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"Das Sausen der Welt" bleibt unverbindlich

Der Musiker und Autor PeterLicht tritt immer häufiger auch im Theater in Erscheinung. Im Schauspiel Köln fand jetzt die Uraufführung seines Wortkonzerts "Das Sausen der Welt" statt.

Von Dorothea Marcus | 15.02.2013
    "Gegrüßet das Sausen der Welt… Gegrüßet die Geräusche. Gegrüßet die Tiefe. Gegrüßet die Höhe. Und gegrüßet jeweils die Bereiche darüber hinaus…gegrüßet das unfassbare Brummen der unteren Schichten… die schwingenden Membrane in mir. In mir, in euch, in allen…"

    Könnte man besser ausdrücken, was einen zuweilen unbewusst durchfahren kann, sich aber kaum in Worte fassen lässt? PeterLicht ist ein Meister darin, Unaussprechliches zu benennen, sich poetisch in kleinteilige Details zu verhaken. Wer könnte so ironisch und ernst zugleich dem Winkel, den ein Blatt zum Ast einnimmt, nachspüren? Seine Musik dagegen sind treibende, kühle Edel-Pop-Songs mit Anklängen an Neue Musik. Und zuweilen findet in der Kombination von beidem eine subversive Erhellung von gesellschaftlichen Missständen statt. Und wenn sie über Kapitalismus und Finanzkrise kreisen, erinnern PeterLichts schwebende Textflächen sogar manchmal ein wenig an Elfriede Jelinek.

    Im Schauspiel Köln hat das Regie-Duo See! aus Alexandra Dederichs und S.E. Struck sich dieses "Welt-Tinnitus" – ein Zitat von PeterLicht – angenommen. Es ist zunächst, als würde man in den Kopf des Musikers geworfen, der als ein großes Ohrwesen durch eine Welt der akustischen Reizüberflutung wandert und das sinnentleerte Rauschen des Alltags in Rhythmus und Musik verwandelt.

    "Hä? Was meint der Typ? Wenn man hinschmeckt, entsteht ein Geschmack, wenn nicht, nicht… Wenn man auf der Stelle bohrt, entsteht eine Bohrung. Tässchen Espresso? Wo sind denn hier eigentlich..? Cappucino! Wenn man auf der Stelle bohrt, entsteht eine Bohrung! Was seht ihr mich so an? Espressochen?"

    Eine Antwort wird nicht erwartet, ein Dialog findet nicht statt. Vor einem riesigen silbernen Vorhang rauscht in rasender Geschwindigkeit eine sinnentleerte Geräuschfläche vorbei, ein wunderbar anzuhörendes Lautgedicht. Instrumentiert wird sie von drei Musikern an einem Tisch, ein achtköpfiger Schauspielerchor und vier Sänger in schwarz-weiß gemusterten Kleidern übernehmen die Hintergrund-Orchestrierung, vier Sänger setzen Stimm-Glanzlichter. Sie strömen auseinander und zusammen, finden sich in kleinen Gruppen-Choreografien, fallen, springen, wedeln mit den Armen, sprechen in Mikros. Schauspieler Andreas Grötzinger verwandelt sich selbst in eine Art Jodelmaschine, ein Klangkörper, durch den die Trommeltöne fahren.

    "Sie. Die Krisenverkäufer. Sie kommen mit schwarzen hässlichen Kisten… oje… wir verstehen zunächst kein Wort. Hä? Oje. Die Kisten… ja… die Kisten, was ist mit den Kisten… ojeeeeeee…es sind Krisenkisten… böse Geister sind darin… Gefahr droht. Aber die Geister sind drinnen, wir sind draußen, keine Gefahr?
    Wir Krisenwesen finden in unserem Krisenkörper ein Krisenherz. Ein Krisenstern. Wie ein Rattenkönig. Wenn zu viel Ratten zusammenkommen und ihre Schwänze sich verknoten. Kopfkrise! Augenkrise! Ohrenkrise! Die Krise von Geld! Krise, Krise, Krise… Wir kaufen Krise. Wir sind Krisenwesen."

    Krisen sind menschliche Konstanten oder sogar Notwendigkeiten, könnte man interpretieren. Das mag eine andere Perspektive werfen und helfen, Distanz zu wahren. Aber letztlich ist das doch auch nur inhaltsloses Geplapper. In seinen besten Momenten lässt dieser Abend daher konkrete Krisen eher links liegen und entwickelt sich zu einer Art Traum-Mediation. Er benennt Ungreifbares, lässt Aufmerksamkeit für Kleines, Unhörbares, Unbewusstes entstehen, Welträtsel, Sehnsucht und Unaussprechlichkeit anklingen. Bei Bereitschaft kann sich der Zuschauer also durchaus in einen anderen, irrationaleren Zustand versetzen lassen.

    "Das Eigentliche ist mir entglitten. Ich war mir nicht sicher, ob es nutzlos war, meine Suche. Und ich trug mein Haupt über die Straße dieses Tages. Ich lief durch das Blinken des Tages…"

    In den schlechteren Momenten bleibt jedoch der Eindruck zurück, dass dem Regieteam nicht allzu viel eingefallen ist, um aus dem Lautgedicht von PeterLicht Inhalt und Zusammenhalt zu kreieren: Leute gruppieren, Texte verteilen, die Musiker machen lassen. Als Konzert funktioniert das. Doch als Theaterstück gesehen, ist "Das Sausen der Welt" nach einer guten Stunde ärgerlich ornamental, ungreifbar und unverbindlich geblieben.

    Und so ist dies letztlich doch ein ornamentaler, unverbindlicher Abend. Ungreife nicht greifbar, rutscht durch den Kopf. Es hört sich gut an, gleitet aber glatt hindurch.

    "Wie kriegen wir die Leute mobilisiert?"

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