Müllabholung in einem Berliner Hinterhof – heute sind die gelben Tonnen an der Reihe. Die Container für den Verpackungsmüll werden von privaten Entsorgungsfirmen eingesammelt. Gerade ziehen die beiden Mitarbeiter die Behälter durch die breite Feuerwehrzufahrt des Vorderhauses. Weil der Verpackungsmüllberg ständig wächst, quellen die Tonnen über, die Deckel stehen halb offen.
Vor dem Haus hievt eine Greifvorrichtung den Container in die Höhe. Flaschen, Folien, Behälter und Becher aus Plastik, außerdem Aludeckel, Tetrapacks und Weißblechdosen poltern in den Bauch des großen Müllwagens.
Laut Bundesumweltamt verursacht jeder Deutsche etwa 108 Kilogramm Verpackungsmüll im Jahr – die Menge steigt kontinuierlich an, seit 2010 um mehr als ein Fünftel, zum Beispiel, weil es mehr Single-Haushalte gibt. Und rund 40 Kilo des Mülls bestehen aus reinem Plastik.
Europaweites Verbot
"Wir sehen, dass, wenn wir so weitermachen, wir 2050 mehr Plastik als Fische im Meer haben", sagte daher Umweltministerin Svenja Schulze vor einem Jahr: "Das kann so nicht weitergehen. Das heißt, alle Appelle, weniger Plastik zu benutzen, alle Rahmenbedingungen, die wir da gesetzt haben, haben nicht dazu geführt, dass das weniger wird. Und deswegen gibt es jetzt das Verbot, Verbot für alles, was gut zu ersetzen ist. Rührlöffelchen aus Plastik, Plastikteller – das wird jetzt alles aus dem Handel verschwinden."
Seit dem 1. Juli greift dieses Verbot europaweit, mit der Einwegkunststoffrichtlinie setzt Deutschland eine EU-Verordnung um. Die Veränderungen für Verbraucher und Verbraucherinnen sind jedoch minimal: Wer unterwegs einen Kaffee trinken will, muss künftig den bereitgelegten Metalllöffel des Anbieters benutzen. Wattestäbchen haben neuerdings einen Papierschaft, statt Strohhalmen aus Plastik gibt es solche aus Pappe oder Mehrweghalme aus Glas.
Die meisten Kunststoff-Wegwerfartikel bleiben jedoch erhalten. Das gilt für Verpackungen aus Plastik, etwa Shampooflaschen oder Aufschnittfolien, ebenso wie für den so beliebten Coffee-to-Go Becher: er besteht aus mit Kunststoff beschichteter Pappe, verursacht Jahr für Jahr 55.000 Tonnen Abfall und ist eine der Hauptursachen dafür, dass der deutsche Verpackungsmüllberg stetig wächst – nämlich auf fast 19 Millionen Tonnen im Jahr 2018. Und das war vor Corona. Die jetzt verbannten Kunststoff-Artikel werden die europäische Plastikflut also nur minimal reduzieren.
Aber das sei auch gar nicht der Sinn des Verbots, sagt Ines Oehme vom Umweltbundesamt: "Die EU-Einwegkunststoffrichtlinie betrifft ja vor allem die am häufigsten an europäischen Stränden gefundenen Einwegkunststoffprodukte und soll grenzüberschreitend den Meeresmüll und die Auswirkungen von Einwegprodukten aus Kunststoff auf die Umwelt verringern."
Plastikberge statt Sand
Unser Umgang mit Plastik ist aus dem Ruder gelaufen – und das gilt nicht nur für Europa. Bilder von einstigen Traumstränden in Malaysia oder den Philippinen, auf denen man unter den Plastikbergen den Sand kaum noch erkennen kann, liefern ein trauriges Zeugnis davon.
Plastik wird aus Rohöl hergestellt. Es ist daher phänomenal billig und weist unschlagbare Materialeigenschaften auf. Denn es ist zugleich leicht, flexibel, unzerbrechlich und wasserdicht. Für den internationalen Handel ist es – gerade als Verpackungsmaterial – quasi unverzichtbar. Weit mehr als acht Milliarden Tonnen Plastik haben Fabriken rund um die Welt in den letzten 70 Jahren ausgespuckt, das meiste davon wurde seit der Jahrtausendwende produziert, jährlich etwa 400 Millionen Tonnen, Tendenz steigend.
"Wir leben mittlerweile schon in einem Plastikzeitalter, wie die Forscherinnen sagen", sagt die Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth. "Denn das große Problem bei Plastik ist, egal in welcher Form wir es in den Umlauf bringen, wenn es einmal in die Natur entlassen wurde, dass es sich eben nicht abbaut."
Ob auf Mülldeponien an Land oder im Meer: Plastiktüten, Käsefolien oder auch Ketchup-Flaschen brauchen bis zu 400 Jahre, bis sie sich vollständig aufgelöst haben.
"Am Ende aber wird dieses Plastik aber zerrieben, durch die Brandung, durch das UV-Licht. Und natürlich hat das auch Klimaeffekte. Dieses Mikroplastik im Meer wird von Plankton aufgenommen. Das führt ganz gravierend dazu, dass diese Senken im Meer, die wichtigsten CO2-Senken, die wir haben, weniger CO2 aufnehmen können, und gleichzeitig auch weniger Sauerstoff produzieren können."
Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Plastik ein Problem ist, sondern wie das Problem in den Griff zu bekommen ist. Zum Beispiel beim Müllexport: Noch im Jahr 2017 wurden über 600.000 Tonnen deutscher Plastikabfall in sogenannte Drittstaaten außerhalb der EU exportiert. Der Grund: Es war billiger, als den Müll vor Ort zu recyceln. Oft waren die exportierten Abfälle unsortiert und verschmutzt, sodass sie - anstatt in Recyclinganlagen - auf wilden Deponien landeten. Von dort konnte das Plastik in Flüsse und Meere gelangen. Doch diese Art von Müllexport ist inzwischen verboten. Geregelt ist das in der Basler Konvention, ein internationales Abkommen zur grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle.
Ines Oehme vom Bundesumweltamt: "Seit 1. Januar 2021 dürfen nur noch sortenreine Abfälle sowie weitgehend störstofffreie Mischungen aus Polypropylen, Polyethylen und PET, die nachweislich wirklich zum Recycling bestimmt sind, mit den Ländern frei gehandelt werden."
Polyethylen und Polypropylen sind die weltweit am meisten verwendeten Kunststoffe. Sie sind zum Beispiel in Plastiktüten, Shampooflaschen oder Joghurtbechern enthalten. Aus PET wiederum bestehen Einwegflaschen aus Kunststoff. "Für alle anderen Abfälle, also für verschmutzte und zweifelhafte Plastikabfälle, die unterliegen nun dem strengen Kontrollregime des Basler Übereinkommens. Und damit ist sicherlich ein wichtiger Schritt gesetzt."
Greenpeace fordert "Mehrweggesellschaft"
Dass sich Plastikmüll nicht mehr so leicht exportieren lässt, zwingt Deutschland und andere Länder zum Umdenken. Eine Chance, findet Viola Wohlgemuth von Greenpeace: "So wie wir eine Verkehrswende brauchen, brauchen wir auch eine Verpackungswende. Wir müssen weg vom Single-Use - wir müssen hin zu einer Mehrweggesellschaft. Und das müssen wir einfach durch Gesetze schaffen."
Denn die Mehrweggesellschaft, bestätigt der Ökonom Holger Berg vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie, wäre mit Abstand die umweltfreundlichste. Berg beschäftigt sich mit digitalen Lösungen für die Kunststoffkreislaufwirtschaft: "In aller Regel sind Mehrwegsysteme die bessere Lösung, und es gibt ja auch Mehrwegsysteme für Kunststoffe, beispielsweise gibt es inzwischen schon für Kunststoffgetränkeflaschen."
Um konsequent auf rückgebbare Behältnisse mit Pfand umzuschwenken, müssten Supermärkte ihre Geschäfte deutlich umbauen. Unverpackt-Läden, wo Kunden Haferflocken, Reis und Linsen in mitgebrachte Gläser und Dosen füllen können, zeigen im Kleinen bereits, wie es gehen könnte.
Wo Mehrwegsysteme nicht möglich sind, bietet sich das Recycling von Plastikabfällen als zweitbeste Lösung an. Schließlich ist die Verwendung recycelter Kunststoffe, so genannter "Rezyklate", deutlich umweltfreundlicher als Plastik neu zu produzieren, sagt Holger Berg. "Das kann man ganz klar sagen. Allein schon, wenn man in den Bereich des CO2-Ausstoßes guckt, ist ein Rezyklat – allein bei den gängigen Kunststoffen – zwischen zwei- und achtfach besser. Es hat einen deutlich geringeren CO2-Ausstoß, wenn sie ein Rezyklat verwenden statt Primärmaterial."
Welche Recyclingquote vorgeschrieben ist
In der Sortieranlage Hündgen in Swisstal, einem Familienbetrieb in Nordrhein-Westfalen, trifft an einem sonnigen Tag im Mai ein neuer Mülllaster ein: "Hier werden Leichtverpackungen, also Mengen aus dem gelben Sack, der gelben Tonne von ungefähr anderthalb bis zwei Millionen Einwohnern sortiert. Am Tag sind das ungefähr 25 Laster, die hier ihre gesammelten Verpackungsabfälle abladen, das macht ungefähr 100.000 Tonnen im Jahr aus."
Axel Subklew leitet die Kampagne "Mülltrennung wirkt". Sie wird von den Dualen Systemen finanziert. Das sind die Firmen, die Verpackungsmüll einsammeln und verwerten. Verkäufer von Verpackungen, zum Beispiel aus der Lebensmittelindustrie, führen Lizenzgebühren an die Dualen Systeme ab und beteiligen sich damit an den Kosten der Sammlung.
Sämtliche Abfälle aus der gelben Tonne oder dem gelben Sack landen heutzutage mindestens in einer Sortieranlage. Trotzdem hält sich das Gerücht hartnäckig, am Ende würde sowieso alles wieder zusammengeworfen und verbrannt. Wahrscheinlich ist dieses Gerücht 30 Jahre alt, denn 1991 hat Deutschland die Mülltrennung erstmalig eingeführt. Die Recyclingquote lag damals mit gerade einmal drei Prozent tatsächlich sehr niedrig. Seitdem wurde aber die Verpackungsverordnung stufenweise verschärft, zahlreiche Sortieranlagen gebaut und in ausgefeiltere Technik investiert. 2019 trat dann das Verpackungsgesetz in Kraft – es schreibt für Kunststoffabfälle eine Recyclingquote von 58,5 Prozent vor, nächstes Jahr sollen es dann schon 63 Prozent sein.
"Die richtige Mülltrennung ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz", betont Axel Subklew: "Wir sparen jedes Jahr 3,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente durch die richtige Mülltrennung über alle Verpackungsfraktionen. Und das ist ein Beitrag, den kann wirklich jeder leisten."
Bislang trennt allerdings längst nicht jeder seinen Müll korrekt. Der Anteil sogenannter Fehlwürfe in der gelben Tonne beträgt bis zu 30 Prozent – darunter vor allem Essensreste, aber auch alte Schuhe oder – wegen der Explosionsgefahr besonders problematisch – Batterien und Akkus. Axel Subklew erklärt, wie man gebrauchte Joghurtbecher, Ketchup-Flaschen und Tomatendosen richtig entsorgt:
"Die müssen nicht ausgespült werden, aber unbedingt restentleeren. Die Verpackungen, gelber Sack, gelbe Tonne auch nicht ineinander stapeln, dann wird es in der Sortierung schwieriger, weil man es nicht so gut auseinanderbekommt. Und ja, bei unterschiedlichen Materialien, Deckel - zum Beispiel vom Joghurtbecher - unbedingt abziehen, weil dann kann Aluminium richtig sortiert werden und der Kunststoffbecher und das hilft uns am Ende halt auch höhere Recyclingquoten zu erzielen."
Was nicht recycelbar ist
Tatsächlich gibt es aber auch viele Verpackungen, die gar nicht recycelbar sind. Das ist immer dann der Fall, wenn verschiedene Plastikfraktionen miteinander verklebt sind. Ein Beispiel sind die dünnen Kunststofffolien auf Wurst- und Käseverpackungen. Um einen Anreiz zu setzen, dass mehr Plastik recycelt wird, gilt seit Anfang dieses Jahres die EU-Plastiksteuer. Christopher Stolzenberg, Sprecher des Bundesumweltministeriums, hält den Begriff "Steuer" allerdings für irreführend:
"Unter diesem Schlagwort geht es um etwas anderes, nämlich um die Mitgliedsbeiträge der EU-Mitgliedsstaaten zur Finanzierung des EU-Haushalts. Ein Teil dieser Beiträge wird seit 2021 auf Basis des nationalen Recyclingaufkommens von Kunststoffverpackungen berechnet. Diese an sich komplizierte Berechnung könnte man so vereinfachen, indem man sagt: Recycelt ein Land viele Plastikverpackungen, dann zahlt es weniger. Recycelt es wenig, dann zahlt es mehr."
Und zwar eine Gebühr von 80 Cent für jede Tonne Plastikmüll, die nicht recycelt wurde. Dieses Geld wird aus der Staatskasse entnommen und nicht etwa von den Plastikproduzenten eingezogen. Umweltschützer bewerten diese Steuer daher als nicht zielführend. Mara Hancker von der Industrievereinigung Kunststoffverpackung stellt jedoch klar:
"Unsere Industrie ist innovativ und bereit, den Wandel da mitzugestalten. Darüber hinaus hat sich mittlerweile mit der "Alliance to end Plastic Waste" auch eine Allianz der Großkonzerne gebildet, um eben Einträge von Plastikmüll in die Umwelt zu reduzieren beziehungsweise zu verhindern."
Kritik an Zahlen zum Recycling
Und dafür setzen die Konzerne auf mehr Recycling. Umweltverbände zeigen sich davon jedoch wenig beeindruckt: mit dem Recycling-Versprechen wollten die Kunststoffproduzenten vor allem ihr Geschäftsmodell absichern. Denn Einwegplastik ist billig, einfacher zu organisieren als Mehrwegsysteme - und es verlängert beispielsweise im Lebensmittelbereich die Haltbarkeit. Der Wuppertaler Ökonom Holger Berg warnt zudem, dass Zahlen, die zum Recycling genannt werden, mit Vorsicht zu genießen seien: "Da gibt es auch unterschiedliche Herangehensweisen, ab welchem Moment man sagt, dass ein Kunststoff recycelt wird, ob das daran liegt, dass er in eine Recycling-Anlage hineinkommt, dass er als Rezyklat vorliegt, oder dass er dann tatsächlich auch als Rezyklat wieder eingesetzt wird."
Eine hohe Recyclingquote bedeutet noch lange nicht, dass aus den Rezyklaten dann tatsächlich auch neue Produkte entstehen. Wie zum Beispiel Parkbänke und Rohre, Innenverkleidungen von Autos oder Dämmmaterialien. Derzeit liegt der Anteil der aus Rezyklaten neu hergestellten Plastikartikel an der Gesamtproduktion bei lediglich 13 Prozent. "In Deutschland gelten zum Beispiel Tetrapacks als stofflich recycelt und wiederverwendet, obwohl in Wirklichkeit nur der Faseranteil, also der äußere Anteil des Papiers recycelt wird", kritisiert Viola Wohlgemuth von Greenpeace. "Während das Plastik und das darauf geklebte Aluminium so eng verbunden sind als typisches Verbundmaterial, dass es nur noch verbrannt werden kann, meistens in Zementwerken. Es gilt aber trotzdem als stofflich recycelt, weil dort dieses Aluminium dann im Zement ist. Es ist aber für den Kreislauf komplett verloren. Deshalb sind die Recyclingquoten, die in Deutschland angegeben werden, meiner Meinung nach eine Lüge."
Müllverbrennung wird zu erneuerbarer Energie
Mehr als 800.000 Tonnen Plastik hat die Zementindustrie im Jahr 2019 verbrannt. Die Menge ist gestiegen - und das hat auch mit staatlichen Subventionen zu tun. Denn die Müllverbrennung wird zu den erneuerbaren Energien gezählt, wenn daraus Strom oder Wärme produziert wird. Trotz der vielen Schadstoffe, die dabei freigesetzt werden. Kunststoffabfälle als Brennmaterial könnten im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg sogar noch an Attraktivität gewinnen. Denn Plastik brennt offenbar sehr gut, im Zementwerk Cemex bei Berlin zum Beispiel hat dieser Müll gerade erst die Kohle ersetzt. Tatsächlich landet auch fertig sortierter Plastikmüll, der sich für Rezyklate eignen würde, tonnenweise in den Verbrennungsanlagen, bestätigt der Bundesverband Deutsche Entsorgungswirtschaft.
Und das hat seine Gründe, beklagt Verbandspräsident Peter Kurth: "Wir haben zu wenig Nachfrage aus der Industrie nach Rezyklaten. Das ist heute jedem Produzenten völlig freigestellt, ob er Öl verwendet, oder ob er Rezyklate verwendet. Und das darf so nicht sein." Rezyklate kosten im Vergleich zu aus Rohöl neu hergestelltem Plastik teilweise fast dreimal so viel. Während im Bereich Papier, Glas und Metalle mit 80 Prozent Wiederverwertung eine echte Kreislaufwirtschaft stattfindet, bleiben Kunststoffe das Sorgenkind der Entsorgungsbranche: "Wenn Sie Recyclingmaterialien auf dem Markt platzieren, müssen Sie ja die Kosten für die Sammlung, für die Infrastruktur, für die Aufbereitung, müssen Sie im Preis ausdrücken können. Wir haben für Recyclingmaterialien im Kunststoffbereich keinen Markt. Und das ist das große Problem."
Peter Kurth fordert daher eine gesetzliche Mindestquote für Rezyklate in neuen Kunststoffprodukten. Denn die derzeitigen Regulierungen reichten nicht aus, um dem Markt mehr Schwung zu verleihen. Etwa die Novelle des Verpackungsgesetzes, die - wie die Einwegkunststoffrichtlinie – Anfang Juli in Kraft tritt: sie sieht unter anderem einen 25-prozentigen Rezyklat-Anteil in Getränkeflaschen aus Kunststoff vor – und das erst ab 2025. Doch auch wenn das nicht gerade nach einem ehrgeizigen Ziel klingt: Für die Kunststoffhersteller bedeutet das kostenspielige Investitionen.
Ölkonzerne rüsten auf
Der Ökonom Holger Berg vom Wuppertal-Institut rechnet damit, dass eine verbindliche Rezyklat-Quote auf EU-Ebene früher oder später kommen werde. Doch er sieht auch einen anderen Grund für die Zurückhaltung der Firmen: Sie können bei Rezyklaten – anders als bei neuem Plastik – die chemische Qualität des Materials nicht einschätzen. Hier setzt sein Projekt Di-Link am Wuppertal-Institut an, bei dem Berg eng mit der Kunststoffwirtschaft zusammenarbeitet: "Es gibt im Moment eine hohe Bereitschaft in der Kunststoffwirtschaft sich mit dem Thema Recycling zu befassen."
Diese Firmen würden Rezyklate kaufen, wenn die Qualität stimmt. Selbst wenn der Preis höher sein sollte als der von Öl, sagt Holger Berg. Mit modernster digitaler Technik versucht er, recyceltes Plastik aufzuwerten. Ob das ausreicht, damit Altplastik verstärkt in neuen Produkten auftaucht, bleibt abzuwarten. Denn auch die Ölkonzerne rüsten auf. Laut Greenpeace haben Shell und Exxon Mobile seit der Jahrtausendwende über 180 Milliarden Dollar in neue Kunststofffabriken investiert – als Ersatz für das Geschäft mit dem Sprit für Verbrennermotoren.
Und nicht nur das, mahnt Viola Wohlgemuth von Greenpeace: "Vor allem sehen wir, dass verstärkt Fracking-Gas aus Nordamerika nach Europa verschifft wird. Aus diesem Fracking-Gas wird hier wieder Plastik hergestellt. Also das bedeutet, der Plastikboom ist leider nicht gebrochen. Er geht eher weiter."
Die Plastikschwemme lässt sich scheinbar nur mit gesetzlichen Regelungen eindämmen. Und erste Schritte in die richtige Richtung sind getan. Aber wenn an entscheidenden Stellschrauben wie der Rezyklat-Quote für neue Produkte nicht nachgeschärft wird: dann bleiben die Gesetze ein zahnloser Tiger.