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Das Palmöl-Dilemma (1/5)
Marktführer Wilmar steht für die Probleme der Palmöl-Industrie

Palmöl ist das weltweit wichtigste Pflanzenöl. Drei Mal so ertragreich wie Raps, leichter zu verarbeiten als Kokosfett. Die Produktion steht aber auch für zerstörten Regenwald, Konflikte um Landrechte, Menschenrechtsverletzungen. In Singapur befindet sich der Sitz des Marktführers Wilmar - eine Spurensuche.

Von Frederic Spohr | 11.05.2018
    Ein Laborant testet Fette im Wilmar Biotechnology Research and Development Center in Shanghai.
    Fett-Labortest bei Wilmar. Der Konzern mit Sitz in Singapur setzt jährlich 31 Milliarden US-Dollar mit Palmöl um. (imago / Xinhua)
    Wenn Verbraucher Schokolade, Shampoo oder Fertigpizza kaufen, ahnen die wenigsten von ihnen, welche Plackerei dahintersteckt. Diese Männer und Frauen, die im Dschungel der indonesischen Insel Sumatra schuften, wissen es.
    "Wir werden gezwungen, die Zielvorgaben zu erfülle. Meine Frau und meine Kinder müssen mir deswegen dabei helfen. Sie sind acht, zehn und zwölf Jahre alt. Viele von uns husten oder ihre Nägel faulen. Es juckt, ich vermute das sind giftige Pflanzenmittel."
    Die Arbeiter und Arbeiterinnen, die von der Menschenrechtsorganisation Amnesty befragt wurden, haben eines gemeinsam: Sie haben auf Plantagen des Palmölherstellers Wilmar International oder für einen seiner Zulieferer geschuftet.
    Kritik von Amnesty an Löhnen und Arbeitsbedingungen
    Wilmar ist der größte Palmölhersteller weltweit: Mehr als ein Drittel des global produzierten Palmöls stammt von dem Konzern. Als Marktführer steht Wilmar sinnbildlich für die Probleme der Industrie - auch wegen des undurchsichtigen Zuliefer-Netzwerks. Schon oft haben NGOs den Konzern kritisiert. Gebessert hat sich ihrer Meinung nach wenig. Die Interviews im indonesischen Dschungel führte Amnesty vor gut zwei Jahren. Doch Amnesty-Aktivistin Seema Joshi sieht noch immer Missstände.
    "Es gibt Bereiche, wo wir Verbesserungen sehen. Aber wir sind immer noch besorgt. Zum Beispiel wegen der Löhne, die immer noch nicht fair sind. Wir waren auf Plantagen, da waren die Arbeitsbedingungen immer noch sehr schlimm. Zum Beispiel wurde Paraquot verwendet, eine Chemikalie, die in der EU verboten ist. Wir sind ziemlich sicher, dass es hier keine Veränderungen gibt."
    Wilmar International hat einen beeindruckenden Aufstieg hinter sich: Anfang der 90er-Jahre gründeten der Singapurer Kuok Khoon Hong und der Indonesier Pak Martua Sitorus das Unternehmen.
    Gerade einmal fünf Angestellte arbeiteten damals für Wilmar. Noch immer ist die Zentrale des Unternehmens ein unscheinbares, zweistöckiges Gebäude in Singapur, wo das Duo die ersten Geschäfte abwickelte. Eine Hütte im Vergleich zu den gigantischen Glastürmen des reichen Stadtstaates. Doch der unscheinbare Eindruck täuscht: In mehr als 50 Ländern arbeiten rund 90.000 Mitarbeiter für das Unternehmen. Sie erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 30 Milliarden Euro. Zu den Kunden Wilmars gehören große Konsumgüterhersteller wie Nestlé, Unilever und Kellogg‘s.
    Ein runder Tisch für nachhaltiges Palmöl?
    Doch die Aktiengesellschaft gibt sich trotz ihrer Größe verschwiegen. Eine Interviewanfrage mit dem Deutschlandfunk lehnte Wilmar ab. Öffentlich präsentiert sich der Konzern lieber im Werbevideo - und dort am liebsten als nur einer in einer ganzen Runde an Beteiligten am Palmöl-Geschäft:
    "Arbeitskonflikte sind nicht nur ein Problem der Palmöl-Industrie. Wir bei Wilmar glauben, dass kollektive Anstrengungen der richtige Weg nach vorne sind. Gemeinsam müssen Regierung, NGOs, Wirtschaft, Gewerkschaften und Arbeiter handeln, damit sich diese Industrie wandelt".
    Tatsächlich ist die Branche nicht untätig: Bereits vor Jahren haben sich mehrere Palmöl-Unternehmen, NGOs und Konsumgüterhersteller zum sogenannten RSPO zusammengeschlossen. Auf Deutsch bedeutet die Abkürzung: Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl.
    Auch Wilmar gehört zu den Mitgliedern. Die Unternehmen einigten sich auf gemeinsame Mindeststandards für Umwelt und Mitarbeiter. Wilmar geht noch einen Schritt weiter, zumindest scheinbar. Bereits vor fünf Jahren verabschiedete es eine umfassende Nachhaltigkeits-Agenda.
    Nur leider sei nach der Ankündigung nicht mehr viel passiert, sagt Gemma Tilleck vom Rainforest Action Network.
    "Wilmar war der erste Palmölhändler, der versprochen hatte, nicht mehr abzuholzen und auszubeuten. Falls es die nötigen Schritte wirklich umsetzen kann, wird es den Takt für seine Wettbewerber vorgeben. Die fünf Jahre Verzögerung bei der Umsetzung haben aber den gesamten Wandel in der Industrie zurückgeworfen. Wilmar muss jetzt voranschreiten."
    Koppelgeschäft: Nachhaltigkeit gegen niedrige Zinsen
    Bei der niederländischen Bank ING hat Wilmar einen Kredit in Höhe von 150 Millionen US-Dollar aufgenommen. Das Besondere: Die Zinsen richten sich danach, wie nachhaltig das Unternehmen ist. Bewertet wird Wilmar dafür künftig von dem Unternehmen Sustainalytics. Doch Kritiker überzeugt auch das nicht.
    "Initiativen wie der nachhaltigkeitsabhängige Kredit in Asien werden Wilmars Lieferkette nicht verändern. Solche Initiativen müssen verknüpft mit einer echten Reform der Arbeitsweisen sein. Es ist ein guter Schritt, aber er ist nicht gut genug".
    Die NGOs fordern, dass sich die Unternehmen endlich an ihre selbst gesetzten Standards halten - und diese durch mehr Transparenz auch beweisen. Die Ausrede von Wilmar, man arbeite ja daran, dürfe man nicht mehr gelten lassen, sagt, Amnesty-Aktivisten Joshi.
    "Diese Haltung ist sehr problematisch. Man darf die Einhaltung von Menschenrechte nicht nur anstreben. Wir würden das in unseren westlichen Staaten nicht akzeptieren. Wenn Firmen solche Aussagen über ihre Geschäfte in Malaysia, Indonesien oder anderen Staaten machen, dann müssen wir das hinterfragen und ihnen Paroli bieten, so stark, wie wir das können."
    Wilmar muss sich darauf gefasst machen, dass nicht mehr verborgen bleibt, was auf den Plantagen Südostasiens passiert.