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Dax-Konzerne und Geflüchtete
Kein neues deutsches Wirtschaftswunder in Sicht

Die deutsche Wirtschaft sucht Fachkräfte: Als 2015 fast eine Million Geflüchtete nach Deutschland kamen, wurden damit auch Hoffnungen der großen Konzerne geweckt. Welche Rolle aber spielen die 30 Dax-Konzerne bei der Integration in den Arbeitsmarkt? Der Dlf hat eine Umfrage gestartet - das Ergebnis ist ernüchternd.

Von Sina Fröhndrich | 19.12.2017
    Titelbild des Dossiers "Flucht. Arbeit?". Die Hände eines Flüchtlings in Ausbildung mit Bleistift und Holzstücken
    Besonders engagiert sind die größten deutschen Konzerne im Bereich der Praktika (dpa/Rainer Jensen)
    54 Geflüchtete arbeiteten 2016 bei einem der Dax-Konzerne – das hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" damals erfragt. Und heute? Es hat sich zwar etwas getan, der große Wurf aber ist ausgeblieben. Gut 800 Geflüchtete wurden inzwischen von einem der 30 Daxkonzerne eingestellt. Das hat eine Umfrage des Deutschlandfunk ergeben. Die meisten von ihnen arbeiten bei der Deutschen Post – vor allem im Paketzentrum oder bei der Zustellung – und auch die Autobauer BMW und Daimler sind für einige Geflüchtete neue Arbeitgeber geworden. Aber: Die Mehrzahl der Börsenschwergewichte hat noch niemanden eingestellt – oder sie geben keine Auskunft, weil die Herkunft bei einer Neuanstellung nicht festgehalten wird.
    Vor allem engagiert bei Praktika
    Beim Thema Ausbildung sind die Unternehmen etwas weiter. Mit um die 700 Azubis zwar nicht in der Summe, aber doch sind hier immerhin fast alle Unternehmen aktiv, vor allem Siemens und Thyssenkrupp erneut die Post und Daimler, BMW aber auch die deutsche Telekom. Besonders engagiert sind die größten deutschen Konzerne in den Bereichen Praktika - und sie bieten andere integrative Maßnahmen an, wie Berufsvorbereitung und Sprachkurse. Hier sind fast 6000 Geflüchtete mit VW und Co. in Kontakt gekommen. Außerdem sammeln die großen Konzerne Spenden, stellen Paten oder sind aktiv in Hilfsprojekten in anderen Ländern.
    Unter dem Strich engagieren sich die Dax-Konzerne mehr als noch 2016 – gemessen an der weltweiten Mitarbeiterzahl ist der Anteil aber noch immer verschwindend gering. 0,02 Prozent – Praktikanten und Auszubildende eingerechnet sind es etwa 0,2 Prozent.
    Dabei hatte Daimlerchef Dieter Zetsche von einem weiteren möglichen deutschen Wirtschaftswunder gesprochen.
    "Mehr als 800.000 Menschen aufzunehmen ist ohne Zweifel eine Herkulesaufgabe, aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden."
    Bundestag und Ministerien keine Anlaufstelle für Geflüchtete
    Für ein weiteres Wirtschaftswunder braucht es aber anscheinend einen sehr langen Atem. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen hat nicht jeder Dax-Konzern seinen Fokus in Deutschland – Fresenius etwa oder Heidelbergcement beschäftigen ihre Mitarbeiter vor allem im Ausland. Zum anderen fehle es an Sprachkenntnissen. Eine Rolle spielt auch: Bei Finanzinstituten etwa seien Fachkenntnisse nötig und es brauche auch ein polizeiliches Führungszeugnis.
    Auch in Berlin hat der Deutschlandfunk nachgefragt - beim Bundestag arbeitet – Stand November - kein Geflüchteter. Ähnlich ist es in den Ministerien für Finanzen, Justiz, Familie und Verbraucherschutz. In den anderen sind es zusammen 240 – zumindest nennt das Bundesinnenministerium diese Zahl für 2016.