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Der Politiker Jan Timke
Ein Bremer "Bürger in Wut"

Kurz nach den gewaltsamen Ausschreitungen in Chemnitz Ende August hatten Rechtsextreme einen Haftbefehl gegen einen Tatverdächtigen ins Internet verbreitet. Das ist eine Straftat. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft. Und auch ein Bremer Politiker ist ins Visier der Ermittler geraten.

Von Felicitas Boeselager | 11.10.2018
    Jan Timke, Gründer und Bundesvorsitzende der Wählervereinigung "Bürger in Wut"
    Jan Timke, Gründer und Bundesvorsitzende der Wählervereinigung "Bürger in Wut" (imago / Eckard Stengel)
    Wie kommt es, dass bei einem ehemaligen Polizisten und Landtagsabgeordneten ein strafbarer Inhalt auf der Facebook-Seite landet? Der Haftbefehl gegen zwei Tatverdächtige aus Chemnitz hatte sich schnell im Internet verbreitet: Für jeden lesbar waren die Namen der Verdächtigen, des Opfers, der zuständigen Richterin, der Zeugen. Geteilt wurde das abfotografierte Dokument in den sozialen Netzwerken vor allem von rechten und rechtsextremen Gruppierungen. Und – von Jan Timke. Der Abgeordnete Timke hat dafür keine richtige Erklärung:
    "Ich werde natürlich nicht sagen, wer es war. Weil ich es vielleicht auch gar nicht weiß, bei mehreren Mitarbeitern ist das ja immer so, der eine sagt es, der andere sagt es vielleicht nicht, vielleicht war es auch meine Frau, also das müssen wir alle mal abwarten."
    Abwarten bis die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abgeschlossen hat.
    Jan Timke vermutet eine Kampagne
    Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Haftbefehls hatte es eine Hausdurchsuchung in Timkes Privatwohnung in Bremerhaven gegeben. Timke hatte die Bremer Justiz deswegen scharf kritisiert: Unverhältnismäßig sei das gewesen, beschwert er sich.
    "Dass diese Veröffentlichung den Straftatbestand des Paragraphen 353d Nummer 3 Strafgesetzbuch erfüllt, weil es sich um eine wörtliche Wiedergabe eines amtlichen Dokumentes in einem Strafverfahren handelt, war weder mir noch meinen Mitarbeitern bekannt, zumindest zum Zeitpunkt der Veröffentlichung."
    So Timke in einer Stellungnahme Anfang September. Er habe den Post sofort gelöscht und werde die Verantwortung übernehmen. Inzwischen hat er angekündigt, juristisch gegen die Hausdurchsuchung vorzugehen. Gegenüber der "Nordseezeitung" vergleicht er das Strafmaß für das Teilen des Posts mit dem des Schwarzfahrens. Jan Timke vermutet eine Kampagne gegen ihn und seine Vereinigung "Bürger in Wut", die er 2004 gegründet hat.
    "Der Name ist sicher etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich wollte mit diesem Namen einfach ausdrücken, dass ich mit bestimmten politischen Entwicklungen in unserem Land nicht mehr einverstanden bin und das sollte sich auch im Namen wiederspiegeln."
    Thema Innere Sicherheit als Steckenpferd
    Timke war Polizist, bevor er Berufspolitiker wurde, und so war das Thema Innere Sicherheit von Anfang an sein Steckenpferd.
    "Die Arbeitsverdichtung bei der Polizei und die daraus resultierenden Begleiterscheinungen, wie beispielsweise, dass kaum noch Polizisten auf der Straße sind, dass die Polizei teilweise immense Überstunden vor sich herschiebt, die sie teilweise nicht abbauen kann, oder wenn sie sie abbaut dieses Personal wieder fehlt, hat mich dazu geführt, dass ich sage, ich möchte nochmal politisch tätig werden, grade in diesem Bereich möchte ich was verändern."
    Knapp 400 Mitglieder zählt die Vereinigung, 100 von ihnen im Land Bremen. Seit 2008 sitzen die Bürger in Wut in der Bremischen Bürgerschaft. Inzwischen ist Jan Timke nicht mehr der einzige BiWler in der Bürgerschaft - zwei weitere Abgeordnete sind 2017 zu seiner Gruppe hinzukommen. Andreas Klee, Politikprofessor an der Universität Bremen bewertet die Bürger in Wut als klassische Law and Order Partei – ihre Wähler seien Protestwähler. Über Jan Timke sagt er:
    "Ich glaube er wird wahrgenommen, als jemand, der in der Bremischen Bürgerschaft den Parteien so ein bisschen Dampf macht, sag ich jetzt mal ein bisschen flapsig und das wird honoriert."
    Umtriebig und schillernd nennt Politologe Klee den Mann, der seine Locken mit viel Gel an Ort und Stelle halten will.
    Populist will Timke nicht genannt werden
    Timke will sich allerdings abgrenzen von der anderen rechten Protestpartei, der AfD:
    "Dieses nationalistische, dieser völkische Flügel, dass wir das ablehnen, ich bin ein zutiefst konservativer Mensch, ich lebe auch konservative Werte, ob das im Familienleben ist, oder auch hier im beruflichen Leben und ich lehne Extremismus ab, ich lehne Nationalismus ab, ich lehne auch Linksextremismus natürlich ab."
    Die CDU sei Timke nicht konservativ genug, aber auch eine Kooperation oder gar Fusion mit der AfD käme nicht in Frage, betont er. Das sehen nicht alle BiWler so: Mark Runge, hat aus dem Bundesvorstand der BiW zur Konkurrenz gewechselt, als Begründung sagte er, man müsse die konservativen Kräfte bündeln. Auch Populist will Timke nicht genannt werden:
    "Man kann Dinge mal überspitzt darstellen, man kann auch mal deutlich Dinge sagen, ohne gleich sich den Vorwurf gefallen zu lassen, dass man Populist ist, also Dinge muss man auch mal klar darstellen, aber wenn sie unser Parteiprogramm ansehen und unsere Pressemitteilungen, dann werden sie da nichts populistisches drin finden."
    Andreas Klee zählt die Bürger in Wut inzwischen schon zu den Rechtspopulisten:
    "Also wenn man jetzt aktuell zum Beispiel auf die Homepage geht der Bürger in Wut und klickt auf die Links, dann kommt man ganz schnell zum Beispiel zu Journalisten-Watch und solchen Seiten, also klassische rechtspopulistische Setzungen im Kontext dieser Fake-News, oder alternativen Fakten, wie es genannt wird, wo dann Reihenweise Straftaten von Menschen mit Migrationshintergrund aufgelistet werden und solche Albernheiten, um es mal so zu nennen. Also inzwischen immer mehr Richtung Rechtspopulismus, wahrscheinlich auch aus parteistrategischen Gründen, weil natürlich mit der AfD eine große Konkurrenz aus dem eigenen Lager erwachsen ist."