Silvia Engels: Die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Land Berlin keinen Anspruch auf zusätzliche Milliarden-Hilfen vom Bund hat, schlägt weiterhin Wellen. Zum einen überlegt man im roten Rathaus, welche Auswirkungen der Spruch auf das künftige Budget der Bundeshauptstadt hat. Zum anderen hat das Karlsruher Urteil auch die Debatte wieder neu entflammt, wie die generellen Finanzbeziehungen von Bund und Ländern organisiert werden sollen. Im niedersächsischen Bad Pyrmont sind unterdessen die Beratungen der Ministerpräsidenten der Länder zu Ende gegangen. Auch hier wurden neben anderen Themen die Folgen aus dem Urteil von Karlsruhe rund um die Bundesfinanzhilfen diskutiert. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte zum Abschluss der Konferenz:
Wulff: "Nach Überzeugung vieler hat sich die Lage in Deutschland dadurch grundlegend verändert. Manche Illusion fremder Hilfe, fremder Problemlösung ist geplatzt. Einzelne Länder sind zu stärkeren Sparbemühungen auf der Ausgabenseite angehalten. Viele Länder fühlen sich nachhaltig in ihren eigenen Anstrengungen ermutigt. Ich sehe klare Signale durch die gestrige, mich jedenfalls ermutigende Entscheidung, dass man raus muss aus dem Marsch in den Schuldenstaat, dass man raus muss aus einer ständigen Neuverschuldung hin zu dem Prinzip, mit dem Geld auszukommen was aktuell zur Verfügung steht. Ich finde auch die Entscheidung ist eine Bestätigung des Föderalismus, dass wir mehr Eigenverantwortung brauchen und zu der Verantwortlichkeit eigenstaatlich auch stehen müssen. Da werden jetzt verschiedene Modelle diskutiert werden. Sie wissen: die Ministerpräsidenten haben heute Vormittag eine Themenliste besprochen, die jetzt abgearbeitet werden soll, zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Hinweise aus Berlin, die wir in diesen Stunden bekommen haben, dass an bundesgesetzliche Regelungen gedacht ist, das halten wir 16 Bundesländer für schlicht verfassungswidrig und das berücksichtigt die Eigenstaatlichkeit der Bundesländer selbstverständlich nicht. Das mag an Unkenntnis liegen dort in Berlin, aber die Kenntnis lässt sich leicht herstellen. Natürlich geht so etwas nur im Konsens, in gemeinsamer Absprache, im Zweifel durch gemeinsame staatsvertragliche Regelungen und Übereinkünfte. "
Engels: Ministerpräsident Christian Wulff. – Etwas anders bewertet der regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit (SPD) das Urteil. Er zog dieses Fazit:
Wowereit: "Nach den Urteilsgründen, die vorliegen, kann ich mir kaum vorstellen, dass demnächst irgendein Land erfolgreich in Karlsruhe die Hilfe beantragen kann. Das was Herr Wulff gesagt hat, die Anstrengungen der Länder, auch vieler Kommunen, tatsächlich nicht in die Schuldenfalle hineinzugehen, ist glaube ich mittlerweile ja doch weitgehend auch Konsens. Nur Länder, die aus welchen Gründen jetzt auch immer einen hohen Schuldenberg jetzt schon haben, sind schwierig in der Lage, ihn abzubauen. Und das ist das Problem: erst mal nicht neue Schulden aufzunehmen, sondern dann auch in der Lage zu sein, Schulden abzutragen. Das ist die Herausforderung, so dass es erst mal darum geht, in der Föderalismusreform II festzustellen, ob die Finanzströme, wie sie zurzeit laufen, richtig sind. Viele sind skeptisch, ob überhaupt ein Ergebnis dabei heraus kommen kann. Auch das haben wir erörtert. Da gibt es auch im Kreise der Ministerpräsidenten Stimmen und ich gehöre auch zu denjenigen, die durchaus aufgrund der Erfahrung der Debatten über die Föderalismusreform eines sagen: lohnt sich dann dieser Aufwand. Ich glaube nach Karlsruhe ist diese Skepsis bei vielen auch gewichen - das hat auch unser bayerischer Kollege ausdrücklich erklärt -, weil die einhellige Auffassung war, dass mit dem Urteil aus Karlsruhe ein erhöhter Druck entsteht, um Lösungen zu finden. "
Engels: Klaus Wowereit, regierender Bürgermeister von Berlin. – Und am Telefon mitgehört hat nun der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning. Während der Verhandlungen über die Föderalismusreform, die ja jahrelang liefen, saß er als Obmann seiner Partei in der zuständigen Kommission. Guten Tag Herr Kröning!
Volker Kröning: Guten Tag Frau Engels!
Engels: Herr Wulff – wir haben es gerade gehört – spricht nun von grundlegenden Veränderungen, die jetzt angezeigt werden angesichts des Urteils. Haben Sie denn Hoffnung, dass sich in diesem Punkt der Finanzbeziehungen, die bei Ihnen ja in den Verhandlungen noch ausgeklammert waren, jetzt etwas bewegt?
Kröning: Das Urteil setzt die Politik wieder in volle Rechte und volle Pflichten. Es ist juristisch und politisch eindeutig und es trifft sich mit dem Koalitionsvertrag, der nicht die Anwendung der Verfassung, sondern die Finanzverfassung zum Gegenstand der Stufe II der Bundesstaatsreform gemacht hat. Die Bundeskanzlerin hat das mit den Ministerpräsidenten bereits im Dezember 2005 konkretisiert, dann noch einmal im Juni 2006. In der Zwischenzeit hatten wir von Seiten der Bundesregierung und besonders des Deutschen Bundestages den Eindruck, dass die Länder zögern. Die Interviews zeigen, dass die Länder sich noch ordnen müssen, aber wir stehen bereit, um in eine Stufe II einzutreten.
Engels: Aber schauen wir doch mal zurück. Sie haben ja damals mitverhandelt und damals, als man mit der Föderalismuskommission begann, da war man ja auch optimistisch, auch bei den Finanzbeziehungen das etwas zu entzerren, dass die Zuständigkeiten klarer werden. Woran hat es denn damals gehakt?
Kröning: Nein, das ist umgekehrt, Frau Engels, wenn Sie erlauben. Man hat damals kritisiert, dass der Kern der Finanzverfassung, nämlich die Steuerverteilung und der Finanzausgleich, ausgeklammert worden sind. Das hat man für richtig gehalten, weil man sonst gar nicht zueinander gefunden hätte, um für die Überprüfung der Kompetenzordnung und der Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens Zwei-Drittel-Mehrheiten zu bekommen. Im Laufe der Kommissionsarbeit sind ganz erstaunliche Ergebnisse im Bereich der Finanzbeziehungen zu Stande gekommen. Sie sind auch im Juni/Juli vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen worden. Aber es ist eine kleine Finanzreform geblieben. Es ist eine teilweise Entmischung und auch Strukturreform bei den Gemeinschaftsaufgaben und bei den Finanzhilfen erfolgt. Es ist eine EU-Konformität des innerstaatlichen Rechts erreicht worden. Aber wie gesagt Steuerverteilung und Finanzausgleich sind nicht Gegenstand der Beratungen gewesen. Die Länder haben sich dem Thema geöffnet und der Bund geht jetzt darauf ein. Es wird nun Zeit, dass man sich über einen Auftrag verständigt - Herr Wulff hat wieder nur auf eine so genannte offene Themenliste Bezug genommen, die wir seit einem halben Jahr kennen – und dass man sich auch auf eine effiziente Organisationsform verständigt, denn die Erfahrungen mit der zurückliegenden Kommissionsarbeit haben auch gezeigt, dass wir die Bundesregierung einbeziehen müssen, dass wir uns strikt an den Beratungsorganisationen orientieren müssen, die wir haben, wie zum Beispiel den Sachverständigenrat, aber wir sollten auch überlegen, ob wir mit einer Kommission von 50 bis 100 Leuten arbeiten.
Engels: Das mag das eine Problem sein, aber Sie kennen dann ja auch die Inhalte. Was wäre denn dann sinnvoll als Neuordnung und was ist durchsetzbar?
Kröning: Die Frage muss kommen nach dem gestrigen Urteil. Das Urteil hat ganz deutlich gemacht, dass nicht nur die Regelungen zur Verteilung von Sanktionen, vor denen uns hoffentlich die gemeinsame Finanzpolitik bewahrt, nötig ist - die haben wir bereits beschlossen -, sondern auch Regelungen zur Vorbeugung gegen Haushaltsnotlagen, eine Regelung zur Früherkennung kritischer Entwicklungen. Selbstverständlich gehört auch die Debatte über eine Verschuldensgrenze, eine Begrenzung der Neuverschuldung, die Voraussetzung dafür ist, dass Altschulden zurückgeführt werden können, dazu.
Engels: Und das kann alles in dieser Legislaturperiode noch gelöst werden?
Kröning: Das sieht der Koalitionsvertrag vor, der zwar eine parlamentarische Vereinbarung auf Bundesebene ist, aber bekanntlich ja mit Spitzenvertretern von Union und SPD aus den Ländern geschlossen worden ist. Ich denke an den bayerischen Ministerpräsidenten oder an den brandenburgischen Ministerpräsidenten, der damals SPD-Vorsitzender war, und den heutigen SPD-Vorsitzenden, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten. Ja, ich finde wir sollten die Arbeit, die weitgehend vorbereitet ist, auf das Jahr 2007 konzentrieren.
Wulff: "Nach Überzeugung vieler hat sich die Lage in Deutschland dadurch grundlegend verändert. Manche Illusion fremder Hilfe, fremder Problemlösung ist geplatzt. Einzelne Länder sind zu stärkeren Sparbemühungen auf der Ausgabenseite angehalten. Viele Länder fühlen sich nachhaltig in ihren eigenen Anstrengungen ermutigt. Ich sehe klare Signale durch die gestrige, mich jedenfalls ermutigende Entscheidung, dass man raus muss aus dem Marsch in den Schuldenstaat, dass man raus muss aus einer ständigen Neuverschuldung hin zu dem Prinzip, mit dem Geld auszukommen was aktuell zur Verfügung steht. Ich finde auch die Entscheidung ist eine Bestätigung des Föderalismus, dass wir mehr Eigenverantwortung brauchen und zu der Verantwortlichkeit eigenstaatlich auch stehen müssen. Da werden jetzt verschiedene Modelle diskutiert werden. Sie wissen: die Ministerpräsidenten haben heute Vormittag eine Themenliste besprochen, die jetzt abgearbeitet werden soll, zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Hinweise aus Berlin, die wir in diesen Stunden bekommen haben, dass an bundesgesetzliche Regelungen gedacht ist, das halten wir 16 Bundesländer für schlicht verfassungswidrig und das berücksichtigt die Eigenstaatlichkeit der Bundesländer selbstverständlich nicht. Das mag an Unkenntnis liegen dort in Berlin, aber die Kenntnis lässt sich leicht herstellen. Natürlich geht so etwas nur im Konsens, in gemeinsamer Absprache, im Zweifel durch gemeinsame staatsvertragliche Regelungen und Übereinkünfte. "
Engels: Ministerpräsident Christian Wulff. – Etwas anders bewertet der regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit (SPD) das Urteil. Er zog dieses Fazit:
Wowereit: "Nach den Urteilsgründen, die vorliegen, kann ich mir kaum vorstellen, dass demnächst irgendein Land erfolgreich in Karlsruhe die Hilfe beantragen kann. Das was Herr Wulff gesagt hat, die Anstrengungen der Länder, auch vieler Kommunen, tatsächlich nicht in die Schuldenfalle hineinzugehen, ist glaube ich mittlerweile ja doch weitgehend auch Konsens. Nur Länder, die aus welchen Gründen jetzt auch immer einen hohen Schuldenberg jetzt schon haben, sind schwierig in der Lage, ihn abzubauen. Und das ist das Problem: erst mal nicht neue Schulden aufzunehmen, sondern dann auch in der Lage zu sein, Schulden abzutragen. Das ist die Herausforderung, so dass es erst mal darum geht, in der Föderalismusreform II festzustellen, ob die Finanzströme, wie sie zurzeit laufen, richtig sind. Viele sind skeptisch, ob überhaupt ein Ergebnis dabei heraus kommen kann. Auch das haben wir erörtert. Da gibt es auch im Kreise der Ministerpräsidenten Stimmen und ich gehöre auch zu denjenigen, die durchaus aufgrund der Erfahrung der Debatten über die Föderalismusreform eines sagen: lohnt sich dann dieser Aufwand. Ich glaube nach Karlsruhe ist diese Skepsis bei vielen auch gewichen - das hat auch unser bayerischer Kollege ausdrücklich erklärt -, weil die einhellige Auffassung war, dass mit dem Urteil aus Karlsruhe ein erhöhter Druck entsteht, um Lösungen zu finden. "
Engels: Klaus Wowereit, regierender Bürgermeister von Berlin. – Und am Telefon mitgehört hat nun der SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning. Während der Verhandlungen über die Föderalismusreform, die ja jahrelang liefen, saß er als Obmann seiner Partei in der zuständigen Kommission. Guten Tag Herr Kröning!
Volker Kröning: Guten Tag Frau Engels!
Engels: Herr Wulff – wir haben es gerade gehört – spricht nun von grundlegenden Veränderungen, die jetzt angezeigt werden angesichts des Urteils. Haben Sie denn Hoffnung, dass sich in diesem Punkt der Finanzbeziehungen, die bei Ihnen ja in den Verhandlungen noch ausgeklammert waren, jetzt etwas bewegt?
Kröning: Das Urteil setzt die Politik wieder in volle Rechte und volle Pflichten. Es ist juristisch und politisch eindeutig und es trifft sich mit dem Koalitionsvertrag, der nicht die Anwendung der Verfassung, sondern die Finanzverfassung zum Gegenstand der Stufe II der Bundesstaatsreform gemacht hat. Die Bundeskanzlerin hat das mit den Ministerpräsidenten bereits im Dezember 2005 konkretisiert, dann noch einmal im Juni 2006. In der Zwischenzeit hatten wir von Seiten der Bundesregierung und besonders des Deutschen Bundestages den Eindruck, dass die Länder zögern. Die Interviews zeigen, dass die Länder sich noch ordnen müssen, aber wir stehen bereit, um in eine Stufe II einzutreten.
Engels: Aber schauen wir doch mal zurück. Sie haben ja damals mitverhandelt und damals, als man mit der Föderalismuskommission begann, da war man ja auch optimistisch, auch bei den Finanzbeziehungen das etwas zu entzerren, dass die Zuständigkeiten klarer werden. Woran hat es denn damals gehakt?
Kröning: Nein, das ist umgekehrt, Frau Engels, wenn Sie erlauben. Man hat damals kritisiert, dass der Kern der Finanzverfassung, nämlich die Steuerverteilung und der Finanzausgleich, ausgeklammert worden sind. Das hat man für richtig gehalten, weil man sonst gar nicht zueinander gefunden hätte, um für die Überprüfung der Kompetenzordnung und der Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens Zwei-Drittel-Mehrheiten zu bekommen. Im Laufe der Kommissionsarbeit sind ganz erstaunliche Ergebnisse im Bereich der Finanzbeziehungen zu Stande gekommen. Sie sind auch im Juni/Juli vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen worden. Aber es ist eine kleine Finanzreform geblieben. Es ist eine teilweise Entmischung und auch Strukturreform bei den Gemeinschaftsaufgaben und bei den Finanzhilfen erfolgt. Es ist eine EU-Konformität des innerstaatlichen Rechts erreicht worden. Aber wie gesagt Steuerverteilung und Finanzausgleich sind nicht Gegenstand der Beratungen gewesen. Die Länder haben sich dem Thema geöffnet und der Bund geht jetzt darauf ein. Es wird nun Zeit, dass man sich über einen Auftrag verständigt - Herr Wulff hat wieder nur auf eine so genannte offene Themenliste Bezug genommen, die wir seit einem halben Jahr kennen – und dass man sich auch auf eine effiziente Organisationsform verständigt, denn die Erfahrungen mit der zurückliegenden Kommissionsarbeit haben auch gezeigt, dass wir die Bundesregierung einbeziehen müssen, dass wir uns strikt an den Beratungsorganisationen orientieren müssen, die wir haben, wie zum Beispiel den Sachverständigenrat, aber wir sollten auch überlegen, ob wir mit einer Kommission von 50 bis 100 Leuten arbeiten.
Engels: Das mag das eine Problem sein, aber Sie kennen dann ja auch die Inhalte. Was wäre denn dann sinnvoll als Neuordnung und was ist durchsetzbar?
Kröning: Die Frage muss kommen nach dem gestrigen Urteil. Das Urteil hat ganz deutlich gemacht, dass nicht nur die Regelungen zur Verteilung von Sanktionen, vor denen uns hoffentlich die gemeinsame Finanzpolitik bewahrt, nötig ist - die haben wir bereits beschlossen -, sondern auch Regelungen zur Vorbeugung gegen Haushaltsnotlagen, eine Regelung zur Früherkennung kritischer Entwicklungen. Selbstverständlich gehört auch die Debatte über eine Verschuldensgrenze, eine Begrenzung der Neuverschuldung, die Voraussetzung dafür ist, dass Altschulden zurückgeführt werden können, dazu.
Engels: Und das kann alles in dieser Legislaturperiode noch gelöst werden?
Kröning: Das sieht der Koalitionsvertrag vor, der zwar eine parlamentarische Vereinbarung auf Bundesebene ist, aber bekanntlich ja mit Spitzenvertretern von Union und SPD aus den Ländern geschlossen worden ist. Ich denke an den bayerischen Ministerpräsidenten oder an den brandenburgischen Ministerpräsidenten, der damals SPD-Vorsitzender war, und den heutigen SPD-Vorsitzenden, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten. Ja, ich finde wir sollten die Arbeit, die weitgehend vorbereitet ist, auf das Jahr 2007 konzentrieren.