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Debatte über Sexismus in der CDU
"Das würde männlichen Kollegen schlichtweg nicht passieren"

Die CDU-Politikerin Jenna Behrends ist nach eigenen Angaben vom Berliner Parteichef Frank Henkel als "große süße Maus" bezeichnet worden. Das sei kein Graubereich mehr, sondern Sexismus, sagte die Aktivistin Anne Wizorek im DLF. Sie nannte es erschreckend, dass sich die Frauen-Union nicht mit Behrends solidarisch zeige.

Anne Wizorek im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Anne Wizorek spricht auf der Internetkonferenz republica am 7. Mai 2015 in Berlin
    Anne Wizorek bei der republica 2015 (imago stock&people)
    Damit werde das Verhalten als okay legitimiert, kritisierte Wizorek. Es sei zudem sichtbar, wie stark verinnerlicht Sexismus in der Partei sei. Ein Fall, wie ihn Behrends schilderte, würde männlichen Kollegen nicht passieren.
    Wizorek lobte Äußerungen des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber, der eingestand, dass es solche Probleme in der Partei gebe. Nun müsse es aber auch Lösungsvorschläge geben, forderte Wizorek. Als Möglichkeit nannte sie eine Kontaktperson, an die sich betroffene Mitglieder wenden könnten.
    Wizorek ist Initiatorin der Twitter-Kampagne #Aufschrei, mit der Sexismus im Alltag angeprangert wurde.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Mitgehört hat jetzt aber Anne Wizorek, Bloggerin und Frauenrechtlerin. Bekannt wurde sie vor drei Jahren mit der "Aufschrei"-Diskussion bei Twitter. Wir erinnern uns in dieser Zeit auch an eine junge Journalistin, an Rainer Brüderle und an den Herrenwitz. Guten Morgen, Frau Wizorek.
    Anne Wizorek: Guten Morgen.
    Dobovisek: Einen Graubereich nannte Nadine Schön das gerade, was Jenna Behrends da beschreibt. Sehen Sie das auch so, einen Graubereich?
    Wizorek: Das was in dem Offenen Brief beschrieben wird, finde ich, zählt nicht zu einem Graubereich. Das sind vielleicht eher als, na ja, jetzt nicht sexuell übergriffige Situationen einzustufende Situationen. Aber ein Graubereich ist es nicht, wenn eine Frau als große süße Maus bezeichnet wird oder ihre Reputation daran festgemacht wird, ob sie jetzt mit Männern in der Partei geschlafen hat oder nicht. Das würde mit männlichen Kollegen schlichtweg nicht passieren und insofern ist das kein Graubereich, sondern Sexismus.
    Dobovisek: Wundert es Sie, dass sich im Moment viele Politikerinnen ganz offensichtlich zurückhalten?
    Wizorek: Was ich sehr erschreckend finde ist, dass tatsächlich jetzt auch von der Frauenunion wirklich ein klar nichtsolidarisches Zeichen kommt. Das trifft sicherlich nicht auf alle zu, aber auf die Vorstandsebene, denke ich mal, schon. Und da sehen wir halt auch, wie stark verinnerlicht der Sexismus noch mal ein Problem ist. Es geht ja nicht nur um Männer, die sexistisches Verhalten an den Tag legen, sondern auch Frauen, die das Verhalten auch noch verinnerlichen und als okay legitimieren.
    "Es ist total wichtig, dass Jenna Behrends diesen Schritt gemacht hat"
    Dobovisek: Das ist mir auch aufgefallen, dass es ja nicht nur um Angriffe von Männern gegen Frauen geht, sondern auch um Angriffe von Frauen untereinander. Da fällt mir sofort das blöde Wort "Stutenbissigkeit" ein. Aber wie bedeutsam ist das in der Politik?
    Wizorek: Es ist natürlich insofern bedeutsam, dass, wenn jetzt jemand, wie Jenna Behrends es getan hat, sich mit dieser Kritik äußert, sie leider nicht automatisch damit rechnen kann, auch Unterstützung zu erfahren. Ich glaube zwar schon, dass wir einerseits jetzt auch viel positive Reaktionen sehen, aber wir sehen ja leider auch Leute, die das wieder herunterspielen, die ihre Glaubwürdigkeit infrage stellen, die ihr auch wieder einen Aufmerksamkeitswillen einfach nur vorwerfen, wo man sich aber auch fragen muss, na ja, wer will denn, bitte, mit Sexismus-Vorwürfen oder Sexismus-Kritik allein irgendwie im Rampenlicht stehen? Das ist nichts Schönes, aber es ist total wichtig, dass Jenna Behrends diesen Schritt gemacht hat und dass sie jetzt diese Debatte angestoßen hat.
    "Das reflexhafte Abwehren und Negieren, das haben wir jetzt hier nicht"
    Dobovisek: Welche Unterschiede sehen Sie jetzt zur Debatte von vor drei Jahren?
    Wizorek: Ich denke, dass reflexhafte Abwehren und Negieren, dass es Sexismus nicht gibt, das haben wir jetzt hier nicht. Das finde ich eine positive Entwicklung. Wenn jetzt Peter Tauber sagt, ja natürlich gibt es das in unserer Partei, dann ist das schon mal was anderes als zu sagen, ja damit haben wir kein Problem.
    Andererseits würde ich mir natürlich auch von ihm wünschen, oder auch von Leuten in seinen Positionen, dass er das Problem auch entsprechend ernst nimmt und vielleicht auch schon mal Lösungsvorschläge anbietet.
    Es kann nicht dabei bleiben, einfach nur anzuerkennen, dass das Problem da ist, sondern dann auch konkret zu überlegen, wie können wir das jetzt als angehen als Partei in diesem Fall.
    "Das Problem zu adressieren wäre ein erster wichtiger Schritt"
    Dobovisek: Wie müssten Lösungsvorschläge Ihrer Meinung nach aussehen?
    Wizorek: Nun ja, das muss natürlich die Union für sich selber definieren. Aber allein, wie es vielleicht auch andere Parteien haben, dann Ansprechpersonen zu haben, die dann in dem Fall kontaktiert werden können, mit denen man sich erst mal austauschen kann, das wäre, glaube ich, schon mal ein wichtiger Schritt, sozusagen innerhalb der Partei da eine Infrastruktur aufzubauen und vor allem das klar als Problem zu adressieren und immer auch mitzudenken, wie können sie dem begegnen. Das wäre schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung.
    Dobovisek: Kurz zum Schluss. Sie sind selbst in keiner Partei aktiv. Was hält Sie davon ab?
    Wizorek: Weil ich unter anderem mitgekriegt habe, wie junge Frauen in Parteien - und das beschränke ich jetzt mal nicht auf die Union - behandelt werden. Insofern bin ich lieber als Aktivistin von außen tätig.
    Dobovisek: Die Bloggerin und Frauenrechtlerin Anne Wizorek. Vielen Dank für das Interview heute Morgen.
    Wizorek: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.