Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Der Lehrer als Facebook-Freund

Wegen Facebook-Nachrichten an seine Schülerinnen ist in Passau ein Lehrer suspendiert worden, obwohl deren Inhalt nicht anstößig war. Doch bislang gibt es noch keine Regeln für den Umgang von Lehrern und Schülern in sozialen Netzwerken.

Von Susanne Lettenbauer | 18.05.2012
    "Ja ein Religionslehrer, der hat Facebook, da gibt es mehrere, aber wir sind mit denen nicht befreundet, weil die nicht zu unserem Freundeskreis gehören. Nein, denn wir haben ja auch so Klassengruppen und Lehrer müssen nicht alles wissen und mitlesen."

    "Also wir reden oft über Facebook in Ethik. Meistens haben die Klassen so ihre Gruppen, wo reingepostet wird, was man aufhat oder so. Also es gibt für die ganze Q12 oder Q11 eben eine Gruppe, wo dann auch so Sachen wie Abi-Ball organisiert werden. Es gibt Lehrer, die Facebook haben, aber ich bin mit keinem befreundet."

    Facebook funktioniert an Schulen, wenn man es richtig einsetzt. Diese Meinung herrscht bei den meisten Schülern an Münchens Gymnasien. Nie war es einfacher, in genau definierten Schülergruppen mit den Lehrern über die Schule zu reden. Eine virtuelle Diskussionsrunde, in der nur Schüler eines Schulprojektes oder einer Klasse Zutritt haben. Dass Lehrer, wie es jetzt an einer Schule in Passau passiert sein soll, persönliche Kontakte zu Schülerinnen pflegten, gehört zu den Grauzonen, mit denen Schulen derzeit überfordert sind. Richtlinien oder Leitfäden fehlen an den meisten Schulen. Zu neu sei das Phänomen, heißt es von den Schulleitungen. Persönlich will sich dazu keiner äußern.

    Generell habe er kein Problem mit der Verwendung von sozialen Netzwerken an Schulen, sagt der Chef des Bayerischen Philologenverbandes Max Schmidt. Der Gymnasiallehrer aus Grafing bietet seinen Schülern seit Jahren an, ihn bei Problemen auf seinem Privathandy anzurufen. Manchmal twittert er auch von seinem Account mehr oder weniger wichtige Informationen:

    "Als Lehrer nutzen wir ja dieses Medium auch, wenn ich bei Schülern oder Schülerinnen der Oberstufe merke, da rutscht einer ab, da schaue ich dann schon mal nach, hat der eine Facebook-Seite. Was steht denn auf dieser Seite drauf. Ist die aktuell bedient oder gibt’s da seit längerer Zeit nichts mehr. Das heißt, genauso wie andere Leute googeln, machen wir das als Lehrer im Zweifelsfall natürlich auch."

    Bei der Bayerische Landeszentrale für moderne Medien können Lehrer sich beraten lassen, spezielle Kurse schulen den Umgang mit Facebook und Co. Denn vor allem gehe es darum, den Schülern und Lehrern die Möglichkeiten, aber auch Risiken des Mediums Facebook bekannt zu machen:

    "Also Chancen bestehen auf jeden Fall darin, dass man eine hohe Akzeptanz hat, wenn man dasselbe Kommunikationsmedium verwendet, das die Schüler untereinander auch verwenden. Aber die Gefahr ist dann sogleich, dass man in die Kumpelrolle gedrängt wird und nicht in die des Lehrers."

    Der Präsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes Klaus Wenzel ist dankbar, dass durch den Fall von Passau jetzt ernsthaft darüber diskutiert wird, wie Schulen und Lehrer in Facebook präsent sein können:

    "Wenn es darum geht, dass ich den Schülern behilflich bin bei den Hausaufgaben, indem sie mir eine Frage zumailen und ich ihnen zurück maile, da entsteht ja etwas, was sehr positiv ist, nämlich ein Vertrauensverhältnis, das es mir im Schulalltag dann sehr erleichtert, auch in schwierigen Situationen gut zurechtzukommen."

    Empfehlen würde er den Lehrern zurzeit aber keinen Facebook-Account. Bislang sei ungeklärt, wann man sich in sozialen Netzwerken, wo sich die Kommunikation nicht dauerhaft lückenlos dokumentieren lasse, eines Dienstvergehens schuldig mache. Wie groß die Unsicherheit ist, zeigt auch die Reaktion des Regierungsbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig. Lehrer müssten ihren Schülern die "Freundschaft" im sozialen Internetnetzwerk Facebook nicht kündigen, so Rörig. Lehrern empfiehlt er für die Zukunft aber, Freundschaftsanfragen ihrer Schüler grundsätzlich abzulehnen.

    Bei der EU-Initiative Klicksafe hält man landesweite verbindliche Richtlinien indes für unnötig. Jede Schule habe eine andere Schülerstruktur und sollte deshalb eigene Richtlinien für sich aufstellen. Eine Schule in Hamm hat dies bereits getan. Demnach dürfen Lehrer dort nur über ein zweites Facebook-Profil mit ihren Schülern kommunizieren.


    Das könnte Sie auch interessieren:

    Wollen wir Facebook-Freunde sein?
    Vielerorts treffen sich Lehrkräfte und Schüler auch nach der Schule –
    auf Facebook. (GEW - Die Bildungsgewerkschaft)

    Keine Facebook-Kontaktsperre für Lehrer und Schüler
    (derwesten.de vom 15.05.2012)