Sonntag, 28. April 2024

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"Der Wahltag verlief korrekt"

Die EU hat 150 Beobachter zu den Wahlen nach Kenia entsandt. Überwiegend sei alles korrekt verlaufen, bestätigt der Chef der Beobachtermission, Alexander Graf Lambsdorff. Der Kampf zwischen Präsident Kibaki und seinem Herausforderer Odinga sei nicht nur eine Generationen- sondern auch eine Stammesfrage, erläutert der FDP-Politiker die Hintergründe.

Moderation: Jochen Spengler | 29.12.2007
    Jochen Spengler: Am Telefon in Nairobi ist nun einer der Wahlbeobachter, genauer der Leiter der EU-Wahlbeobachter-Mission, der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Guten Morgen Herr Lambsdorff!

    Alexander Graf Lambsdorff: Schönen guten Morgen!

    Spengler: Ist das so, rechnen Sie mit Unruhen, wenn sich die Stimmauszählung weiter hinzieht?

    Graf Lambsdorff: Wir hoffen natürlich, dass es hier nicht zu Unruhen kommt, sondern dass es so friedlich bleibt auch nach der Wahl, wie es am Wahltag selber gewesen ist. Auf der anderen Seite stecken wir in einem gewissen Dilemma hier. Die Wahlkommission will gründlich auszählen, das bedeutet aber auch, dass das Ganze sehr langsam vonstatten geht. Andererseits werden die Menschen langsam ungeduldig und wollen gerne das Ergebnis der Präsidentschaftswahl wissen. In diesem Zwiespalt steckt die Wahlkommission, und wir hoffen wirklich, dass heute im Laufe des Tages es zu einem Ergebnis kommt. Ob das der Fall ist, kann ich Ihnen auch nicht sagen. Wir werden einfach abzuwarten haben, was die Wahlkommission da tut.

    Spengler: Sie haben in einer ersten Stellungnahme von einem überwiegend korrekten Wahlverlauf gesprochen. Was ist das, ein überwiegend korrekter Wahlverlauf, und gibt es auch eine überwiegend korrekte Stimmauszählung? Wir haben ja gerade in dem Bericht von leichten Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung gehört?

    Graf Lambsdorff: Ja, das ist richtig, deswegen sagen wir ja auch überwiegend und nicht vollständig. Diese Äußerung bezog sich auf den Tag der Abstimmung selber. Im Vorfeld, zum Beispiel im Wahlkampf, hat es natürlich Unkorrektheiten gegeben, da gab es ja auch wirklich Gewaltausbrüche mit Todesopfern, was schrecklich war und was wir hier sehr deutlich verurteilt haben. Der Tag der Abstimmung selber war aber sehr gut organisiert, bis in die hintersten Teile des Landes haben unsere Beobachter also keine oder wenige Unregelmäßigkeiten festgestellt. Sicher gab es hier und da mal Probleme, wenn zum Beispiel Analphabeten bei dem Ausfüllen ihrer Wahlzettel geholfen werden musste. Dann geschah das nicht immer ganz genau so, wie es in den Vorschriften steht. Das ist dann also nicht ganz korrekt. Aber unter dem Strich muss man sagen, der Wahltag selber verlief korrekt, und darauf bezog sich die Äußerung.

    Spengler: Man muss ja sagen, dass Kenia ein Land ist, was größer ist als Frankreich. Sie haben 150 EU-Beobachter im Land, und Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie bis in den hintersten Winkel des Landes beobachtet haben. Geht das mit 150 Leuten?

    Graf Lambsdorff: Ja, aber Sie müssen bedenken, dass von diesen 150 Leuten 50 bereits seit vier Wochen und mehr im Land sind. Wir haben Langzeit- und Kurzzeitbeobachter bei der Europäischen Union für solche Missionen. Und die Langzeitbeobachter beobachten eben schon im Vorfeld der Wahl die Vorbereitung, die Schulung der Offiziellen bei der Wahl, der Wahlleiter und ihrer Helfer. Da gibt es schon ein sehr gründliches Lagebild, zumal dann eben kurz vor dem Wahltag noch mal 100 Leute dazukommen, die mit einem sehr guten System – weil die EU macht das ja nicht nur hier in Kenia, sondern in relativ vielen Ländern – mit einem sehr guten System hier die Wahlen beobachten. Da ergibt sich dann schon eine gute Lageanalyse hier des Bildes insgesamt.

    Spengler: Rund 70 Prozent der 14 Millionen Wahlberechtigten sollen an die Urnen gegangen sein. Ist diese doch sehr hohe Wahlbeteiligung ein Zeichen dafür, dass wir es in Kenia mit einer relativ gefestigten Demokratie zu tun haben?

    Graf Lambsdorff: Also die Demokratie in Kenia ist dabei, sich weiter zu festigen, so viel kann man, glaube ich, sagen. Hier gab es eine lange Ein-Parteien-Herrschaft, das Mehrparteiensystem ist noch relativ jung. Die Menschen nehmen deswegen die Demokratie auch nicht einfach als gegeben hin, sondern sind bereit, dafür auch Opfer zu bringen, sich zum Beispiel also vier, fünf Stunden vor einem Wahllokal anzustellen, um ihre Stimme abzugeben. Das ist ein gutes Zeichen. Die Kenianer haben diese Wahl angenommen, und sie sind wirklich mit Geduld, in friedfertiger Atmosphäre und auch sehr wachsam an die Wahlurnen gegangen und haben selber darauf geachtet, dass es möglichst nicht zu Fälschungen kommt.

    Spengler: Wagen Sie eine Prognose, wer gewinnen wird – Präsident Kibaki oder sein Herausforderer, Herr Odinga?

    Graf Lambsdorff: Ja, da muss ich Sie und da muss ich auch die Zuhörer um Nachsicht bitten, das kann ich als neutraler Wahlbeobachter ja hier nicht tun. Wir schauen, was das Ergebnis wird, und wir werden dann den Prozess beurteilen. Aber einen Tipp jetzt abzugeben, das wäre mit meinem Mandat hier als Wahlbeobachter nicht vereinbar.

    Spengler: Aber Sie können uns erläutern, wer wofür steht. Wofür steht der Präsident?

    Graf Lambsdorff: Ja, der Präsident ist noch ein Spross der Befreiungsgeneration, jemand, der eine lange Geschichte in der kenianischen Politik hat, der vor fünf Jahren hier gewählt wurde und wirklich den Menschen den Wechsel versprach. Es gab 2002 in einer Wahl, die wir als relativ positiv eingeschätzt haben, großen Enthusiasmus, als er antrat. Er wollte die Korruption bekämpfen und er steht für Wirtschaftswachstum. Kenia entwickelt sich wirtschaftlich im Moment relativ positiv. Herr Odinga dagegen ist jemand, der sagt, dass die Leistungen der derzeitigen Regierung einfach nicht ausreichen, dass die versprochene Korruptionsbekämpfung nicht stattgefunden hat und dass er jetzt einen Neuanfang bringen möchte mit einer ganz neuen Generation, also nicht mehr so sehr die alte Befreiungsgeneration, die die Unabhängigkeit Kenias erstritten hat, sondern wirklich neue Leute. Das sind die Versprechungen der beiden Kandidaten. Und die Wählerinnen und Wähler mussten also zwischen diesen beiden wählen. Man darf eins nicht vergessen, sie gehören verschiedenen Stämmen an und auch die Stammeszugehörigkeit ist ein ganz entscheidender Faktor bei der Wahl hier in Kenia.

    Spengler: Das heißt, es ist nicht nur eine Generationsfrage?

    Graf Lambsdorff: Es ist nicht nur eine Generationsfrage, es ist auch eine Stammesfrage. Der Präsident gehört dem Stamm der Kikuyu an, das ist der größte Stamm hier, während Herr Odinga ein Luo ist, der zweitgrößte Stamm. Und die Luos haben sich traditionell hier benachteiligt gefühlt. Keiner der Stämme ist wirklich dominierend, auch die Kikuyus sind gerade mal 22 Prozent der Bevölkerung nur. Aber viele Menschen in den Regionen, wo nicht die Kikuyus wohnen, sind der Meinung, jetzt sei es Zeit, auch mal für einen anderen Stamm als die Kikuyus in Kenia zu regieren. Das erhöht die Chancen natürlich des Herausforderers. Ob es reichen wird, das werden wir dann irgendwann sehen, wenn die Wahlkommission das endgültige Ergebnis vorlegt.

    Spengler: Das heißt aber, dass Sie nicht automatisch mit Unruhen rechnen, wenn nun ein Machtwechsel erfolgen sollte?

    Graf Lambsdorff: Nein, keineswegs. Also automatisch mit Unruhen ist hier nicht zu rechnen. Wenn die Wahlkommission professionell und unparteiisch hier ein Ergebnis ermittelt und das auch noch ein klares Ergebnis ist, dann hoffe ich jedenfalls sehr, dass es keine Unruhen gibt. Ausschließen kann man nichts, aber automatisch damit zu rechnen, ist ganz sicher auch nicht.

    Spengler: Vielen Dank, Alexander Graf Lambsdorff, Leiter der EU-Wahlbeobachter in Kenia.