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Der große Mondschwindel
Fledermäuse und Milliarden Bewohner auf dem Erdbegleiter

In der letzten Augustwoche 1835 veröffentlichte die New Yorker Zeitung „The Sun“ eine Reihe mit sechs Artikeln. Darin wurden die Zustände auf dem Mond geschildert und welche Pflanzen und Lebewesen es dort gibt. Die Überschrift lautete "Großartige astronomische Entdeckungen, die kürzlich von Sir John Herschel am Kap der Guten Hoffnung gemacht wurden".

Von Dirk Lorenzen | 27.03.2017
    Pure Fantasie, reiner Unsinn: Bild zur Zeitungsserie über den "Großen Mondschwindel".
    Pure Fantasie, reiner Unsinn: Bild zur Zeitungsserie über den „Großen Mondschwindel“. (New York Sun)
    Das schien die Echtheit der Befunde zu belegen, war Herschel doch damals einer der bekanntesten Astronomen. Zudem waren die Berichte angeblich zuvor in Edinburgh erschienen.
    Illustriert waren die Geschichten mit Fantasiegemälden einer fast schon tropischen Landschaft, die von vielen Tieren und Fledermausmenschen bevölkert war. Dies alles, so behauptete die Zeitung, habe John Herschel mit seinem Riesenteleskop ganz neuer Art beobachtet. Die Geschichte schlug hohe Wellen, viele andere Zeitungen druckten die Artikel eifrig nach. Doch nach wenigen Wochen war klar, dass es sich um eine komplette Fälschung handelte.
    Die Zeitung spielte geschickt mit der Stimmung jener Zeit. Wenige Jahre zuvor hatte der Münchner Astronom Franz Gruithuisen behauptet, auf dem Mond große Städte und lange Straßen beobachtet zu haben. Zudem hatte der schottische Theologe Thomas Dick in einem in den USA sehr populären Buch die Gesamteinwohnerzahl des Sonnensystems auf 22 Billionen berechnet – gut vier Milliarden Menschen sollten allein auf dem Mond hausen.
    Da lag es nahe, dem Erdtrabanten eine wunderbar belebte Natur anzudichten – und mit dem Mondschwindel Wissenschafts- ebenso wie Mediengeschichte zu schreiben.