Donnerstag, 28. März 2024

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Das Leiden der offenen Ohren

Lärm ist überall, und mit unseren immerzu offenen Ohren sind wir ihm nahezu wehrlos ausgesetzt. Zwei Beispiele finden am heutigen Tag gegen Lärm bundesweit besondere Beachtung: der Fluglärm und die Geräuschumwelt von Kindern vor allem in Schulen. Angelehnt an den International Noise Awareness Day veranstalten verschiedene Initiativen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Akustik dazu heute rund 150 Aktionen.

Von Ludger Fittkau | 25.04.2012
    "Das ist ein so durchdringender Lärm. Ich merke das immer, wenn ich hier sitze, dann merke ich immer, wie mein Blutdruck nach oben geht. Bis die dann endlich vorbei ist. Und das ist so ein inneres Vibrieren im Körper. Und ich kann mir vorstellen, das ist aber auch so, wenn eine Bahn direkt am Haus vorbeigeht wie im Rheintal, das die Menschen innerlich komplett vibrieren, wenn so ein Güterzug vorbei geht."

    Bettina Appelt vom Verein für ein lebenswertes Mainz und Rheinhessen e.V. erklärt, warum sich Fluglärmgegner aus dem Rhein-Main-Gebiet und Bürgerinitiativen gegen Bahnlärm im Mittelrheintal für den heutigen internationalen Tag gegen Lärm zusammengeschlossen haben. Frank Gross engagiert sich in Boppard am Mittelrhein gegen den Lärm der Güterzüge. Es gehe zunächst vor allem darum, bei denen ein Problembewusstsein zu schaffen, die nicht direkt an der Bahnstrecke oder in der Einflugschneise wohnen, glaubt der Sprecher der BI Pro Rheintal:

    "Lärm ist etwas, das wir als Problem eigentlich gar nicht kennen. Leute nehmen Lärm als etwas Positives wahr, Leute jubeln und schreien, wenn sie jubeln und Spaß haben. Die Leute gehen ins Fußballstadion, ins Rockkonzert und so weiter, lassen ihr Motorrad brummen. Lärm ist nicht unbedingt negativ besetzt."

    "Mission: Impossible". In Anlehnung an den Titel eines bekannten Agententhrillers haben die Organisatoren des diesjährigen internationalen Tages gegen den Lärm ein Motto gewählt, mit dem sie vor allem Schüler für das Lärmthema interessieren wollen: "Emisson: Impossible". In Mainz hat das Bündnis der Bürgerinitiativen Preise für Schulkassen ausgelobt, die sich gekonnt mit den Lärmemissionen ihres Alltags beschäftigen. Bettina Appelt:

    "Und da haben wir uns eben zusammengesetzt und haben überlegt, wie kann man Kinder animieren, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Weil Lärm beschäftigt uns ja nicht nur von oben mit dem Fluglärm, sondern wir haben den Straßenlärm, wir haben den Baulärm, wir haben den Nachbarschaftslärm, wenn zum Beispiel Gras und Laub weggeblasen wird, das ist ja alles extrem laut. Wir haben also einen sehr hohen Level an Umgebungslärm."

    "Emission: Impossible". Unter diesem Motto bekräftigt man gleichzeitig in Mainz die Forderungen des sogenannten "Akustischen Manifests", das der österreichische Künstler Peter Androsch einst für die Kulturhauptstadt Linz geschaffen und unlängst auch im Mittelrheintal vorgestellt hatte. Es ist ein literarischer Appell, die akustische Umweltverschmutzung unserer Zeit wie andere Formen von Umweltzerstörung zu begreifen und sich dagegen zu engagieren. Dabei geht es nicht nur um Verkehrslärm, sondern auch um Gebäude, in denen man sich über den Schall keine Gedanken macht - oft schlicht aus Kostengründen:
    "Die Architektur ist zu einer tauben Disziplin verkommen. Zu einer Kulissenschieberei. Sie baut Hörsäle, in denen man nicht hören kann. Krankenhäuser, die krankmachen. Wohnungen, in denen wir uns nicht verstehen können, Schulen, die unsere Kinder hyperaktiv, aggressiv und schwerhörig machen."

    "Wenn man das Manifest liest, es ist ja sehr aggressiv, aber für mich sehr treffend. Es ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber Übertreibungen machen ja alles sehr anschaulich und deswegen finde ich das Manifest sehr gelungen."

    Auch über den Tag gegen Lärm hinaus wollen die Bürgerinitiativen im Rhein-Main-Gebiet und im Mittelrheintal künftig gemeinsam dafür sorgen, dass die Politik in ihren Bemühungen nicht nachlässt, die Lärmbetroffenen vor den Folgen ungebremster Mobilität zu schützen. Auch wenn sich das für die Betroffenen angesichts des Ausbaus des Frankfurter Flughafens und immer mehr Güterzügen im Rheintal bisweilen doch anfühlt wie eine "Mission Impossible".