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"Das Problem waren die öffentlichen Banken"

Banken sollen ihre Investmentsparte deutlich vom Geschäftsbankenbereich trennen, so der Vorschlag von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Volker Wissing (FDP) hält diese Pläne für falsch.

Volker Wissing im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: […]Banken sollen ihre Investmentsparte deutlich vom Geschäftsbankenbereich trennen. Ersparnisse und Geldanlagen sollen im Fall der Fälle nicht mit in den Abgrund gerissen werden.
    Als Peer Steinbrück seine Vorschläge vor wenigen Tagen vorlegte, wie die Banken reguliert werden sollen, war das Echo gemischt. Kritik gab es von Bankenvertretern, nicht von allen, und von der FDP, von den Liberalen. Volker Wissing ist der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Wissing.

    Volker Wissing: Guten Tag, ich grüße Sie.

    Meurer: Gegen Steinbrücks Modell hat die FDP ja eine ziemliche Breitseite abgefeuert. Sie, Herr Wissing, auch. Müssen Sie bei Steinbrück jetzt Abbitte leisten?

    Wissing: Nein, ganz sicher nicht. Herr Steinbrück hat ja sehr viele Dinge vorgelegt, die bereits umgesetzt worden sind. Wenn Sie an den Hochfrequenzhandel denken, die Regulierung ist auf dem Weg, oder auch Restrukturierungsgesetz, diese Dinge haben wir schon auf den Weg gebracht, sodass nicht so viel Neues bei Herrn Steinbrück zu finden ist. Und auch, was er jetzt vorschlägt mit dem Trennbankensystem, ist ja nichts Neues, das hat er auch von anderen übernommen. Aber ob der Vorschlag wirklich gut ist, das muss man genau prüfen. Denn schauen Sie: Die Schieflagen kamen von einer reinen Investmentbank, von Lehman Brothers, und sie kamen von einer Spartenbank, der Hypo Real Estate. Und bei der Hypo Real Estate gab es auch eine solche Holding-Lösung, es gab die Depfa in Irland, und es gab die Hypo Real Estate in Deutschland unter einer Holding zusammengefasst, und am Ende musste genau für diese Banken der Steuerzahler eintreten.

    Meurer: Das mag ja sein, dass man, Herr Wissing, nicht Lehman vor dem Untergang hätte retten können. Aber kann man mit dem Trennbankensystem nicht viel Geld für den Steuerzahler im Fall der Fälle sparen?

    Wissing: Nein, das kann man eben nicht, denn der Steuerzahler wurde zur Kasse gebeten für Spartenbanken und für Landesbanken, für öffentliche Banken. Genau zu diesen Banken sagt Herr Steinbrück nichts. Anstatt den Landesbanken frühzeitig Einhalt zu gebieten, da hat er als Finanzminister nur zugeschaut und sucht jetzt solche Spartenlösungen, solche Scheinlösungen. Wissen Sie, damit kann man eine künftige Krise nicht verhindern, und deswegen ist das Papier von Herrn Steinbrück dünn. Und auch auf europäischer Ebene sucht man händeringend nach irgendeiner Lösung, wie man das Problem bewältigen kann. Man kann es letztlich nur dadurch bewältigen, dass man seriöse Bankgeschäfte betreibt, und gerade im öffentlichen Sektor war das nicht der Fall. Wir haben Landesbanken gehabt, die in Deutschland umgekippt sind, vom Steuerzahler gerettet werden mussten, wir haben eine Spartenbank, die Staatsfinanzierung …

    Meurer: Aber Monopoli haben doch nicht nur die öffentlichen Banken gespielt.

    Wissing: Also die Universalbanken bieten ja auch einen Vorteil gegenüber Spartenbanken. Schauen Sie, wenn Sie eine Bank mit verschiedenen Geschäftsfeldern haben, dann werden die Risiken auch verteilt. Dann haben Sie eben nicht nur dieses eine Risiko so zugespitzt. Und wenn Sie die Banken zerschlagen, wenn Sie etwa die Deutsche Bank zerschlagen würden, würde von dieser Bank kein Global Player mehr übrig bleiben. Deutschland hätte dann als Exportnation kein großes Institut mehr, das die deutschen Exportgeschäfte international begleiten könnte. Das wäre doch töricht!

    Meurer: Da sagt ja Peer Steinbrück, Herr Wissing, von Zerschlagen sei überhaupt keine Rede. Sein Modell sieht vor: eine Holding und darunter dann zwei getrennte Banken mit getrennten Vorständen. Genau das sagen jetzt die Experten der EU-Kommission, eines EU-Kommissars, der aus dem konservativen Lager kommt, sage ich nur mal nebenbei, Michel Barnier, Parteifreund von Nicolas Sarkozy. Das gibt Ihnen überhaupt nicht zu denken?

    Wissing: Nein, weil die Probleme der Finanzkrise eben nicht von Universalbanken ausgegangen sind. Ich finde das schon bemerkenswert. Wir hatten eine Bankenkrise, die ging von Spartenbanken, von Investmentbanken und von öffentlichen Banken aus. Und jetzt nimmt man Universalbanken, die gar nicht das Risiko dargestellt haben und abgebildet haben, und versucht, diese jetzt zum Sündenbock zu machen. Warum muss man denn das Problem dermaßen umgehen und warum kann man nicht gezielt sich mit den Problemen beschäftigen, die die Krise verursacht haben? Wenn man so an der Realität vorbei reguliert, wird am Ende genau das gleiche wieder passieren wie in der Vergangenheit. Dann werden sich öffentliche Banken töricht verhalten am Markt, dann werden Spartenbanken völlig übersehen und dann werden Risiken eben nicht verteilt, sondern zugespitzt, und deswegen halte ich davon nicht viel. Ich glaube, man macht den Menschen in Deutschland etwas vor, wenn man solche Lösungen als einfache Lösungen präsentiert. Und schauen Sie, das mit der Holding ist ja so einfach nicht. Bei der Hypo Real Estate hatten wir die Situation auch: Es gab eine selbstständige Depfa in Irland, es gab eine Hypo Real Estate in Deutschland und das ganze unter dem Dach einer Holding. Und was ist passiert? Peer Steinbrück hat den Steuergeldbeutel aufgemacht und hat Hunderte von Milliarden hingelegt, um die Bank zu retten. Und jetzt kommt der gleiche Peer Steinbrück und sagt, das wäre doch eine gute Lösung, um die Probleme der Zukunft zu vermeiden. Ich glaube nicht daran!

    Meurer: Der gleiche Peer Steinbrück sagt, er hat aus seinen Fehlern gelernt. Die FDP nicht?

    Wissing: Na ja, gut: Die Fehler von Herrn Steinbrück waren auch enorm. Einer seiner zentralen Fehler war, dass er die Finanzmarktregulierung nicht in Angriff genommen hat.

    Meurer: Aber er denkt jetzt anders und Sie wollen in die Richtung weitermarschieren, oder?

    Wissing: Nein. Wir gehen eben genau nicht. Sehen Sie, das ist nämlich genau das, was Peer Steinbrück den Leuten als Unwahrheit immer wieder erzählt. Die Wahrheit ist, dass nachdem er nicht mehr Finanzminister war, CDU/CSU und FDP die Regulierung in Deutschland in Angriff nehmen konnten. Hochfrequenzhandelsgesetz, Ratingagenturen unter Aufsicht gestellt, Restrukturierungsfonds, Restrukturierungsgesetz, europäische Bankenaufsicht, Unabhängigkeit der nationalen Bankenaufsicht gestärkt – das sind ja alles keine Dinge, die jemals irgendwo mit Peer Steinbrück in Verbindung gebracht werden können, weil er nichts gemacht hat. Und jetzt tut er so, als müsste er als Phönix aus der Asche hervorgehen und könnte sich als Bankenregulierer generieren. Jemand, der die Banken niemals reguliert hat in seiner Regierungsverantwortung, kann doch nicht ernsthaft mit einem Blatt Papier, das er auf den Tisch legt, plötzlich zum Regulierer werden.

    Meurer: Seine Position wird jetzt aber gestärkt oder zumindest geteilt von den Experten der EU-Kommission. Nochmal die Frage, Herr Wissing: Gibt es für Sie keine Situation, wo Sie sich vorstellen können, eine Universalbank, die in zwei Sparten geteilt ist, steht besser da, weil im Zweifelsfall, wenn wir wieder eine Finanzkrise erleben, nicht die Ersparnisse völlig ins Rutschen kommen?

    Wissing: Ich halte das für ein falsches Argument. Wenn Sie das unter einer Holding zusammenfassen, kommen Sie nicht zu dem Ergebnis. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Sie das trennen nur dann, wenn Sie die Bank zerschlagen. Und dann muss man genau abwägen: Ist es für Deutschland besser, solche Banken zu zerschlagen, mit der Folge, dass wir dann keine international wettbewerbsfähigen großen Banken mehr haben – und das als Exportnation -, oder ist es eben besser zu sagen, gingen von diesen Banken überhaupt Risiken aus, waren diese Banken überhaupt gefährlich für den Steuerzahler, und dann kommt man zu dem Ergebnis, nein, sie waren in Deutschland nicht gefährlich für den Steuerzahler. Es waren andere Banken, Spartenbanken, oder in Amerika die reinen Investmentbanken. Deswegen dürfen wir uns als Deutsche hier nicht von außen Diskussionen aufdrücken lassen. Wissen Sie, mich beeindruckt das auch nicht so sehr, wenn auf europäischer Ebene solche Diskussionen geführt werden. Es gibt doch ganz unterschiedliche Interessen in Europa. Nicht jedes Land ist eine so starke Exportnation wie die Bundesrepublik Deutschland. Nicht jedes Land hat eine solche Bankenstruktur, wie wir sie haben. Die Probleme bei uns kamen vom öffentlichen Bankensektor, nicht vom privaten.

    Meurer: Aber ein Interesse haben alle gemeinsam, dass wir nicht noch einmal zig Milliarden auf den Tisch legen müssen, um Banken zu retten, die vorher Monopoli gespielt haben.

    Wissing: Entschuldigung! Die Banken, von denen Peer Steinbrück jetzt redet, sind doch nicht das Problem gewesen. Das Problem waren doch in Deutschland die öffentlichen Banken, die WestLB, andere, die massive Fehlentwicklungen genommen haben, übrigens unter strenger politischer Kontrolle. Das war doch das Problem in Deutschland. Und wissen Sie, wenn auf europäischer Ebene Vorschläge zur Regulierung gemacht werden, muss man immer wissen: hier geht es auch immer um Eingriffe in die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Banken. Und ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass jemand, der den Anspruch erhebt, Bundeskanzler zu werden, so leicht Diskussionen von anderen übernimmt, sie hier nach Deutschland holt, ohne sich die Frage zu stellen, ist das eigentlich gut für die Arbeitsplätze in unserem Land. Was für Anforderungen haben wir denn an Regulierung in Deutschland? Nicht alles, was im Ausland gewünscht wird, ist auch für unser Land gut, und deswegen müssen wir doch die Interessen des nationalen Finanzplatzes im Interesse der nationalen Arbeitsplätze vertreten und das verteidigen. Und wenn von den Universalbanken keine Gefahr ausgegangen ist, warum sollen wir uns denn von außen die Zerschlagung unserer Banken aufzwingen lassen oder einreden lassen? Schauen Sie, wir brauchen doch die Kreditvergabe in Deutschland. Wir haben einen hohen Industrieanteil. Wissen Sie, was man in Großbritannien über Banken sagt, wenn man Banken in Großbritannien anders aufstellt als in Deutschland, dann kann ich das verstehen. Wir haben in Deutschland auch einen hohen Industrieanteil, dort lebt man von Bankendienstleistungen. Und deswegen: nicht alles, was man in Europa sich vorstellen kann für Deutschland, ist auch in unserem nationalen Interesse, und ich fordere Herrn Steinbrück auf, auch die nationalen Interessen zu vertreten. Ich höre von ihm immer nur, Geld für Südeuropa und alle Vorschläge zur Regulierung unserer Banken von außen annehmen. Da habe ich doch erhebliche Zweifel.

    Meurer: Volker Wissing, der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, lehnt sowohl die Vorschläge von Peer Steinbrück als auch der EU-Kommission zum Trennbankensystem ab. Herr Wissing, danke und auf Wiederhören!

    Wissing: Ja danke Ihnen! Auf Wiederhören!


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