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Debatte über Flüchtlingspolitik
CDU-Präsidiumsmitglied Spahn wirft SPD Untätigkeit vor

Die CDU weist die Kritik der SPD an der neuerlichen Forderungen zur Flüchtlingspolitik zurück. Die Vorschläge aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg seien gut und Unionspolitik "in Reinform", sagte das Präsidiumsmitglied im DLF. Scheitern würden sie nur am Koalitionspartner.

Jens Spahn im Gespräch mit Japser Barenberg | 22.02.2016
    Jens Spahn, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (CDU), spricht im Bundestag.
    Jens Spahn, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (CDU). (Imagp / Christian Thiel)
    Spahn sagte im Deutschlandfunk, die Vorschläge der Spitzenkandidaten Klöckner und Wolf aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg enthielten viel Gutes. Die beiden Politiker verlangen tagesaktuelle Flüchtlingskontingente und Grenzzentren. Spahn betonte, man brauche solche Zentren, um schon an der Grenze Menschen abweisen zu können, die keinen Anspruch auf Asyl hätten.
    Kritisch äußerte sich Spahn über SPD und Grüne. An den beiden Parteien scheiterten zur Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen - zum Beispiel, dass Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklärt würden. Hintergrund ist, dass im Bundesrat für diesen Schritt die Zustimmung zweier Länder mit grüner Regierungsbeteiligung notwendig wäre.
    "Da ärgert es mich schon, dass ständig Sigmar Gabriel und andere sagen, wir wollen, dass die Zahlen sinken, wir wollen klarere Verfahren haben, aber jedes Mal, wenn es konkret wird, dann wird nur der Mund gespitzt, aber nicht gepfiffen."
    SPD-Chef Gabriel bewertete die Forderungen von Klöckner und Wolf kritisch. Er sagte "Spiegel Online", es sei weder klug noch anständig, der Kanzlerin mitten in den europäischen Verhandlungen in den Rücken zu fallen.

    Jasper Barenberg: Allenfalls in Trippelschritten kommt Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik voran. Nach dem spärlichen Ergebnis beim EU-Gipfel setzt die Kanzlerin jetzt auf die Türkei und auf einen Sondergipfel Anfang März. Doch vor allem die Wahlkämpfer in der CDU verlieren jetzt offenbar mehr und mehr die Geduld. Sie fordern einen Kurswechsel, und zwar sofort.
    Am Telefon ist Jens Spahn, Mitglied im Präsidium der CDU. Schönen guten Morgen.
    Jens Spahn: Schönen guten Morgen! Hallo!
    Barenberg: Unterstützen Sie die Forderungen von Julia Klöckner und Guido Wolf?
    Spahn: Wenn man genau hinschaut, sind das ja Forderungen, die man gut unterstützen kann und die wir als CDU/CSU ja auch schon gemeinsam erhoben haben. Das ist das Thema Transitzonen, also an der Grenze bereits die Verfahren durchzuführen, soweit es eben geht, insbesondere diejenigen, die offensichtlich keinen Asylgrund haben, auch an der Grenze schon abzuweisen in diesen Grenzzentren. Insofern sind da gute Vorschläge drin bis hin zur europäischen Ebene, nämlich der Ansage, wenn es nicht gelingt, in den nächsten zwei, drei Wochen alle 28 Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame Lösung zu bringen, dass man dann eine Koalition der Willigen braucht, die vorangeht.
    Barenberg: Julia Klöckner sagt allerdings, es müsse jetzt gehandelt werden. Sehen Sie unmittelbaren Handlungsbedarf, weil Sie gerade zwei Wochen sagten?
    Spahn: Es sind ja zwei Ebenen. Das eine ist die Frage, was wir national tun können, und dazu gehören etwa solche Grenzzentren, die wie gesagt gemeinsame Forderung von CDU und CSU schon seit Wochen sind. Die scheitern bisher an der SPD. Dazu gehört das Asylpaket II, dazu gehört das Thema sichere Herkunftsländer, Marokko, Tunesien, Algerien. All das scheitert im Moment an der SPD und an den Grünen.
    Die andere Ebene ist eben die europäische und da wollen wir natürlich die Bundeskanzlerin unterstützen, gerade jetzt in den nächsten zwei, drei entscheidenden Wochen, wichtige Schritte voranzukommen.
    "Die Österreicher tun schon viel"
    Barenberg: Bei den Beratungen heute im Bundesvorstand werden Sie Julia Klöckner unterstützen mit der Forderung, jetzt unmittelbar wie Österreich auch Tageskontingente für Flüchtlinge einzuführen?
    Spahn: Was die Frage der Tageskontingente angeht, müssen wir sicherlich mit den österreichischen Freunden mal sprechen. Sie haben ja einerseits die Kontingente von 80 pro Tag, was im Jahr auf gut 30.000 rauskommt. Das ist übrigens eine Zahl, die wir uns von anderen Ländern, bezogen auf die Einwohnerzahl, auch wünschen könnten. Da tun die Österreicher schon viel.
    Die andere Frage, die ich etwas schwierig finde bei den Österreichern, ist, dass sie jeden Tag noch gut 3000 direkt durchschicken sozusagen an die deutsche Grenze, und da müssen wir schon auf eine bessere Absprache dann auch pochen.
    Barenberg: Aber die Grenzen nach Deutschland von Österreich aus sollten jetzt weitestgehend zugemacht werden?
    Spahn: Nein. Wir haben ja im Moment eine Regelung, wo man eigentlich vereinbart hat, dass man etwa 50 pro Stunde pro Grenzübergang nimmt. Auch da haben wir die Zahlen schon auf ein Maß miteinander vereinbart, die überhaupt handelbar sind. Es geht ja erst mal darum, können wir überhaupt registrieren, können wir erfassen, können wir kontrollieren, wer über die Grenze kommt. Dafür müssen die Zahlen stimmen und dafür braucht es eine enge Abstimmung zwischen den deutschen und den österreichischen Grenzschützern, aber das findet ja auch statt.
    Barenberg: Sie haben gerade das Stichwort Transitzonen noch mal gebracht. Etwas Ähnliches schwebt ja auch Julia Klöckner vor. Mit der SPD vereinbart ist allerdings, dass es Zentren gibt, verteilt über das Bundesgebiet. Das ist ja auch nicht nur entschieden, sondern beschlossen. Was ist daraus geworden?
    Spahn: Was die Frage der Zentren übers Bundesgebiet angeht, die sind jetzt im sogenannten Asylpaket II, das wir gerne beschleunigen wollen, in den Beratungen im Deutschen Bundestag, vor allem ergänzt um das Thema sichere Herkunftsländer, Marokko, Tunesien und Algerien, um dort Asylverfahren schneller machen zu können, die Menschen schneller zurückschicken zu können mit der ehrlichen Ansage, wir verstehen jeden, der kommt, aber das ist kein Asylgrund, kein Fluchtgrund und jeder muss zurück in die Heimat, also macht euch erst gar nicht auf den Weg. Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen, gerade diese Zentren, wo die Verfahren schneller bearbeitet werden sollen, das Thema sichere Herkunftsländer, das Thema Abschiebung erleichtern auf nationaler Ebene, die im Moment nicht zuletzt wegen des Wahlkampfes an SPD und Grünen scheitern, und da ärgert es mich schon, dass ständig Sigmar Gabriel und andere sagen, wir wollen, dass die Zahlen sinken, wir wollen klarere Verfahren haben, aber jedes Mal, wenn es konkret wird, dann wird nur der Mund gespitzt, aber nicht gepfiffen.
    "Idealzustand wären schnelle Verfahren an der Grenze"
    Barenberg: Ich verstehe nur nicht, warum Sie das Thema Transitzonen jetzt wieder aufbringen, denn Sie haben ja gerade geschildert, was alles auf den Weg gebracht ist. Dann müsste das doch erst mal umgesetzt werden.
    Spahn: Da bin ich ja voll bei Ihnen. Aber was wir Eingangs als These hatten ist, dass die Forderung von Guido Wolf und Julia Klöckner gegen andere Forderungen in der CDU stünde, und das ist nicht der Fall. Sie fordern das, was sozusagen CDU/CSU-Reinform wäre. Ich finde das auch normal in Wahlkämpfen, mal darauf hinzuweisen, was wir machen würden, wenn wir die Dinge alleine entscheiden könnten, und das wären Transitzonen an der Grenze, wo man insbesondere bei denen, die offenkundig keinen Asylgrund haben, die Verfahren schnell machen könnte. Das wäre natürlich der Idealzustand, das an der Grenze machen zu können. Das scheitert im Moment an der SPD.
    Barenberg: Aus der CDU ist ja im Moment beides zu hören: Wir sind kurz vor dem Ziel, sagt Kanzleramtsminister Peter Altmaier, während Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff - wir haben das angesprochen - dagegen sagt, eine Einigung auf eine gemeinsame europäische Politik ist außer Sichtweite. Was stimmt denn nun?
    Spahn: Wir sind da ja gerade auf europäischer Ebene in einer ganz spannenden Phase. Es ist in den letzten Tagen und Wochen viel gelungen. Da ist die Geberkonferenz in London, um insbesondere bei dem Thema Fluchtursachen, wie können wir die Situation in der Krisenregion selbst verbessern, bessere Nahrungsmittelversorgung, Ausbildungsperspektiven, Schulperspektiven. Da ist das Thema der NATO-Mission, ein ganz, ganz wichtiger Schritt, wo es ja darum geht, in der Ägäis zwischen Türkei und Griechenland tatsächlich auch bessere Informationen, bessere Kontrolle über die Situation zu bekommen. Und da ist das Thema EU-Türkei-Verhandlungen, die jetzt geschoben werden mussten wegen des Anschlages in Ankara. Da kann keiner was für von europäischer Seite. Aber es ist ein gutes Zeichen, dass jetzt alle 28 gesagt haben, alle 28 Mitgliedsstaaten, wir wollen uns am 6. März mit der Türkei noch mal treffen und dieses Thema stärker nach vorne bringen. Insofern: Wenn man jetzt mal eine Zwischenbilanz macht, finde ich, ist in den letzten Tagen und Wochen viel nach vorne gekommen, um Fluchtursachen zu bekämpfen, um europäische Einigkeit hinzukriegen. Jetzt ist die spannende Frage, gelingt es, das in den nächsten zwei, drei Wochen auch so zuzubinden, dass tatsächlich die Zahlen zurückgehen, denn das ist natürlich das entscheidende. Gipfelpapiere sind das eine, die Zahlen das andere.
    "Illegale Migration zwischen Griechenland und der Türkei beenden"
    Barenberg: Und dazu gehört, dass die Türkei für Europa die Aufgabe übernehmen soll, den Kontinent abzuschotten und abzuriegeln vor Flüchtlingen?
    Spahn: Dazu gehört, das ist die Vereinbarung, dass wir der Türkei auch finanziell helfen, mit mindestens jetzt erst mal drei Milliarden Euro, um mit über zweieinhalb Millionen Flüchtlingen im eigenen Land umzugehen, dass die Türkei im Gegenzug diesen Flüchtlingen auch Arbeitsgelegenheiten im Land bietet, eine Bildungsperspektive, eine Perspektive generell. Dazu gehört, dass wir die illegale Migration - das ist ja ein haltloser Zustand - zwischen Griechenland und Türkei, zwischen zwei NATO-Staaten beenden in der Ägäis und gleichzeitig der Türkei sagen, dass wir einen Teil (und da muss man eben verhandeln, wie viele) der Flüchtlinge dann auch in Kontingenten - und da wählt man übrigens auch Frauen und Kinder zuerst aus, wer denn dann kommt -, in Kontingenten dann auch in Europa aufnehmen und verteilen.
    "Nicht jeder wird bleiben können - das schaffen wir nicht"
    Barenberg: Julia Klöckner hat ja in diesem Papier auch von einer Politik mit Härte und Herz gesprochen und von notwendigem Leid, was damit verbunden sein wird. Das klingt ein bisschen wie das, was Sie kürzlich auch in einem Buch formuliert haben, wenn Sie davon sprechen, dass es die Bereitschaft zur Härte verlangt und dass wir auch unschöne Bilder von schreienden Kindern und Frauen akzeptieren müssen. Ist das die Richtung, der Umgang mit Flüchtlingen, wie er Ihnen vorschwebt?
    Spahn: Es kommt ja beides dazu. Deutschland, die deutsche Gesellschaft hat mehr als fast jede andere europäische - die Schweden noch - Flüchtlingen und Migranten geholfen, sie bereitwillig aufgenommen und unterstützt, und wir behandeln jeden, der hier ins Land kommt, anständig und versorgen ihn gut. Aber wir müssen eben auch die ehrliche Botschaft in die Welt senden: Ja, wer einen Fluchtgrund hat, wer vor Krieg und Verfolgung flieht, der findet hier Schutz, aber nicht jeder wird hier bleiben können, der aus wirtschaftlichen Gründen kommt. Dazu gehört, zu dieser ehrlichen Botschaft, auch, dass dann auch Menschen Deutschland wieder verlassen müssen. Was ist das Asylrecht wert, wenn es am Ende keinen Unterschied macht, ob sie einen wirklichen Asylgrund haben oder nicht.
    Da ist jede einzelne Abschiebung natürlich hart. Jeder, der das mal erlebt hat, dem zerreißt es fast das Herz. Das ist auch für die Polizisten, die das leisten müssen, eine ziemlich harte Aufgabe. Aber trotzdem müssen sie am Ende Recht durchsetzen und das auch so ehrlich und klar sagen, damit die Botschaft auch da ist, nicht jeder, der es irgendwie nach Deutschland schafft, wird hier bleiben können, denn das schaffen wir nicht.
    Barenberg: Zum Schluss, Jens Spahn. Die CSU fühlt sich ja von der Kritik von Julia Klöckner auch bestätigt und Horst Seehofer, der Parteichef und bayerische Ministerpräsident, verlangt jetzt ein rasches Treffen der drei Parteivorsitzenden, um weitere nationale Schritte zur Begrenzung zu vereinbaren. Sind Sie dafür?
    Spahn: Wenn die drei Parteivorsitzenden sich treffen und sich austauschen, ist das nie schlecht, insbesondere wenn es darum geht, gemeinsame Linien zu finden. Und wir brauchen am Ende ja ein Paket, und das machen wir ja auch, aus nationalen Schritten, was das Thema Asylrecht angeht, was das Thema auch Integration angeht, wie können wir diejenigen, die bleiben werden, schneller integrieren, und gleichzeitig europäischen und internationalen Lösungen, um insbesondere die Fluchtursachen zu bekämpfen. Denn wenn es gelänge, den Krieg in Syrien zu beenden, was noch sehr mühsam werden wird, dann wäre schon ein großes Thema weggeräumt. Beides muss zusammen, national, europäisch, international.
    Barenberg: CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn heute Morgen hier live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Spahn: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.