Anne Raith: Am Telefon ist jetzt Garrelt Duin, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Duin!
Garrelt Duin: Schönen guten Morgen!
Raith: In der Griechenland-Krise hat die SPD der Kanzlerin eine zögerliche Haltung vorgeworfen, jetzt ist sie forsch und fordert – sind Sie jetzt zufrieden?
Duin: Leider nicht. Es wäre ja schön, wenn wir eine Bundeskanzlerin hätten, die auf der europäischen Ebene wirklich den Europagedanken, den ihr Vorvorgänger Helmut Kohl verkörpert hat, auch so nach vorne bringen würde, aber das ist leider nicht der Fall. Sie guckt immer nur eigentlich, was passiert in der nationalen Presse, versucht nationale Interessen dort durchzusetzen, aber wirklich europäische Politik ist das nicht.
Raith: Aber sie hat ja nachgegeben, was die Aufstockung des Rettungsschirms betrifft.
Duin: Das kennen wir von ihr, dass sie zunächst in Deutschland die eiserne Lady gibt, aber dann doch in Europa etwas anderes macht, als sie hier vorher angekündigt hat. Auch bis gestern war von ihr zu lesen, alle sollten selbst für ihre Schulden aufkommen, und jetzt wird eben doch ein solcher Pakt dann gemacht. Das hätte man vorher schon verabreden können, ohne dass diese ganzen europapolitischen Irritationen durch die Bundeskanzlerin in fast allen anderen Mitgliedsstaaten der EU verursacht worden wären.
Raith: Aber am Ende hat sie sich ja dann, wie Sie sich gewünscht haben, europäisch gezeigt.
Duin: Na, aber das reicht alles nicht aus, denn was haben wir jetzt für einen Pakt? Es soll bei den Löhnen runtergehen, es soll bei den Renten runtergehen, die Länder sollen sich an den Rand sparen – das mag gut klingen, nur es hilft diesen Ländern überhaupt nicht, wenn nicht gleichzeitig eine Wachstumsstrategie entworfen wird. Und davon ist weder in diesem jetzt umbenannten Pakt noch in anderen Beschlüssen des EU-Gipfels irgendetwas zu sehen. Es soll nur sich kaputt gespart werden, es gibt keine Wachstumsstrategie. Das ist keine gute Politik.
Raith: In den Agenturen ist heute zu lesen, dass der Weg frei sei für die größte Euroreform seit der Einführung der Gemeinschaftswährung. Ihren Worten entnehme ich, dass Sie das anders sehen.
Duin: Weil ganz elementare Teile fehlen. Wir haben immer noch keine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen, geschweige denn, dass wir Mindeststandards für die Besteuerung von Unternehmen haben. Wir haben keinen gemeinsamen Pakt für Investitionen in Bildung und in Forschung. Das sind aber alles Elemente, die neben dem, was jetzt verabredet worden ist, was den konkreten Rettungsschirm angeht, zwingend erforderlich sind, um diesen Ländern auch wieder eine Perspektive zu geben. Im Übrigen ist auch das Thema Entschuldung und Beteiligung der privaten Investoren längst nicht ausreichend gelöst. Also da sind noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu machen.
Raith: Aber es sind Grundlagen gelegt worden für kommende Reformen.
Duin: Ja, das ist ja wohl das Mindeste, was man von einem solchen Gipfel auch erwarten kann. Ich hoffe nur, dass in den nächsten Tagen, sofern angesichts der anderen weltpolitischen Riesenthemen, die uns jetzt gerade begleiten, auch hier bei Ihnen heute den ganzen Morgen, dass man sich darum kümmert, dass dieses weiterhin erweitert wird. Denn das, was wir bisher haben, reicht einfach nicht aus, dann wird es in einem halben Jahr eine noch viel schwierigere Aufgabe, der man sich dann stellen muss.
Raith: Portugal hat ja jetzt angekündigt, den Gürtel enger zu schnallen, Reformen anzuleiern, Griechenland profitiert von einem Zinsnachlass – glauben Sie nicht, dass das die Märkte schon einmal beruhigen wird?
Duin: Es ist ja wieder erneut limitiert worden, der Rettungsschirm. Ich glaube, dass man dort zu einer anderen Lösung kommen werden muss. Was ich gut finde, ist, dass die Griechen einen niedrigeren Zinssatz bekommen, der ist immer noch sehr hoch, das wird aber insgesamt das Problem nicht lösen. Ich sag’s noch mal: Man kann sehr viel durch Sparen erreichen, man kann aber nicht alleine darauf setzen. Wenn man nur die Löhne runterfährt und spart, dann wird man möglicherweise eine Deflation in diesen Ländern organisieren, aber kein Wachstum, was sie aus dieser Krise herausbringt, und damit ja auch den Ländern, denen es besser geht, wie zum Beispiel Deutschland, am Ende keinen Gefallen getan haben.
Raith: Weil wir dann am Ende die Schulden der anderen zahlen müssen?
Duin: Deswegen ist es so wichtig, dass wir endlich eine Beteiligung der privaten Gläubiger haben. Das hat Frau Merkel irgendwann mal ins Spiel gebracht, aber bis heute hat sie dem keine Taten folgen lassen.
Raith: Ihr Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat betont, dass geklärt werden muss, wie weit die gemeinsame Haftung gehen kann und wo ihre Grenzen sind. Wo sind denn Ihrer Meinung nach die Grenzen?
Duin: Das lässt sich natürlich nicht in einer exakten Zahl ausdrücken, aber ich finde es richtig, dass man jetzt darangeht, ein solches Gesamtkonzept zu entwerfen. Nur die Aufstockung des Fonds alleine wird da nicht ausreichen. Auch das Thema Eurobonds wird weiter in der Diskussion bleiben müssen. Die Bundesregierung ist sich da ja sehr uneinig, selbst liberale Europaabgeordnete sagen, wie auch Herr Juncker, man wird dieses Instrument doch nicht ausschließen können. Da ist die Kanzlerin jetzt noch auf der anderen Seite, aber wir kennen das ja, wir haben es ja jetzt auch wieder erlebt, am Ende wird sie sich doch wieder bewegen. Und ich hoffe, dass diese Zeit, die wir dafür brauchen, dass die von der Kanzlerin nicht wieder verspielt wird, so wie sie das bei der Griechenland-Krise vor einem Jahr auch schon gemacht hat – viel zu lange gezögert anstatt schon relativ schnell die Dinge zu tun, die notwendig sind, um die Märkte zu beruhigen.
Raith: Die Regierung bräuchte ja nach jetzigem Stand die Zustimmung des Bundestags für eine Ausweitung des Rettungsschirms. Wie wird sich die SPD positionieren? Am Ende doch mitstimmen?
Duin: Ich will das nicht ausschließen, weil Dinge ja notwendig sind, um die Märkte zu beruhigen, aber die Bedingungen, die ich heute Morgen jetzt zweimal schon genannt habe, nämlich dafür zu sorgen, dass auch eine Wachstumsstrategie möglich ist, inklusive der Bemessungsgrundlage und Mindeststandards bei den Steuern, die sind bisher für mich nicht erkennbar. Deswegen ist die Frage noch offen, wir werden das jetzt beraten.
Raith: Das heißt am Ende vielleicht doch ein zähneknirschendes Zustimmen?
Duin: Wie gesagt, das ist heute Nacht dort beraten worden, und wir erden das jetzt in der kommenden Woche uns genau angucken, auf Herz und Nieren prüfen, und dann eine Entscheidung treffen.
Raith: Sagt Garrelt Duin, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!
Duin: Vielen Dank!
Raith: Wiederhören!
Garrelt Duin: Schönen guten Morgen!
Raith: In der Griechenland-Krise hat die SPD der Kanzlerin eine zögerliche Haltung vorgeworfen, jetzt ist sie forsch und fordert – sind Sie jetzt zufrieden?
Duin: Leider nicht. Es wäre ja schön, wenn wir eine Bundeskanzlerin hätten, die auf der europäischen Ebene wirklich den Europagedanken, den ihr Vorvorgänger Helmut Kohl verkörpert hat, auch so nach vorne bringen würde, aber das ist leider nicht der Fall. Sie guckt immer nur eigentlich, was passiert in der nationalen Presse, versucht nationale Interessen dort durchzusetzen, aber wirklich europäische Politik ist das nicht.
Raith: Aber sie hat ja nachgegeben, was die Aufstockung des Rettungsschirms betrifft.
Duin: Das kennen wir von ihr, dass sie zunächst in Deutschland die eiserne Lady gibt, aber dann doch in Europa etwas anderes macht, als sie hier vorher angekündigt hat. Auch bis gestern war von ihr zu lesen, alle sollten selbst für ihre Schulden aufkommen, und jetzt wird eben doch ein solcher Pakt dann gemacht. Das hätte man vorher schon verabreden können, ohne dass diese ganzen europapolitischen Irritationen durch die Bundeskanzlerin in fast allen anderen Mitgliedsstaaten der EU verursacht worden wären.
Raith: Aber am Ende hat sie sich ja dann, wie Sie sich gewünscht haben, europäisch gezeigt.
Duin: Na, aber das reicht alles nicht aus, denn was haben wir jetzt für einen Pakt? Es soll bei den Löhnen runtergehen, es soll bei den Renten runtergehen, die Länder sollen sich an den Rand sparen – das mag gut klingen, nur es hilft diesen Ländern überhaupt nicht, wenn nicht gleichzeitig eine Wachstumsstrategie entworfen wird. Und davon ist weder in diesem jetzt umbenannten Pakt noch in anderen Beschlüssen des EU-Gipfels irgendetwas zu sehen. Es soll nur sich kaputt gespart werden, es gibt keine Wachstumsstrategie. Das ist keine gute Politik.
Raith: In den Agenturen ist heute zu lesen, dass der Weg frei sei für die größte Euroreform seit der Einführung der Gemeinschaftswährung. Ihren Worten entnehme ich, dass Sie das anders sehen.
Duin: Weil ganz elementare Teile fehlen. Wir haben immer noch keine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen, geschweige denn, dass wir Mindeststandards für die Besteuerung von Unternehmen haben. Wir haben keinen gemeinsamen Pakt für Investitionen in Bildung und in Forschung. Das sind aber alles Elemente, die neben dem, was jetzt verabredet worden ist, was den konkreten Rettungsschirm angeht, zwingend erforderlich sind, um diesen Ländern auch wieder eine Perspektive zu geben. Im Übrigen ist auch das Thema Entschuldung und Beteiligung der privaten Investoren längst nicht ausreichend gelöst. Also da sind noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu machen.
Raith: Aber es sind Grundlagen gelegt worden für kommende Reformen.
Duin: Ja, das ist ja wohl das Mindeste, was man von einem solchen Gipfel auch erwarten kann. Ich hoffe nur, dass in den nächsten Tagen, sofern angesichts der anderen weltpolitischen Riesenthemen, die uns jetzt gerade begleiten, auch hier bei Ihnen heute den ganzen Morgen, dass man sich darum kümmert, dass dieses weiterhin erweitert wird. Denn das, was wir bisher haben, reicht einfach nicht aus, dann wird es in einem halben Jahr eine noch viel schwierigere Aufgabe, der man sich dann stellen muss.
Raith: Portugal hat ja jetzt angekündigt, den Gürtel enger zu schnallen, Reformen anzuleiern, Griechenland profitiert von einem Zinsnachlass – glauben Sie nicht, dass das die Märkte schon einmal beruhigen wird?
Duin: Es ist ja wieder erneut limitiert worden, der Rettungsschirm. Ich glaube, dass man dort zu einer anderen Lösung kommen werden muss. Was ich gut finde, ist, dass die Griechen einen niedrigeren Zinssatz bekommen, der ist immer noch sehr hoch, das wird aber insgesamt das Problem nicht lösen. Ich sag’s noch mal: Man kann sehr viel durch Sparen erreichen, man kann aber nicht alleine darauf setzen. Wenn man nur die Löhne runterfährt und spart, dann wird man möglicherweise eine Deflation in diesen Ländern organisieren, aber kein Wachstum, was sie aus dieser Krise herausbringt, und damit ja auch den Ländern, denen es besser geht, wie zum Beispiel Deutschland, am Ende keinen Gefallen getan haben.
Raith: Weil wir dann am Ende die Schulden der anderen zahlen müssen?
Duin: Deswegen ist es so wichtig, dass wir endlich eine Beteiligung der privaten Gläubiger haben. Das hat Frau Merkel irgendwann mal ins Spiel gebracht, aber bis heute hat sie dem keine Taten folgen lassen.
Raith: Ihr Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat betont, dass geklärt werden muss, wie weit die gemeinsame Haftung gehen kann und wo ihre Grenzen sind. Wo sind denn Ihrer Meinung nach die Grenzen?
Duin: Das lässt sich natürlich nicht in einer exakten Zahl ausdrücken, aber ich finde es richtig, dass man jetzt darangeht, ein solches Gesamtkonzept zu entwerfen. Nur die Aufstockung des Fonds alleine wird da nicht ausreichen. Auch das Thema Eurobonds wird weiter in der Diskussion bleiben müssen. Die Bundesregierung ist sich da ja sehr uneinig, selbst liberale Europaabgeordnete sagen, wie auch Herr Juncker, man wird dieses Instrument doch nicht ausschließen können. Da ist die Kanzlerin jetzt noch auf der anderen Seite, aber wir kennen das ja, wir haben es ja jetzt auch wieder erlebt, am Ende wird sie sich doch wieder bewegen. Und ich hoffe, dass diese Zeit, die wir dafür brauchen, dass die von der Kanzlerin nicht wieder verspielt wird, so wie sie das bei der Griechenland-Krise vor einem Jahr auch schon gemacht hat – viel zu lange gezögert anstatt schon relativ schnell die Dinge zu tun, die notwendig sind, um die Märkte zu beruhigen.
Raith: Die Regierung bräuchte ja nach jetzigem Stand die Zustimmung des Bundestags für eine Ausweitung des Rettungsschirms. Wie wird sich die SPD positionieren? Am Ende doch mitstimmen?
Duin: Ich will das nicht ausschließen, weil Dinge ja notwendig sind, um die Märkte zu beruhigen, aber die Bedingungen, die ich heute Morgen jetzt zweimal schon genannt habe, nämlich dafür zu sorgen, dass auch eine Wachstumsstrategie möglich ist, inklusive der Bemessungsgrundlage und Mindeststandards bei den Steuern, die sind bisher für mich nicht erkennbar. Deswegen ist die Frage noch offen, wir werden das jetzt beraten.
Raith: Das heißt am Ende vielleicht doch ein zähneknirschendes Zustimmen?
Duin: Wie gesagt, das ist heute Nacht dort beraten worden, und wir erden das jetzt in der kommenden Woche uns genau angucken, auf Herz und Nieren prüfen, und dann eine Entscheidung treffen.
Raith: Sagt Garrelt Duin, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!
Duin: Vielen Dank!
Raith: Wiederhören!