Martin Zagatta: Wie man es auch dreht und wendet, auf die Versicherten werden deutlich höhere Ausgaben zukommen, wenn das vorgesehene Gesetz zur Reform des Gesundheitswesens in Kraft tritt. Das Bundeskabinett hat den Entwurf dafür gerade gebilligt.
Wir sind nun mit Stefan Etgeton verbunden, der beim Bundesverband der Verbraucherzentralen für die Gesundheitspolitik zuständig ist. Guten Tag, Herr Etgeton.
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.
Zagatta: Herr Etgeton, wenn man hört, wie sehr diese Reform jetzt aus dem Arbeitgeberlager, aber auch mit ganz gegensätzlichen Argumenten von der Opposition kritisiert wird, dann deutet das doch darauf hin, dass Herr Rösler vielleicht einen guten Mittelweg gefunden hat. Können Sie sich dem aus Verbrauchersicht anschließen?
Etgeton: Was die kurzfristigen Maßnahmen für 2011 anbelangt, kann ich mich dem anschließen. Das ist einigermaßen ausgewogen. Es geht ja darum, ein Defizit von 11 Milliarden auszugleichen. Da sind die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer mit jeweils 0,3 Prozent dabei, der Steuerzahler mit zwei Milliarden, Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaindustrie, Apotheken müssen auch ihren Beitrag leisten. Das ist einigermaßen ausbalanciert.
Anders sieht es aus, wenn ich über 2011 hinausschaue. Da wird es ja so sein, dass der Arbeitgeberbeitrag festgeschrieben ist und alle weiteren Kostenanstiege im Gesundheitswesen werden dann auf Kosten der Versicherten nur noch sein. Das heißt, die Versicherten werden das über ihren Zusatzbeitrag bezahlen müssen, und dann greift irgendwann der Sozialausgleich und da sind es dann die Steuerzahler.
Zagatta: Aber ist das nicht auch logisch, allein wenn man rechnet, wir werden älter, die Krankenversicherung beziehungsweise die Leistungen werden teurer. Muss man dann nicht mehr zahlen oder Leistungen einschränken? Da führt doch eigentlich auch für den Verbraucher kein Weg daran vorbei.
Etgeton: Das ist richtig, wobei der medizinische Fortschritt ja nicht nur zu teureren Leistungen führt, sondern er führt manchmal auch dazu, dass Dinge eingespart werden. Das zeigt sich zum Beispiel bei guten Arzneimitteln, dass man dadurch Krankenhauseinweisungen einsparen kann. Also es ist nicht per se der technische Fortschritt immer teurer. Aber im Prinzip ist es schon richtig: in einer älter werdenden Gesellschaft werden wir mehr für Gesundheitsleistungen ausgeben müssen. Dazu sind die Leute auch bereit; das zeigen alle Umfragen. Die Mehrheit der Leute ist bereit, mehr zu zahlen, eher jedenfalls als Leistungen zu streichen. Es ist für sie aber auch wichtig, dass diese Lasten gerecht verteilt werden, und da kann man sich schon fragen, ob nicht Arbeitgeber - das ist unser Sozialstaatsmodell - weiterhin an den Gesundheitslasten beteiligt werden sollen. Sie fehlen dann auch als wichtige Lobbygruppe, um für mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit im System zu sorgen.
Zagatta: Aber das ist ja das Modell der Bundesregierung, dass sie Arbeit nicht noch weiter verteuern will. Wenn man da die absehbar teureren Krankenkassenleistungen noch draufpackt, ist das nicht sinnvoll, das dann wirklich über Steuern zu lösen?
Etgeton: Das ist sinnvoll, das kann man machen. Man kann sagen, den Einkommensausgleich, den wir bisher über die Beiträge organisieren, machen wir über das Steuersystem. Dazu hat ja Herr Schäuble einen Vorschlag gemacht, so eine Art Gesundheitssoli einzuführen, oder den bestehenden Soli in einen Gesundheitssoli zu überführen.
Zagatta: ... ist aber damit gescheitert.
Etgeton: Ist leider damit gescheitert, muss ich sagen, weil das wäre eine solide Finanzierung. Es wäre eine Finanzierung, die auch eine gewisse Absicherung hat vor den jährlichen Begehrlichkeiten in der Haushaltspolitik, in der Haushaltsdebatte. Und es wäre eine gerechte Lösung, weil den Soli zahlen alle nach ihren Einkünften, auch unterschiedliche Einkunftsarten werden herangezogen und man könnte so eine dritte Säule neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung aufbauen. Leider ist er damit gescheitert. Derzeit ist völlig unklar, wie der Sozialausgleich finanziert werden soll. Es wird diesen einkommensunbezogenen Zusatzbeitrag geben, der zunächst einmal dazu führt, dass die mit den ganz hohen Einkommen entlastet werden und die mit den ganz niedrigen Einkommen bekommen dann den Sozialausgleich und die dazwischen liegen, die werden hauptsächlich belastet.
Zagatta: Bei den Zuzahlungen verspricht sich ja das Ministerium oder die Bundesregierung, dass das zu mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen führt, dass die Kosten deshalb auch niedriger ausfallen. Glauben Sie daran?
Etgeton: Es wird so sein, dass die Kassen sich stärker über diesen Zusatzbeitrag unterscheiden. Derzeit gibt es ja nur wenige, die einen Zusatzbeitrag erheben, das ist richtig. Da haben wir mehr Preiswettbewerb. Allerdings muss man den Krankenkassen dann auch die Instrumente an die Hand geben, ihre Kosten selber bestimmen zu können. Das ist in weiten Teilen nicht der Fall. Sie müssen mit kassenärztlichen Vereinigungen Verträge machen, sie müssen mit den Krankenhäusern Verträge machen, die im Landeskrankenhausplan aufgelistet sind. Sie haben keine Einflüsse, zum Beispiel selektive Verträge zu machen, also sich die Häuser auszusuchen. Das macht es natürlich schwer für Krankenkassen, wirklich ihre Ausgaben selber zu bestimmen.
Zagatta: Was raten Sie jetzt den Betroffenen, den gesetzlich Versicherten, oder auch Rentnern, die sich an Sie wenden? Raten Sie zu einem Kassenwechsel, oder wie sollen die Verbraucher jetzt aus Ihrer Sicht reagieren?
Etgeton: Erst mal ist mit zusätzlichen Zusatzbeiträgen in 2011 nicht zu rechnen. Das wird Klarheit sein. Insofern ist ein Kassenwechsel aus finanziellen Gründen erst mal nicht sinnvoll. Die Beitragsanhebungen, die ab 1. 1. 2011 gelten, lösen kein Sonderkündigungsrecht aus, weil es ja für alle Kassen gleich gilt. Ab 2012, wenn dann die Zusatzbeiträge kommen, dann sollte man sich die Kasse genau anschauen: Ist man zufrieden mit der Leistung - das ist auch eine wichtige Frage -, aber natürlich auch schauen, was kostet mich eine Krankenkasse.
Zagatta: Danke schön! - Das war Stefan Etgeton, der Bereichsleiter Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Etgeton: Bitte sehr.
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Wir sind nun mit Stefan Etgeton verbunden, der beim Bundesverband der Verbraucherzentralen für die Gesundheitspolitik zuständig ist. Guten Tag, Herr Etgeton.
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.
Zagatta: Herr Etgeton, wenn man hört, wie sehr diese Reform jetzt aus dem Arbeitgeberlager, aber auch mit ganz gegensätzlichen Argumenten von der Opposition kritisiert wird, dann deutet das doch darauf hin, dass Herr Rösler vielleicht einen guten Mittelweg gefunden hat. Können Sie sich dem aus Verbrauchersicht anschließen?
Etgeton: Was die kurzfristigen Maßnahmen für 2011 anbelangt, kann ich mich dem anschließen. Das ist einigermaßen ausgewogen. Es geht ja darum, ein Defizit von 11 Milliarden auszugleichen. Da sind die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer mit jeweils 0,3 Prozent dabei, der Steuerzahler mit zwei Milliarden, Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaindustrie, Apotheken müssen auch ihren Beitrag leisten. Das ist einigermaßen ausbalanciert.
Anders sieht es aus, wenn ich über 2011 hinausschaue. Da wird es ja so sein, dass der Arbeitgeberbeitrag festgeschrieben ist und alle weiteren Kostenanstiege im Gesundheitswesen werden dann auf Kosten der Versicherten nur noch sein. Das heißt, die Versicherten werden das über ihren Zusatzbeitrag bezahlen müssen, und dann greift irgendwann der Sozialausgleich und da sind es dann die Steuerzahler.
Zagatta: Aber ist das nicht auch logisch, allein wenn man rechnet, wir werden älter, die Krankenversicherung beziehungsweise die Leistungen werden teurer. Muss man dann nicht mehr zahlen oder Leistungen einschränken? Da führt doch eigentlich auch für den Verbraucher kein Weg daran vorbei.
Etgeton: Das ist richtig, wobei der medizinische Fortschritt ja nicht nur zu teureren Leistungen führt, sondern er führt manchmal auch dazu, dass Dinge eingespart werden. Das zeigt sich zum Beispiel bei guten Arzneimitteln, dass man dadurch Krankenhauseinweisungen einsparen kann. Also es ist nicht per se der technische Fortschritt immer teurer. Aber im Prinzip ist es schon richtig: in einer älter werdenden Gesellschaft werden wir mehr für Gesundheitsleistungen ausgeben müssen. Dazu sind die Leute auch bereit; das zeigen alle Umfragen. Die Mehrheit der Leute ist bereit, mehr zu zahlen, eher jedenfalls als Leistungen zu streichen. Es ist für sie aber auch wichtig, dass diese Lasten gerecht verteilt werden, und da kann man sich schon fragen, ob nicht Arbeitgeber - das ist unser Sozialstaatsmodell - weiterhin an den Gesundheitslasten beteiligt werden sollen. Sie fehlen dann auch als wichtige Lobbygruppe, um für mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit im System zu sorgen.
Zagatta: Aber das ist ja das Modell der Bundesregierung, dass sie Arbeit nicht noch weiter verteuern will. Wenn man da die absehbar teureren Krankenkassenleistungen noch draufpackt, ist das nicht sinnvoll, das dann wirklich über Steuern zu lösen?
Etgeton: Das ist sinnvoll, das kann man machen. Man kann sagen, den Einkommensausgleich, den wir bisher über die Beiträge organisieren, machen wir über das Steuersystem. Dazu hat ja Herr Schäuble einen Vorschlag gemacht, so eine Art Gesundheitssoli einzuführen, oder den bestehenden Soli in einen Gesundheitssoli zu überführen.
Zagatta: ... ist aber damit gescheitert.
Etgeton: Ist leider damit gescheitert, muss ich sagen, weil das wäre eine solide Finanzierung. Es wäre eine Finanzierung, die auch eine gewisse Absicherung hat vor den jährlichen Begehrlichkeiten in der Haushaltspolitik, in der Haushaltsdebatte. Und es wäre eine gerechte Lösung, weil den Soli zahlen alle nach ihren Einkünften, auch unterschiedliche Einkunftsarten werden herangezogen und man könnte so eine dritte Säule neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung aufbauen. Leider ist er damit gescheitert. Derzeit ist völlig unklar, wie der Sozialausgleich finanziert werden soll. Es wird diesen einkommensunbezogenen Zusatzbeitrag geben, der zunächst einmal dazu führt, dass die mit den ganz hohen Einkommen entlastet werden und die mit den ganz niedrigen Einkommen bekommen dann den Sozialausgleich und die dazwischen liegen, die werden hauptsächlich belastet.
Zagatta: Bei den Zuzahlungen verspricht sich ja das Ministerium oder die Bundesregierung, dass das zu mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen führt, dass die Kosten deshalb auch niedriger ausfallen. Glauben Sie daran?
Etgeton: Es wird so sein, dass die Kassen sich stärker über diesen Zusatzbeitrag unterscheiden. Derzeit gibt es ja nur wenige, die einen Zusatzbeitrag erheben, das ist richtig. Da haben wir mehr Preiswettbewerb. Allerdings muss man den Krankenkassen dann auch die Instrumente an die Hand geben, ihre Kosten selber bestimmen zu können. Das ist in weiten Teilen nicht der Fall. Sie müssen mit kassenärztlichen Vereinigungen Verträge machen, sie müssen mit den Krankenhäusern Verträge machen, die im Landeskrankenhausplan aufgelistet sind. Sie haben keine Einflüsse, zum Beispiel selektive Verträge zu machen, also sich die Häuser auszusuchen. Das macht es natürlich schwer für Krankenkassen, wirklich ihre Ausgaben selber zu bestimmen.
Zagatta: Was raten Sie jetzt den Betroffenen, den gesetzlich Versicherten, oder auch Rentnern, die sich an Sie wenden? Raten Sie zu einem Kassenwechsel, oder wie sollen die Verbraucher jetzt aus Ihrer Sicht reagieren?
Etgeton: Erst mal ist mit zusätzlichen Zusatzbeiträgen in 2011 nicht zu rechnen. Das wird Klarheit sein. Insofern ist ein Kassenwechsel aus finanziellen Gründen erst mal nicht sinnvoll. Die Beitragsanhebungen, die ab 1. 1. 2011 gelten, lösen kein Sonderkündigungsrecht aus, weil es ja für alle Kassen gleich gilt. Ab 2012, wenn dann die Zusatzbeiträge kommen, dann sollte man sich die Kasse genau anschauen: Ist man zufrieden mit der Leistung - das ist auch eine wichtige Frage -, aber natürlich auch schauen, was kostet mich eine Krankenkasse.
Zagatta: Danke schön! - Das war Stefan Etgeton, der Bereichsleiter Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Etgeton: Bitte sehr.
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