversammlung gewählt. Christian Wulff stolperte über seine Lebensführung, doch gefallen ist er wohl über sein Krisenmanagement.

    Und noch ein Prominenter wartet auf seinen Prozess: Bayern-Präsident, Wurstproduzent und selbst erklärter Zocker. Uli Hoeneß hat Steuern hinterzogen. Er hat sich offenbar erst selbst angezeigt, als schon gegen ihn ermittelt wurde. Im droht eine Gefängnisstrafe. Doch Uli Hoeneß will bleiben, was er ist: Wurstproduzent und Präsident des FC Bayern München. Gestern auf der Hauptversammlung seines Vereins beeindruckte er mit einem bemerkenswerten Auftritt.

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem ehemaligen Chefredakteur der "Bild am Sonntag" und dem heutigen Politikberater Michael Spreng. Guten Tag, Herr Spreng.

    Michael Spreng: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Ein ehemaliger Bundespräsident vor Gericht, das hätte alles nicht sein müssen. Ein besseres Krisenmanagement und er hätte sogar Bundespräsident bleiben können, oder?

    Spreng: Ja, das ist meine feste Überzeugung. Er war ja monatelang gewarnt durch die Recherchen dreier Blätter und wusste, dass es um seinen Hauskauf ging. Wenn er proaktiv agiert hätte, wenn er von sich aus vor der ersten Veröffentlichung eine Erklärung abgegeben hätte, dass er vor dem niedersächsischen Landtag nicht ganz die Wahrheit gesagt hat, die Hausfinanzierung offengelegt und sich entschuldigt hätte, wäre wahrscheinlich die Affäre im Keim zusammengebrochen.

    Breker: Und die Tatsache, dass er die moralische Latte selber so hoch gelegt hatte, hat sein Stolpern mit verursacht?

    Spreng: Ja natürlich. Er war ja immer einer, der hohe moralische Maßstäbe postuliert hat und sie auch an den politischen Gegner angelegt hat, und daran musste er sich natürlich messen lassen. Und nachdem er die Vorwürfe nur scheibchenweise zugegeben hat, nachdem er versucht hat, auch zu vertuschen und zu verschleiern, nachdem er diesen Drohanruf bei "Bild" und dem Springer-Vorstand gemacht hat, da war eigentlich sein Schicksal besiegelt.

    Breker: Bis dahin hatte sich Christian Wulff eigentlich äußerst bescheiden gegeben. Nur plötzlich wurde Glamour wichtig. Woran lag das?

    Spreng: Ja gut. Ich glaube, vielleicht ist er innerlich nicht mit dem Amt mitgewachsen als Ministerpräsident. Er hatte dann Freunde, bei denen man eher auf Abstand gehen soll, oder sie auch als das deklarieren, was sie sind, nämlich Zweckbekanntschaften, und er hat sich mit Leuten eingelassen und Urlaube finanzieren lassen und Vorteile entgegengenommen, die nicht strafrechtlich heute im Prozess relevant sind, aber die natürlich ein schlechtes Licht auf den Bundespräsidenten dann geworfen haben.

    Breker: Ganz gleich, ob er jetzt verurteilt wird oder nicht – Altbundespräsident ist er und Altbundespräsident wird er bleiben.

    Spreng: Ja, zwangsläufig. Das kann ihm ja niemand nehmen, dass er mal Bundespräsident war. Es wird ja auch nicht über seinen Ehrensold von 217.000 Euro im Jahr verhandelt. Aber es geht darum, ob er eine Chance zur Rehabilitierung hat oder nicht.

    Breker: Er bleibt Altbundespräsident. Kann Uli Hoeneß Präsident des FC Bayern München bleiben?

    Spreng: Das ist ja schon ein absurdes Theater, was wir da in München erlebt haben. Man sieht auch, wie unterschiedlich die Maßstäbe in Deutschland angelegt werden. Wenn es im Fall Wulff wie im Fall Hoeneß gegangen wäre, dann hätte Frau Merkel vor dem Bundestag erklärt, ich bin sein Freund, und gerade dann steht man zusammen, und der Bundestag hätte im Chor gerufen, "Christian Wulff, du bist der beste Mann". Das ist eine absurde Situation. Bei der Aktiengesellschaft Bayern München gelten nicht die normalen Maßstäbe, die bei anderen Aktiengesellschaften gelten. Der Fußball hat immer noch seine eigenen Regeln offenbar.

    Breker: Und der gestrige tränenreiche Auftritt, der zeugt doch auch irgendwie von einem klugen Krisenmanagement. Uli Hoeneß scheint gute Berater zu haben.

    Spreng: Ja gut, er zeigt öffentliche Reue. Aber da er die Konsequenzen ablehnt, die sich aus seinem Verhalten ergeben, ist diese Reue natürlich – wie soll man sagen – zweifelhaft und möglicherweise auch geschauspielert.

    Breker: Aber ist es nicht klug, sozusagen die Entscheidung darüber, ob er Präsident bleiben kann oder nicht, in die Hände der Fans zu legen, vor allen Dingen dann, wenn der FC Bayern weiterhin erfolgreich bleibt?

    Spreng: Ja natürlich! Die Fans stehen ja wie eine Mauer hinter ihm. Sie werden ihn auch mit Sicherheit als Aufsichtsratschef wiederwählen, unabhängig von diesem Prozess. Offenbar gilt das bei Bayern München eher als lässliche Sünde, Millionen Steuern hinterzogen oder nicht deklariert zu haben. Das meine ich eben mit diesen anderen Maßstäben. Er macht das geschickt, aber er macht das auch in einem Umfeld, was für solche Töne ansprechbar ist.

    Breker: Wäre es denn da an der Zeit von Politik, einzugreifen? Müsste Horst Seehofer als Ministerpräsident von Bayern sagen, hier, so geht das nicht?

    Spreng: Das ist eigentlich nicht sein Job. Es ist ja auch ein laufendes Verfahren. Wenn, müsste es der ehemalige Ministerpräsident tun, nämlich Edmund Stoiber, der auch im Aufsichtsrat sitzt.

    Breker: Allerdings, Herr Spreng, unpolitisch ist doch Sport nie. Wann immer irgendein Nationalspiel ist, wann immer Bayern München ist, da sitzen doch Politiker auf den Tribünen.

    Spreng: Ja. Man sonnt sich gerne im Glanz des Fußballs und hofft, dass das auf das eigene Image abfärbt. So verhalten sich Politiker. Und wenn es dann im Fußball mal nicht so rund läuft, also in diesem Fall Hoeneß jetzt nicht so rund läuft, dann geht man auf Distanz und hüllt sich in Schweigen. Das ist natürlich ein widersprüchliches Verhalten, da haben Sie recht.

    Breker: Glauben Sie denn, dass Uli Hoeneß sozusagen allein handelt, er hat allein gezockt, oder hat er wirklich Berater?

    Spreng: Sie meinen jetzt im aktuellen Krisenmanagement?

    Breker: Ja.

    Spreng: Ich gehe davon aus, dass er Berater hat. Er hat ja auch die finanziellen Möglichkeiten, die besten zu bezahlen. Er macht das halt. In dem speziellen Fußballumfeld macht er das sehr geschickt. Aber das sind Verhaltensweisen, wie sie außerhalb eines solchen Vereins nicht toleriert würden.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das zu der Tatsache, dass heute in Hannover der Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff begonnen hat und demnächst ein Prozess gegen den Chef des FC Bayern, gegen den Präsidenten Uli Hoeneß stattfinden wird, der Politikberater Michael Spreng. Ich danke Ihnen dafür.

    Spreng: Ich danke auch, Herr Breker.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Michael Spreng, Politikberater
    Michael Spreng: "Der Fußball hat immer noch seine eigenen Regeln offenbar." (picture alliance / dpa)
    Uli Hoeneß
    Die Reue von Uli Hoeneß sei zweifelhaft und möglicherweise geschauspielert, sagt Spreng. (dpa / pa / Bonn-Meuser)