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"Der Dialog muss hergestellt sein"

Joseph Daul, Europa-Parlamentarier von der EVP-Fraktion, erwartet positive Effekte von der geplanten Gründung einer Mittelmeerunion. Es sei wichtig, über einen solchen Zusammenschluss, den Dialog mit den Mittelmeer-Staaten zu schaffen, sagte Daul. Dieser Dialog könne helfen, Probleme wie die der Flüchtlingsströme oder des Terrorismus zu lösen.

Moderation: Christiane Kaess | 12.07.2008
    Christiane Kaess: Herr Daul, ich habe es gerade schon gesagt, ursprünglich war die Mittelmeerunion in einem viel kleineren Rahmen geplant. 43 Staaten werden jetzt für ihre Gründung am Sonntag erwartet. Sind das zu viele, um effektiv arbeiten zu können?

    Joseph Daul: Ja, ich glaube im Moment. 43, das ist natürlich viel, aber das sieht man dann schon, wenn das im Gang ist, wie viel dann da mitarbeiten. Es sind vielleicht keine 43, aber es sind mal zum Ersten alle eingeladen.

    Kaess: Das heißt, das Intervenieren vor allem durch Deutschland und durch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Idee nicht geschadet?

    Daul: Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, das war im März oder so, waren da Diskussionen, das war nicht klar zwischen der Bundeskanzlerin und Nicolas Sarkozy, aber die haben sich in Hannover getroffen und haben sich dann einig gemacht darüber, was das für ein Projekt werden soll.

    Kaess: Der Einwand von Angela Merkel war ja, dass sie es für wahrscheinlich hält, dass sich Länder wie Deutschland mehr der mittel- und osteuropäischen Seite verbunden fühlen und Frankreich zum Beispiel mehr den Anrainerstaaten der Mittelmeerunion. Sehen Sie auch die Gefahr der Spaltung der Europäischen Union durch dieses neue Bündnis?

    Daul: Ich werde jetzt nicht sagen, es gibt keine Spaltung, aber es ist auch normal, dass gegen den Osten, und das haben wir auch im Parlament verlangt, dass auch so was gegründet wird für den Osten, mit Ukraine, Moldawien und sogar bis Aserbaidschan und so. Das ist auch notwendig, denn natürlich, wenn wir über Energieversorgung oder so sprechen, müssen wir auch gute Kontakte haben zu diesen Ländern.

    Kaess: Aber grundsätzlich begrüßen Sie, dass jetzt alle 27 EU-Staaten zumindest offiziell bei dem Bündnis dabei sind?

    Daul: Ja, das begrüße ich. Und Nicolas Sarkozy hat es gestern wieder gesagt im Parlament, wir müssen so viel wie möglich und, wenn möglich, alle miteinander mit 27. Natürlich kann einer ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger, aber die 27 müssen interessiert sein an allem, was passiert in Europa.

    Kaess: Herr Daul, warum ist dieses Bündnis nötig? Es gab schon einmal etwas Ähnliches, das war der Barcelona-Prozess, der 1995 gestartet wurde, mit denselben Zielen und der nicht funktioniert hat.

    Daul: Wenn sich niemand darum kümmert, dass nicht nachgegangen wird, politisch auch, dann kann das nicht gehen. Und ich glaube, das wird jetzt in diesem Sinne wie der Barcelona-Pakt gemacht worden ist und Barcelona-Pakt verbessert ist und auch vielleicht andere Gelder, ich sage immer Petro-Dollar, dazukommen für diese Region.

    Kaess: Was ist jetzt besser, und was macht Sie optimistisch?

    Daul: Was mich optimistisch macht. Ich habe heute schon wieder in den Zeitungen gelesen, die Leute kommen von diesen Ländern sogar von Afrika zu uns, weil die Ernährungsprobleme haben und viel andere Probleme. Und ich glaube, wir müssen die Entwicklung ein bisschen machen von diesen Ländern, dass die auch einen gewissen Reichtum bekommen, dass die Leute bleiben können, wo sie sind.

    Kaess: Das ist ein Ziel, das Sie ansprechen, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. Ein anderes ist, der Terrorismusgefahr entgegenzuwirken. Nebenbei soll auch noch ein bisschen der Nahostkonflikt gelöst werden. Ist das nicht zu viel für so eine Union, droht man da nicht im Unkonkreten zu versinken?

    Daul: Nein, ich glaube, wir müssen eines nach dem anderen machen. Und das erste Problem, das ist das, das haben Sie gesagt, Trinkwasserproblem. Das ist ein großes Problem. Und dann können wir auch noch, wir sprechen ja viel von Energie in Europa, und dann können wir wahrscheinlich noch mit der Sonnenenergie etwas tun auch in diesem Bezirk und in diesen Ländern.

    Kaess: Wenn jetzt die EU für diese verschiedenen Projekte Hilfe und Kredite vor allem in Aussicht stellt, wie kann sie ihre Ansprüche nach Demokratie und Transparenz damit verbinden?

    Daul: Ich glaube, wenn wir diese Länder zusammennehmen, wissen Sie, ich war in Palästina und in Israel noch nicht so lange. Das ist natürlich nicht einfach. Aber wenn wir da vorwärtskommen wollen, müssen wir diese Länder deblockieren und müssen ihnen ein bisschen Wirtschaft erschaffen, dass der Terrorismus nicht überhand nimmt in diesen Ländern. Das ist sehr, sehr wichtig. Und das habe ich erlebt in Palästina, glauben Sie mir, in all diesen Ländern müssen wir die Ökonomie ein bisschen verbessern, ein bisschen mehr Wirtschaft machen, und dann können wir auch ein bisschen mehr sozial machen.

    Kaess: Auf der anderen Seite, Herr Daul, gibt es gerade in diesen Ländern jede Menge Bedenken gegen die Mittelmeerunion. Die Türkei zum Beispiel befürchtet, dass es ein taktischer Schachzug von Frankreich ist, um die Türkei aus der EU herauszuhalten.

    Daul: Ja, natürlich. Oder wenn Sie dann sprechen von Syrien oder so Ländern, das verstehe ich. Und wenn 43 zusammengenommen sind, dass nicht alle einig sind, das ist ja ganz normal. Aber das ist auch nicht gegen die Türkei gerichtet.

    Kaess: Es gibt noch mehr Bedenken, zum Beispiel Libyens Staatschef Gaddafi, der ist komplett gegen die Union und kommt auch nicht zu diesem Treffen. Er sagt, das ist ein Instrument, die arabischen und afrikanischen Staaten zu spalten, und wenn die EU Partner gesucht hätte, dann hätte sie direkt auf die Arabische Liga oder die Afrikanische Union zugehen können. Wäre das tatsächlich nicht der kürzere Weg gewesen?

    Daul: Es wäre vielleicht ein kürzerer Weg gewesen. Aber ich glaube, man muss das global sehen. Und ich glaube, wenn Nicolas Sarkozy das gesehen hat, hat er das global gesehen. Und man kann auch nicht wegen Libyen oder so nicht weiter vorhergehen. Und der war ja eingeladen, wenn der nicht kommen will, dann bleibt er, wo er ist.

    Kaess: Syrien spielt auch eine Rolle. Für Syriens Präsidenten al-Assad ist die Einladung sozusagen das Eintrittsticket in die respektable Gesellschaft. Geschieht das etwas zu leichtfertig?

    Daul: Nein, ich glaube nicht, das ist nicht zu leichtfertig. Und noch mal: Der Dialog muss hergestellt sein. Wenn der Dialog nicht hergestellt ist, kann man nichts machen. Das sind nur die Extremen, die dann arbeiten, und das ist sehr schwer in diesen Regionen.

    Kaess: Und das, glauben Sie, wird funktionieren, wenn der syrische Präsident Assad an einem Tisch mit israelischen Vertretern sitzt, mit welchen er ja eigentlich noch offiziell im Kriegszustand ist?

    Daul: Natürlich nicht beim ersten Mal. Aber wenn Sie die Geschichte sehen, muss man auch mal zusammensitzen, dass es Lösungen gibt in der Zukunft. Und ich glaube, für das ist das gut.

    Kaess: Wird der syrische Präsident Assad auch an den offiziellen Feierlichkeiten zum französischen Nationaltag am darauf folgenden Montag teilnehmen?

    Daul: Normalerweise nimmt er teil, ich sage normalerweise. Das werde ich sehen, ich werde auch dabei sein.

    Kaess: Herr Daul, nicht nur in Berlin ist man skeptisch, weil sich Frankreichs Präsident Sarkozy in der arabischen Welt auch für die französische Atomindustrie einsetzt und dabei auch Ländern wie Libyen Atomreaktoren anbietet. Ist dieses Engagement mit der Mittelmeerunion auszuweiten, ist das auch ein Ziel?

    Daul: Ich weiß nicht, ob das ein Ziel ist. Ich glaube, das ist ein Punkt, der muss noch ein bisschen besser geklärt werden, wie und wo das praktisch gemacht werden kann, dass die Industrie, wenn die Nuklearenergie eingesetzt wird, dass das nicht natürlich verwendet wird für die Verteidigung.

    Kaess: Joseph Daul, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und Mitglied der französischen Regierungspartei UMP. Vielen Dank für das Gespräch.

    Daul: Danke schön!