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Der Zauber der versunkenen Schiffe

Die polnische Ostsee wird von immer mehr Besuchern als Dorado fürs Wracktauchen entdeckt. Die meisten Taucher sind vor der Halbinsel Hel und vor Jastarnia unterwegs. Das Meeresamt Gdynia reagiert auf den Trend und gibt immer mehr Wracks zum Tauchen frei.

Von Katarzyna Tuszynska |
    Mariusz Węgrzynowski aus Danzig sitzt auf der Bank eines Fischkutters. Obwohl das Thermometer an diesem Märzvormittag lediglich zwei Grad anzeigt, trägt der 50-Jährige nur einen Taucheranzug. Die Sauerstoffflaschen hat er bereits auf seinen Rücken geschnallt. Mariusz Węgrzynowski ist einer von zahlreichen Wracktauchern, und heute zieht es ihn wieder einmal auf den Grund der Ostsee. Sie ist heute glatt - ideale Bedingungen, wie Mariusz Węgrzynowski betont, während ihn der Kutter vom Ort Hel hinaus aufs offene Meer schippert.

    "Ich habe mich ins Tauchen verliebt, als ich das erste Mal mit dieser ganzen Ausrüstung im Wasser war. Da unten bin ich frei, ich liebe die Stille da unten."

    Heute hat es Mariusz Węgrzynowski das Wrack mit der Nummer K-18 angetan. Als er sank trug es den Namen "Brise". Die "Brise" wurde im vergangenen Sommer in rund 20 Metern Tiefe unweit des Hafens von Hel auf dem Meeresboden als eine touristische Attraktion planmäßig versenkt. Allein in den ersten Tagen danach besuchten etwa 2000 Taucher die Stelle. Die "Brise" ist eines der Schiffe in der Gegend um Danzig, die zum Wracktauchen freigegeben sind. Janusz Gęstwicki vom Meeresamt in Gdynia blättert in seinen Unterlagen:

    "Es sind neulich 40 Wracks. Dort ist das Tauchen möglich. Eine Anmeldung beim Hafenmeister genügt, weitere Genehmigungen sind nicht notwendig."
    Geht es nach den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, soll dieser Teil der polnischen Ostseeküste besonders für Wracktaucher aus dem Ausland ein Dorado werden. Die Tauchsafaris erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, ihre Zahl hat sich in den vergangenen Jahren von 680 Erkundungen im Jahr 2006 auf 1503 Expeditionen 2009 mehr als verdoppelt. Gleichwohl ist den Froschmännern und -frauen nicht alles erlaubt. Denn in der polnischen Ostsee sind auch Schiffe versunken, bei denen es streng verboten ist, dorthin zu tauchen. Es sind die Wracks der "Wilhelm Gustloff", der "Steuben" und der "Goya". Wer dort ins Wasser springt, verstößt gegen das, was in Deutschland "Störung der Totenruhe" heißt.
    Tadeusz Gruchalla, Sprecher der Maritimen Abteilung des polnischen Grenzschutzes in Danzig, weist auf ein Motorboot, das gerade den Hafen verlässt. Tag und Nacht werde das Gebiet mit Kameras und per Radar überwacht, erklärt Gruchalla:
    "Wir nahmen Deutsche und Niederländer fest, die ohne Genehmigung zur "Wilhelm Gustloff” hinabgetaucht waren. Gegen sie wurde ein Strafverfahren eröffnet."

    Nur einem ganz kleinen Kreis wird es erlaubt, zu den Wracks der "Wilhelm Gustloff”, der "Steuben” und der "Goya” hinab zu tauchen. Meistens sind es Wissenschaftler. Eine von ihnen ist Iwona Pomian vom Maritimen Museum in Danzig. Sie untersuchte das Wrack von der Wilhelm Gustloff.
    "Es sind wirklich riesige Friedhöfe, die menschlichen Überreste türmen sich in mehreren Schichten übereinander. Dorthin können auf keinen Fall Tauchtouren organisiert werden."
    Inzwischen kehrt Mariusz Węgrzynowski am Strand von Hel fröhlich von seinem Tauchgang zurück.

    Die Besichtigung des Kutters "Brise” habe sich gelohnt, allerdings nur von außen. Trotz seiner 15-jährigen Erfahrung traut sich Mariusz Węgrzynowski noch immer nicht, in ein Wrack hinein zu tauchen, gibt er zu:
    "Man weiß nie, was einen darin erwartet. Man kann zum Beispiel durch aufgewirbelten Schlamm die Orientierung verlieren und findet den Weg hinaus nicht mehr. Die größte Bedrohung aber sind Fischernetze. Sie lassen sich unter Wasser nämlich noch schwerer entwirren als an Land. Hinzu kommen Nervosität, Stress und eventuell Panik des Tauchers. Das kann dann sehr schnell zu einem Unfall führen."
    Um Fehler zu vermeiden, hat Mariusz einen Tauchkurs besucht. Allein in Danzig, Zopot und Gdingen gibt es rund zehn Tauchzentren, zig weitere befinden sich an der Halbinsel Hel und an der Ostseeküste. Die meisten von ihnen bieten auch Kurse speziell zum Wracktauchen an.