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Demonstrationen in Moskau
Die Opposition geht auf die Straße – mit Genehmigung!

Die Moskauer Opposition will wieder für freie Wahlen in der russischen Hauptstadt demonstrieren. Dieses Mal hat sie sogar eine Genehmigung von der Stadt erhalten. Es könnte aber dennoch sein, dass es wieder zu Festnahmen kommt. Die Polizei hat bereits gewarnt.

Von Christina Nagel | 10.08.2019
Moskau, Polizeieinsatz während Demonstration mit Ljubow Sobol MOSCOW, RUSSIA - AUGUST 3, 2019: Police officers detain one of the rally organizers, Lyubov Sobol, an opposition activist and a rejected opposition candidate, during an unauthorized rally in support of rejected independent candidates in the upcoming Moscow City Duma Moscow parliament election held by Russian opposition. Dmitry Serebryakov/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY TS0B54DB
Die bekannte die Anti-Korruptions-Aktivistin Ljubow Sobol wurde bereits bei anderen Demonstrationen verhaftet (imago images / ITAR-TASS / Dmitry Serebryakov )
"Lasst sie zu" – so lautet der Schlachtruf derer, die seit einigen Wochen jeden Samstag für freie Wahlen auf die Straße gehen. Sie protestieren gegen die Entscheidung der Wahlkommission, 57 Kandidaten der Opposition nicht zur Wahl des Moskauer Stadtparlaments zuzulassen. Und zwar wegen schwerer Formfehler.
Die Wahlkommission hatte die Echtheit eines Teils der vorgelegten Unterstützerunterschriften in Zweifel gezogen. Was dazu führte, dass die Kandidaten die für die Registrierung notwendige Zahl nicht erreichten.
Betroffene, wie der frühere Abgeordnete Dmitri Gudkow oder die Anti-Korruptions-Aktivistin Ljubow Sobol hatten gegen die Entscheidung offiziell Beschwerde eingelegt.
In dieser Woche gab es die ersten Anhörungen. Ein stundenlanger emotionaler, zermürbender Schlagabtausch – unter anderem zwischen Sobol und der Vorsitzenden der Wahlkommission, Pamfilowa.
Das Urteil der Wahlkommission
"Wir fordern dass wir zur Teilnahme an den Wahlen zugelassen werden. Ob wir die Mehrheit bekommen oder nicht - entscheiden die Wähler", sagt Sobol.
"Sie treten die demokratischen Gesetze mit Füßen, Sie spucken drauf. Sie denken, Sie sind privilegierte Vertreter, eine spezielle Kaste, die besondere Rechte hat", erwidert Pamfilowa.
Gutachten, Videobeweise und Erklärungen wurden vorgelegt. Das Urteil der Wahlkommission am Ende einstimmig: Die Klagen wurden abgewiesen.
Das Foto zeigt russische Polizisten, die in Moskau einen Teilnehmer einer nicht genehmigten Kundgebung festnehmen.
Proteste in Moskau: Russland wirft Deutscher Welle Einmischung vor
Die Proteste in Moskau dauern trotz Polizeigewalt an. Nun wirft das russische Außenministerium Ausländern vor, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen – und kritisiert dabei die Deutsche Welle.
In der Theorie bleibt den Kandidaten noch der Weg durch die Gerichtsinstanzen. In der Praxis läuft ihnen die Zeit davon. Umso wichtiger ist ihnen der Protest heute.
Ljubow Sobol, die seit fast einem Moment im Hungerstreik ist, geht es längst um mehr, als nur um ihre eigene Kandidatur: die Zulassung oppositioneller Kandidaten zur Wahl würde ihrer Ansicht nach die demokratischen Kräfte im Land stärken.
"Denn der größte Feind jener Bürger, die in einem neuen Russland leben wollen, ist nicht die Staatsmacht. Es ist die Apathie, die sie unserer Gesellschaft aufzwingen", sagt Sobol: "Die Angst, die sie versuchen, uns einzuflößen. Gegen die wir kämpfen müssen."
Die Opposition zieht an einem Strang
Mut macht Sobol, dass die Opposition mittlerweile an einem Strang zieht. Dass sie solidarisch ist. Auch mit jenen, die weiter in Haft sitzen.
Weil sie in den vergangenen Wochen trotz ausdrücklicher Verbote der Behörden zu Protesten aufgerufen hatten.
Die Demonstration auf dem Sacharow-Platz heute ist mit der Stadt abgestimmt. Die Veranstalter rechnen mit Zehntausenden Teilnehmern, auch weil sie die Unterstützung einiger in Russland sehr populärer Musiker haben.
Auch der Rapper Oxymiron will dabei sein. Aus Protest, dass gegen einige Teilnehmer der nicht-genehmigten Aktionen, Verfahren wegen Organisation von Massenunruhen eingeleitet wurden. Ein Tatbestand, der langjährige Haftstrafen nach sich ziehen kann.
"Lasst uns zusammen für ein Ende dieser absurden, repressiven Strafverfahren zu Massenunruhen am 27.7. und 3.8. kämpfen. Zu Unruhen, die es nicht gegeben hat. Die Staatsmacht versucht eine friedliche, unbewaffnete Protestaktion mit einem bewaffneten Aufstand gleichzusetzen", so Oxymiron.
Ob es wieder – wie an den vergangenen Samstagen – Festnahmen geben wird, dürfte in erster Linie davon abhängen, ob sich Organisatoren und Teilnehmer an die Auflagen halten.
Die Polizei hat vorsorglich schon einmal gewarnt, dass jede andere öffentliche Aktion, jede gezielte Provokation als Bedrohung der öffentlichen Ordnung behandelt werde, womit die Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung für die eigene Sicherheit steige.