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Dermatologie
Möglichkeiten und Grenzen der Telemedizin

Für die junge Generation ist Videotelefonie völlig normal, doch in der Medizin findet diese Technik in der Regel keine Verwendung. Telemedizin in der Arztpraxis ist noch eine Zukunftsvision. Einen Vorstoß machen jetzt die Dermatologen. Sie befürchten, dass sich besonders im ländlichen Raum bald eine Lücke auftun wird.

Von Christina Sartori | 05.05.2015
    Eine Frau fotografiert mit der App "Goderma" ein Muttermal.
    Eine Frau fotografiert ein Muttermal. Dann könnte ein Hautarzt auch aus der Ferne draufschauen. (dpa / Daniel Naupold)
    Eigentlich ist die Situation in Deutschland derzeit sehr gut, für Hautärzte und ihre Patienten, sagt Prof. Roland Kaufmann, Präsident der deutschen dermatologischen Gesellschaft:
    "Die Hautärzte in Deutschland sind in den Großstädten, kann man sagen, flächendeckend vorhanden, auch in peripheren Regionen. Und die Situation für die Patienten ist im Vergleich zum europäischen Ausland, eher privilegiert."
    Ein Problem gibt es aber: "Also der Bedarf steigt, der Bedarf ist enorm und das führt dann eben auch dazu, dass lange Wartezeiten existieren."
    Dieser Bedarf an Terminen beim Hautarzt wird weiter steigen, unter anderem weil die Bevölkerung immer älter wird. Denn mit dem Alter steigt die Zahl der Hautprobleme, zum Beispiel der Hautkrebsfälle. Gleichzeitig möchten immer weniger Ärzte auf dem Land arbeiten, bedauert Professor Roland Kaufmann:
    "Der Trend ist hin zu Praxen in größeren Gemeinden oder größeren Städten, hin zu Praxen in Gemeinschaft mit anderen Kollegen, hin zum Teil auch zu Teilzeitmodellen in der Arbeitszeitplanung."
    Zwei Anwendungen sind besonders geeignet
    Um zu verhindern, dass sich die Versorgung mit Hautärzten in ländlichen Gebieten in den kommenden Jahren deutlich verschlechtert, sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Eine davon ist die Telemedizin. Sie könnte ermöglichen, dass in Zukunft Patienten auf dem Land sich weite Wege zum Arzt in die Stadt ersparen können. Dr. Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbandes der deutschen Dermatologen, hat daran keine Zweifel:
    "Davon bin ich fest überzeugt. Sicherlich nicht für alle Fälle. Voraussetzung ist, dass der Patient dem Arzt bekannt ist, dass er seine Anamnese, seine Lebensumstände kennt."
    Denkbar sind vor allem zwei telemedizinische Anwendungen für Hautärzte: Zum einen kann ein Patient über eine Handy-App seinem Arzt ein Foto von der Hauterkrankung schicken. Später antwortet der Arzt dann dem Patienten und teilt ihm seine Einschätzung mit.
    Die zweite Möglichkeit ist eine Videosprechstunde: Wie beim Skypen können Patient und Arzt miteinander reden und sich dabei sehen – natürlich muss das in einem geschützten Bereich geschehen, betont Dr. Klaus Strömer:
    "Und dann hat man eben visuelle und Audio-Kontakte mit dem Arzt und kann vieles an der Stelle besprechen - in der Nachversorgung, bei Nachfragen zu Medikamenten. Nicht für jeden Inhalt ist dann der Weg zum Arzt erforderlich."
    Strömer, der in Mönchengladbach als Hautarzt und Allergologe arbeitet, hält Videosprechstunden nicht für ferne Zukunftsmusik, sondern für eine Technik, die bald schon angewendet werden wird.
    "Also sagen wir, es wird in der nahen Zukunft möglich sein. Wir haben in der zweiten Hälfte diesen Jahres einen Pilotversuch, den wir aller Voraussicht nach mit einer großen bundesweit tätigen Krankenkasse gemeinsam initiieren, wo wir dann die Kinderkrankheiten ausräumen wollen. Und ich hoffe, dass wir dann zum ersten Halbjahr des nächsten Jahres solche Videosprechstunden von der technischen Seite her in der Versorgung anbieten können."
    Einige Hindernisse wird es allerdings noch geben auf diesem Weg: Es bleibt abzuwarten, ob Patienten eine Videosprechstunde als praktisch empfinden – oder als zu unpersönlich ablehnen. Ärzte müssten erst einmal Geld investieren, um die neue Technik anbieten zu können. Und außerdem kann auch in der Dermatologie nicht jede Diagnose nur per Video oder Foto erstellt werden.
    "Manchmal brauch ich auch andere Sinne, ich muss die Hautveränderungen tasten, manchmal muss ich sie sogar riechen, also Infektionen kann man manchmal riechen – da geht es nicht. Auch beim Hautkrebs ist es sehr kritisch, das ist eher ein Feld wo das geschulte Auge des Arztes wirklich sich in der realen Welt alle Details anschauen muss, da wird ein Foto niemals ausreichen. Ich sag mal: Auch in einem Zeitraum von den nächsten fünf Jahren werden es maximal fünf Prozent der dermatologischen Fälle sein, die man über Telemedizin seriös bearbeiten kann."
    Letztendlich müssen auch noch juristische Fragen geklärt werden, zum Beispiel haftungsrechtliche Aspekte. Doch davon will Dr. Klaus Strömer sich nicht bremsen lassen:
    "Das kann man nicht abwarten, sondern da muss man auch ein Stück weit Pionierarbeit leisten. Und das ist jetzt hohe Zeit das wir uns an das Thema heran begeben."