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Debüt von Adir Jan
Kurdische Sounds & Kreuzberger Freiheit

Adir Jan sprengt mit seinem „Cosmopolitan Kurdesque“ - einer Art kurdisch-internationalem Psychedelic-Sound - viele Grenzen: Der Berliner Singer-Songwriter singt über queere Liebe, gegen Gewalt und Homophobie. Dabei fusioniert er traditionell kurdische Instrumente mit modernem Indierock.

Von Jenni Zylka |
Der Berliner Musiker Adir Jan auf spielt auf der Bühne eine elektrisch verstärkte Langhalslaute
Kurdisch. Deutsch. Queer. Der Berliner Musiker Adir Jan und seine elektrisch verstärkte Langhalslaute (Denis Bauer)
"Janaki Mou, oh du, mein Geliebter, kann nicht ohne dich. Ertrinke in deinen Augen, oh du, mein Ersehnter."
Hier geht es um die Liebe - soviel ist klar. Falls man des Kurdischen mächtig ist. Aber auch ohne Sprachkenntnisse verströmen die Songs auf Adir Jans im Februar erschienenen ersten Album "Leyla" starke Gefühle - Leidenschaft, Romantik, Begehren. Denn der Berliner Singer-Songwriter Adir Jan, der eigentlich Adir Jan Tekin heißt, singt ausgesprochen gern über die wichtigste und universellste aller Emotionen: "Liebe... ähm, weil das ein Thema ist, was mich mein Leben durch begleitet, wenn ich mich sage, meine ich jeden Menschen. Und da spreche ich nicht nur von romantischer Liebe. Sondern Liebe an sich, die einfach existiert. Ich schreibe aber viele romantische Liebeslieder als Mann, für die Person in die ich verliebt war. Und das ist dann häufig ein Mann."
"Unabhängig vom kulturellen oder religiösen Umfeld"
"Mac", der Kuss, heißt dieses Lied, und darin beschwert sich ein Mann in glühenden Worten über einen anderen, der seiner Ansicht nach viel zu sehr mit den Küssen geizt. Wer wen liebt, und ob die Gefühle heteronormativ oder queer daherkommen, das war und ist dem Mittdreißiger aus Berlin schon immer egal. Viel zu oft musste er darüber reden, ob ein offen queeres Leben für jemanden mit kurdischen Wurzeln schwieriger ist als für einen Biodeutschen. Adir Jan sieht die Sache pragmatisch – und ziemlich unabhängig vom kulturellen oder religiösen Umfeld. Denn Intoleranz und Homophobie gibt es schließlich überall.
"Natürlich bin ich in einer Familie großgeworden, aber ich bin auch in Deutschland großgeworden, wo es in der weißen Dominanzgesellschaft genauso die Machokultur gibt. Also wenn du von Machismus sprichst, hat es ja was mit Sexismus zu tun, und das ist ein weltweites Phänomen, wo wir darauf achten sollten, uns dessen bewusst zu sein - und eben auch Betroffene, benachteiligte Gruppen wie eben Frauen oder Menschen, die nicht der Heteronorm entsprechen, zu unterstützen."
Für Adir Jan ist jedoch nicht nur das Private politisch – in dem Lied "Shengal" singt er vom Genozid, den der Islamische Staat 2014 und 15 an jesidischen Kurden und Kurdinnen in der Stadt Shengal beging Ay Shengal, heißt es darin auf Kurdisch. Das Herz brennt, das Herz ist Leid und Schmerz. Verbrannt für die Mädchen. Verbrannt für meine Schwestern. Neben der unaufgeregten und selbstverständlichen Freiheit in den manchmal auch in Deutsch verfassten Texten, ist der Sound selbst ein ebenso vielseitiges Konzept: Die klassisch-spannungsvollen Breaks und den traditionellen kurdischen Klang von Adir Jans Tembur, einer Langhalslaute, untermalt Gitarrist Conny Kreuter mit verzerrten Rock-Riffs und Melodien. Heraus kommt eine tanzbare Fusion - wahrhaft kosmopolitisch.
"Ich spiele Langhalslaute. Das ist ein Instrument, das es in unzähligen Ländern gibt, in verschiedenen Formen teilweise, aber es ist immer sehr ähnlich und ist eben geeignet, um sich selbst zu begleiten, für mich zumindest. Plus: Im Gegensatz zu - in Anführungszeichen - "westlichen Instrumenten" gibt es Töne, die es auf einer Standardgitarre nicht gäbe, nämlich Vierteltöne, und die nutze ich in sehr vielen Liedern auch. Das kann für manche vielleicht schief klingen, ist es aber nicht, das ist einfach ein anderes System."
"Die Menschen öffnen ihre Herzen"
Bei seinen Live-Konzerten, sagt der Musiker, wird ohnehin die Gemeinsamkeit gefeiert. Vor allem in seiner Heimatstadt Berlin, wo die Szene für schubladensprengende Welt-Rockmusik vielleicht noch etwas größer ist als anderswo. Adir Jan, der als kleiner Junge übrigens Bauchtanz erlernte, veranstaltet eine erfolgreiche Party-Reihe in Kreuzberg. Sein Publikum ist so divers wie die Musik.
"Meine Haupthörerschaft ist jeder, ist tatsächlich so. Wenn ich spiele, auch im SO 36 zum Beispiel bei der Veranstaltung, die ich gemeinsam mit Tülin Duman organisiere, Zembil, da kommen Menschen von überall, alle Schichten, alle, alles. Es funktioniert und es geht auf. Das heißt aber nicht, dass nicht irgendwann irgendwas passieren kann, das weiß ich nicht. Bisher ist es schön und rund. Die Menschen, zumindest auf Live-Veranstaltungen, öffnen ihre Herzen."
Und so ein Öffnen-der-Herzen ist zum Glück weder nur an Sprache, noch an bestimmte Klänge gebunden. Sondern funktioniert so, wie es Adir Jan am liebsten mag: über die Gefühle.