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Das Weltkriegsmuseum von Caen
Erinnern und Erklären

Für viele Normandie-Besucher gehört das Weltkriegsmuseum von Caen zum Pflichtprogramm. 400.000 Besucher kommen im Schnitt jedes Jahr, um die Geschichte des Zweiten Weltkriegs besser zu verstehen. Mit zukunftsweisenden Themen versucht das "Mémorial de Caen", gerade auch junge Menschen anzusprechen.

Von Mathias Zahn | 06.06.2019
Das Weltkriegsmuseum "Mémorial de Caen"
Das "Mémorial de Caen" - ein Museum nicht nur über den Zweiten Weltkrieg. (Deutschlandradio / Mathias Zahn)
Bombenangriffe, Tod, Zerstörung: Das Museum zeigt eindrücklich den Horror des Krieges. Es wird aber auch erklärt, wie es zu allem kommen konnte - zum Beispiel, wie die Nationalsozialisten an die Macht kamen.
Das Museum ist auf den Überresten eines ehemaligen deutschen Bunkers gebaut. Auch dieser Bunker kann besichtigt werden. Gezeigt wird in den Ausstellungsräumen aber auch der Alltag im Krieg, das Paris der 40er Jahre.
Zuerst an die Strände, dann ins Museum
Gezeigt werden Menschen, die auch damals ins Kino gegangen sind oder sich für Mode interessiert haben. Die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 ist ganz bewusst nur ein Teil der Ausstellung. Isabelle Bournier, Historikerin und Projektleiterin beim "Mémorial de Caen":
"Wir haben sehr viele Besucher, die aber zunächst mal an die Strände fahren. Der 6. Juni, der D-Day: Da stehen die Strände im Mittelpunkt. Aber danach oder davor kommen sie, um zu verstehen, in welchem Kontext die Landung der Alliierten ablief. Und wir vom Mémorial ordnen die Ereignisse in einen noch größeren geschichtlichen Zusammenhang ein."
Schlacht um die Normandie viel länger als geplant
Wichtig ist den Museumsmachern vor allem die Zeit nach der Landung der Alliierten. Die verlustreiche Schlacht um die Normandie, die sehr viel länger dauerte, als von den Alliierten geplant. Bis September 1944 starben bei den Kämpfen und Bombardements 37.000 alliierte Soldaten, 55.000 deutsche Soldaten - und es gab 20.000 zivile Opfer. Über die Jahrzehnte haben sich zwar die Fakten nicht geändert, wohl aber der Blick auf die gesamte Geschichte:
"Das Konzept des Museums hat sich immer weiter entwickelt. Am Anfang, vor 30 Jahren, da stand die französische Sicht auf den Krieg im Vordergrund. Heute ist die Ausstellung ausgeglichener und zeigt auch die Sichtweisen der anderen am Krieg beteiligten Länder."
"Wir sind nie sicher vor einem Krieg"
Gezeigt wird zum Beispiel, dass es wirklich ein Weltkrieg war, mit Kämpfen auch im Pazifik. Und das Museum entwickelt sich weiter. Stellt sich auf die junge Generation ein, auf junge Menschen, die den Krieg nicht mehr von den Erzählungen der Großeltern kennen - sondern nur noch aus dem Schulunterricht. Isabelle Bournier setzt deshalb nicht nur auf den Blick zurück, sondern will ganz bewusst auch neue Themen setzen, die in die Zukunft weisen. Dazu gibt es neu ein 360-Grad-Kino, in dem die Geschichte Europas nach dem Krieg gezeigt wird. Ein Europa, in dem es nach 1945 weitgehend friedlich blieb. Isabelle Bourniers Botschaft an die Besucher:
"Frieden ist vielleicht ein zu komplexes Wort, zu vage. Aber die Demokratie, die Freiheit: Jeder Besucher des Mémorials kann mit dieser Idee nach Hause fahren. Wir sind nie sicher vor einer Diktatur, wir sind nie sicher vor einem Krieg. Das sieht man auch heute noch gut in Europa. Das ist unsere Botschaft für alle, für die Erwachsenen, für die jungen Besucher, für alle Besucher."
Vor dem Museum sitzen an diesem Tag im Frühjahr Pauline und Antoine, zwei 16-Jährige, die mit ihrer Schulklasse gerade das "Mémorial de Caen" besucht haben. Beide sind sichtlich mitgenommen von dem was sie gesehen haben:
"Es ist sehr erschreckend und sehr real, was da gezeigt wird. Wir sind sehr jung, wir haben überhaupt keine Vorstellung von damals. Das nimmt einen wirklich mit, und man muss alles dafür tun, dass diese Fehler von damals sich nicht wiederholen."