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Vor 100 Jahren
Der österreichische Kabarettist Georg Kreisler geboren

"Geh'ma Tauben vergiften im Park" - mit dieser Aufforderung wurde Georg Kreislers schwarzer Humor sprichwörtlich. Er, der vor den Nazis aus Wien hatte fliehen müssen, wurde mit sarkastischen und musikalisch genialen Liedern ein Wiener par excellence.

Von Beatrix Novy | 18.07.2022
Der österreichische Kabarettist, Komponist und Autor Georg Kreisler vor einem Auftritt in Fürth
Der österreichische Kabarettist, Komponist und Autor Georg Kreisler vor einem Auftritt in Fürth (picture alliance / dpa /EPA/Daniel Karmann)
„Die Vögel zwitschern in den Zweigen
die Heimchen husten hinterm Herd
die Fische trösten sich durch Schweigen
nur der Mensch, der stört.“
„Es gibt den schönen Satz, wer einmal emigriert ist, kommt nie wieder zurück, auch wenn er zurückkommt.“
Schlagfertige Poesie, zündende Musikalität, rasantes Klavierspiel, Schauspielbegabung - in allem glänzte Georg Kreisler. Aber über allem lag auch der Schatten eines Leidens an der Welt. Seine größten Triumphe verdankte er, der Holocaust-Überlebende, einer besonderen Fähigkeit, die ständige Gegenwart des Bösen in künstlerische Höhepunkte heiterer Effekte zu verwandeln.
„A-Biddla buh, a-biddla buh, a-biddla bingbang buh!
Uns‘re Liebe war beinahe schon vergangen, da schlitze ich die Kehle der Katrein“
Dass der Tod ein Wiener sein muss, verstand sich bei Kreisler von selbst. In Wien wurde er am 18. Juli 1922 geboren. Der - so sah es die Familie - aus der Art geschlagene Sohn eines Rechtsanwalts lernte locker mehrere Instrumente und wollte unbedingt Dirigent werden - bis zum Jahr 1938.

Pianist hinter den Kulissen

„Mittendrin wurde ich unterbrochen, das kam eben, weil Hitler mit den deutschen Truppen in Wien einmarschierte, mit einem Schlag war dann also alles zu Ende.“
Knapp gelang die schwierige Flucht mit den Eltern in die USA. Von Wien nach Hollywood: Das klingt so schön. Aber aus einer Welt des Barock und Biedermeier gekommen, fühlte sich der 16-Jährige wie in einer Mondlandschaft. Immerhin, brotlos blieb die Familie nicht, Kreislers Talente verschafften ihm etliche Jobs im Musik- und Filmgeschäft. Wer Charlie Chaplins Film "Monsieur Verdoux" anschaut, achte auf das gelegentliche Klavierspiel Chaplins: Der Pianist hinter den Kulissen war Kreisler. Aber ewig wollte der hinter den Kulissen nicht bleiben und zog nach New York.

Barpianist in New York

„Es war gar nicht so lustig, die ersten fünf Jahre habe ich bittere Not durchgemacht, habe sehr schwer Engagements bekommen … Es war ein hartes Leben.“
Das Äußerste, was er erreichte, war eine feste Stelle als Barpianist. Zu wenig für ein Multitalent, das Opernpartituren ebenso beherrschte wie die Kunst, makabre Songs zu schreiben.
“Please shoot your husband
Please, kill him dead!”
Erst nach Jahrzehnten wurde der Titel aus der Versenkung gehoben, da war Georg Kreisler längst eine europäische Berühmtheit. Mitte der 50er-Jahre war er zurück nach Wien gegangen.
„Drüben ist der Eichelberger, Gummibänder, Hosenträger. Das hieß früher Blau und Söhne, Herrentrikotage. …“

In der Wiener Künstlerszene

Dort traf er immer noch auf die alten Mentalitäten, aber auch auf eine neue, wache Künstlerszene, die in der berühmten Marietta-Bar Hof hielt. Hier tat er sich zeitweise mit so prägenden Persönlichkeiten zusammen wie Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner, hier konnte seine kabarettistische Begabung gedeihen. Stoff gab es genug. Da war zum Beispiel der allgegenwärtige Herbert von Karajan.
„Karajan dort, Karaja daus
Karajan dort. Karajan da, Karajan dort, Karajan da.
Karajan lacht, Karajan schaut, Karajan denkt, Karajan schläft.“
Kreislers unerschöpflich kreative Lieder ließen den Nonsens blühen; aus dem Fundus des jüdischen Wien entstanden seine "nicht-arischen Arien", der Widerstand gegen bürgerliche Gemütlichkeit äußerte sich im markerschütternd Zynischen.
“Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau
Gehn wir Tauben vergiften im Park!
Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau
Gehn wir Tauben vergiften im Park!“

Politisierte Direktheit statt Kabarett

Es handelt sich hier um eine Travestie über das sogenannte Gold'ne Wienerherz. Das Gold'ne Wienerherz hatte Kreisler im Jahr 1938 kennengelernt.
Er zog wechselnde Wohnorte vor und lange Tourneen, zunächst mit seiner Frau Topsy Küppers. In seinen späten Programmen mit Barbara Peters ließ Kreisler die kabarettistische Vergangenheit hinter sich zugunsten einer politisierten Direktheit, die keine Doppelbödigkeit mehr duldete.
„Ein Politiker hat keine Liebe,
ein Politiker hat seine Macht“
Kreisler, der Verbitterte, der erklärte Anarchist, prangerte an. Das hatte er allerdings immer schon getan, nur raffinierter. Zum Beispiel im Lied vom General, für den sich die ganze Familie schämt.
„Die Mutter weint
die Augen blind
Er spielt Soldat als wär‘ er noch ein kleines Kind
Macht Leuten Angst und schlägt Krawall
Damit man merken soll: Er ist a General“