Dirk Müller: Mehr Netto vom Brutto, mit diesem Versprechen war zumindest die FDP angetreten in der neuen schwarz-gelben Koalition vor einem Jahr, nach ihrem furiosen Wahlsieg. Inzwischen hat sich einiges geändert. Es soll eine Luftverkehrssteuer geben, eine Brennelementesteuer, Kürzungen bei den Beamten und so weiter. Auch die Gesundheitsreform kann mit diesem Slogan "Mehr Netto" nicht wirklich gemeint sein, denn alles wird nach den Plänen, die Minister Philipp Rösler heute ins Bundeskabinett einbringt, wieder einmal teurer. Die Beitragssätze für die Krankenversicherung werden steigen. Dazu kommt: Weitere Beitragssteigerungen darüber hinaus wird es nur geben für die Arbeitnehmer, nicht aber für die Arbeitgeber, das Ende der paritätischen Finanzierung. Auch die Zusatzbeiträge könnten demnächst doppelt so viel betragen wie bislang.
Am Telefon begrüße ich nun Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
Jens Spahn: Hallo, Herr Müller.
Müller: Herr Spahn, wollen Sie wirklich der Totengräber der Parität sein?
Spahn: Es geht nicht darum, Totengräber zu sein, sondern darum, steigende Gesundheitskosten in einer Gesellschaft, die älter wird und die vor allem medizinischen Fortschritt will, denn die Kosten steigen ja nicht etwa beim Hustensaft, sondern insbesondere für Krebsmedikamente und für neue Diagnostika, die auf den Markt kommen. Wer medizinischen Fortschritt will, der muss den Menschen ehrlich sagen, es wird teurer. Und da wir gesagt haben, wir wollen nicht, dass steigende Gesundheitskosten die Arbeitskosten belasten, ist es richtig, diese beiden Dinge nun voneinander zu entkoppeln.
Müller: Das ist ein Tabubruch in der Geschichte der Bundesrepublik. Warum machen Sie da mit?
Spahn: Tabubruch ist es nicht ganz. Es war zum Beispiel Ulla Schmidt als SPD-Ministerin, die den ersten Schritt gegangen ist, die gesagt hat, Krankengeld und Zahnersatz gliedern wir aus, deswegen müssen die Arbeitnehmer 0,9 Prozent mehr zahlen als die Arbeitgeber, das wurde bereits vor einigen Jahren gemacht und da hat Ulla Schmidt bereits richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir Arbeitskosten in Deutschland entlasten müssen, und diesen Schritt setzen wir nun fort. Ich finde, entscheidend ist aber, dass es einen Sozialausgleich aus Steuermitteln gibt, der auch gerechter ist als das, was wir heute haben, weil Steuern zahlen alle, Steuern zahlen im Übrigen auch Unternehmen, und zwar nach Leistungsfähigkeit, und wir gehen eigentlich sogar einen Schritt, finde ich, in eine gerechtere Finanzierung, als wir sie heute haben.
Müller: Dann machen Sie das doch für alle, eine steuerfinanzierte Kompensation.
Spahn: Was meinen Sie jetzt mit "für alle"?
Müller: Sie haben ja davon geredet, dass es Steuerzuschüsse gibt für diejenigen, die sich das nicht leisten können. Was ist mit der breiten Mittelschicht?
Spahn: Nun, wir haben – das ist ja in allen anderen Systemen auch so – natürlich eine Überforderungsklausel sozusagen darin. Niemand soll mehr als zwei Prozent seines Einkommens für diesen Zusatzbeitrag ausgeben müssen. Das ist übrigens ein Fortschritt zur Situation heute, wo ja bis zu acht Euro genommen werden können ohne jegliche Einkommensprüfung, was insbesondere für niedrige Einkommen, niedrige Renten ein Problem ist. Aber die ehrliche Botschaft an die Menschen ist: Gesundheit wird teurer, und das können wir auch mit keiner Reform irgendwie wegreformieren, weil medizinischer Fortschritt, weil die Alterung der Gesellschaft ihren Preis hat. Deswegen wird es natürlich auch zu zusätzlichen Belastungen kommen. Schon Helmut Schmidt, der ehemalige Bundeskanzler, hat gesagt, wir werden mehr für Gesundheit und weniger für Mallorca ausgeben können. Das ist zugespitzt, aber im Kern doch richtig.
Müller: Das tun wir ja auch jedes Jahr seitdem. – Wenn wir noch einmal auf die Arbeitgebersituation zurückkommen. Sie sagen, alles wird teurer, die Medikamente, die Behandlungsmethoden werden immer kostspieliger. Warum haben die Arbeitgeber dann nichts mehr damit zu tun?
Spahn: "Nichts mehr" stimmt ja jetzt im ersten Schritt schon mal nicht, weil wir kehren zurück zu 15,5, dem alten Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung, bei dem natürlich auch die Arbeitgeber mit im Boot sind und die Hälfte mittragen.
Müller: Danach ist aber Schluss?
Spahn: Danach schreiben wir den Arbeitgeberbeitrag fest. Das ist auch lange diskutiert in der Politik, ich glaube im Kern richtig, um eben die Arbeitskosten von den steigenden Gesundheitskosten zu entlasten. Dann muss man aber – und das ist eben das wichtige Neue, was wir machen – auch den Schritt tun, dass man einen Sozialausgleich macht, der steuerfinanziert ist und der insbesondere geringere und auch geringere mittlere Einkommen entlastet. Aber ich bleibe dabei: Die Wahrheit ist, Gesundheit wird teurer.
Müller: Aber die CDU hat jetzt und auch die Union zu verantworten – vielleicht würden Sie das unterschreiben, wenn man das so formuliert -, dass die Arbeitnehmer, die Versicherten demnächst aufgrund der Gesundheitsreform weniger Geld im Portemonnaie haben?
Spahn: Natürlich bleibt am Ende netto weniger über, das ist auch die Wahrheit an der Stelle. Wenn Sie beides zusammen nehmen, dass es teurer wird, weil wir medizinischen Fortschritt haben, weil wir alle gemeinsam älter werden, was ja erst mal was Positives ist, dann ist der Umkehrschluss natürlich, dass dann weniger Netto übrig ist. Aber ich finde – und ich nehme das auch aus vielen Veranstaltungen vor Ort bei mir daheim etwa im Münsterland mit -, dass die Menschen auch bereit sind, wenn sie wissen, dass das eben der medizinische Fortschritt ist, der das Geld kostet, und das Versprechen einer guten flächendeckenden Versorgung, nicht nur in der großen Stadt, sondern auch auf dem Land, dass da auch eine Bereitschaft ist, dieses Mehr zu bezahlen.
Müller: Konnten Sie bei den Arzneimitteln nicht mehr sparen?
Spahn: Wir sparen im nächsten Jahr bei den Arzneimitteln über alle Vertriebsstufen, also auch Großhandel und Apotheken, zwei Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe. Wir werden zudem zum 1.1. das System ändern, dass nicht mehr bei neuen Arzneimitteln einseitig die Pharmaindustrie die Preise festlegen kann. Darüber wird seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in Deutschland diskutiert, und es ist nun eine Koalition aus Union und FDP, die das endlich umsetzt. Also bei den Arzneimitteln gehen wir ziemlich ran, und das ist auch richtig, das ist gewollt, aber ich finde, das muss auch mal anerkannt werden.
Müller: Stimmt das denn, dass die Pharmaindustrie selbst diese konkreten Vorschläge gemacht hat, wo zu sparen ist?
Spahn: Nein, das stimmt definitiv nicht. Im Gegenteil: Sie sind eher überrascht und ein wenig erschrocken gewesen, dass es nun ein FDP-Minister mit Unterstützung der Union ist, der da so hart rangeht. Das haben wir gemeinsam auf den Weg gebracht und das werden wir jetzt auch zum 1.1. neben der Gesundheitsreform in Kraft setzen, das Ende der Mondpreise im Grunde bei den Arzneimitteln in Deutschland.
Müller: War das, Herr Spahn, eine große Fehlleistung der Politik in den vergangenen Jahrzehnten, dass in Deutschland per se die Medikamente am teuersten sind?
Spahn: Es war der Versuch – und das wollen wir auch in Zukunft schaffen -, den Menschen einen direkten Zugang zu Innovationen, zu neuen Arzneimitteln zu geben. Das gibt es nicht in vielen Ländern auf der Welt anders herum, dass direkt nach Zulassung eines neuen Arzneimittels dieses auch erstattet wird in den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen. Das war in Deutschland bisher so, das soll auch so bleiben, und wir wollen eben den Spagat schaffen zwischen Innovation, direktem Zugang zu Innovationen und bezahlbaren Arzneimitteln, und es ist da sicherlich in der Vergangenheit vielleicht manches nicht direkt umgesetzt worden, ist lange diskutiert worden, im Übrigen auch gerade zu Zeiten der SPD lange diskutiert worden, und wir setzen es jetzt endlich auch mit der notwendigen Härte gegenüber der Pharmaindustrie um.
Müller: Vielleicht, um das mal konkreter zu fragen, Herr Spahn: Wenn man sich hier Aspirin kauft, dann ist das immer noch dreimal so teuer wie in den USA. Muss das sein?
Spahn: Wir müssen ja immer schauen, was wird miteinander verglichen. Bei uns beinhalten die Apothekenabgabepreise, die Verkaufspreise eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Das ist in vielen anderen Ländern nicht der Fall. Darüber kann man diskutieren, aber ich finde, dann muss man auch eine Gegenfinanzierung haben. Einfach ein Loch bei Herrn Schäuble, dem Finanzminister zu reißen, würde da nicht reichen. Und zum Zweiten: Gerade Aspirin ist ein Beispiel dafür, da sind die Preise im Grunde freigegeben. Da gibt es keine Vorschriften mehr, wie der Preis zu sein hat, und da können Sie im Grunde mit Ihrem Apotheker wie bei jedem anderen Einkauf auch über den Preis verhandeln. Nur machen das viel zu wenige heute und deswegen gehen die Preise da nicht so runter.
Müller: Aber ist nicht das Problem, dass das nur beim Apotheker geht?
Spahn: Arzneimittel sind schon ein besonderes Gut.
Müller: Aber wir reden ja von den nicht Verschreibungspflichtigen.
Spahn: Ja, aber nichtsdestotrotz haben auch nicht Verschreibungspflichtige Nebenwirkungen. Auch Aspirin sollte man nicht in unbegrenzten Mengen zu sich nehmen, das ist was anderes als Kaugummi. Deswegen sagen wir ganz bewusst, Arzneimittel müssen auch in Apotheken, ausschließlich in Apotheken abgegeben werden, um auch deutlich zu machen, Arzneimittel sind ein besonderes Gut, bei dem auch Vorsicht angesagt ist. Das kann man nicht einfach so schlucken.
Müller: Bis 2014, hat der Minister gesagt, werden die Beiträge weiter steigen. Müssen wir uns darauf einrichten?
Spahn: Die Wahrheit ist – das habe ich ja gerade schon gesagt -, dass Gesundheit teurer wird. Deswegen werden natürlich auch in den nächsten Jahren die Beiträge Schritt für Schritt steigen. Der Unterschied ist eben, dass die künftigen Kostensteigerungen insbesondere beim Zusatzbeitrag liegen werden, und deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt den nächsten Schritt machen – den konnten wir in der Großen Koalition leider nicht tun -, dass wir die auch steuerfinanziert sozial ausgleichen, damit insbesondere niedrige Einkommen nicht überfordert werden. Aber es bleibt die Wahrheit sozusagen unseres Gespräches hier: Gesundheit wird teurer.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Spahn: Gerne!
Am Telefon begrüße ich nun Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
Jens Spahn: Hallo, Herr Müller.
Müller: Herr Spahn, wollen Sie wirklich der Totengräber der Parität sein?
Spahn: Es geht nicht darum, Totengräber zu sein, sondern darum, steigende Gesundheitskosten in einer Gesellschaft, die älter wird und die vor allem medizinischen Fortschritt will, denn die Kosten steigen ja nicht etwa beim Hustensaft, sondern insbesondere für Krebsmedikamente und für neue Diagnostika, die auf den Markt kommen. Wer medizinischen Fortschritt will, der muss den Menschen ehrlich sagen, es wird teurer. Und da wir gesagt haben, wir wollen nicht, dass steigende Gesundheitskosten die Arbeitskosten belasten, ist es richtig, diese beiden Dinge nun voneinander zu entkoppeln.
Müller: Das ist ein Tabubruch in der Geschichte der Bundesrepublik. Warum machen Sie da mit?
Spahn: Tabubruch ist es nicht ganz. Es war zum Beispiel Ulla Schmidt als SPD-Ministerin, die den ersten Schritt gegangen ist, die gesagt hat, Krankengeld und Zahnersatz gliedern wir aus, deswegen müssen die Arbeitnehmer 0,9 Prozent mehr zahlen als die Arbeitgeber, das wurde bereits vor einigen Jahren gemacht und da hat Ulla Schmidt bereits richtigerweise darauf hingewiesen, dass wir Arbeitskosten in Deutschland entlasten müssen, und diesen Schritt setzen wir nun fort. Ich finde, entscheidend ist aber, dass es einen Sozialausgleich aus Steuermitteln gibt, der auch gerechter ist als das, was wir heute haben, weil Steuern zahlen alle, Steuern zahlen im Übrigen auch Unternehmen, und zwar nach Leistungsfähigkeit, und wir gehen eigentlich sogar einen Schritt, finde ich, in eine gerechtere Finanzierung, als wir sie heute haben.
Müller: Dann machen Sie das doch für alle, eine steuerfinanzierte Kompensation.
Spahn: Was meinen Sie jetzt mit "für alle"?
Müller: Sie haben ja davon geredet, dass es Steuerzuschüsse gibt für diejenigen, die sich das nicht leisten können. Was ist mit der breiten Mittelschicht?
Spahn: Nun, wir haben – das ist ja in allen anderen Systemen auch so – natürlich eine Überforderungsklausel sozusagen darin. Niemand soll mehr als zwei Prozent seines Einkommens für diesen Zusatzbeitrag ausgeben müssen. Das ist übrigens ein Fortschritt zur Situation heute, wo ja bis zu acht Euro genommen werden können ohne jegliche Einkommensprüfung, was insbesondere für niedrige Einkommen, niedrige Renten ein Problem ist. Aber die ehrliche Botschaft an die Menschen ist: Gesundheit wird teurer, und das können wir auch mit keiner Reform irgendwie wegreformieren, weil medizinischer Fortschritt, weil die Alterung der Gesellschaft ihren Preis hat. Deswegen wird es natürlich auch zu zusätzlichen Belastungen kommen. Schon Helmut Schmidt, der ehemalige Bundeskanzler, hat gesagt, wir werden mehr für Gesundheit und weniger für Mallorca ausgeben können. Das ist zugespitzt, aber im Kern doch richtig.
Müller: Das tun wir ja auch jedes Jahr seitdem. – Wenn wir noch einmal auf die Arbeitgebersituation zurückkommen. Sie sagen, alles wird teurer, die Medikamente, die Behandlungsmethoden werden immer kostspieliger. Warum haben die Arbeitgeber dann nichts mehr damit zu tun?
Spahn: "Nichts mehr" stimmt ja jetzt im ersten Schritt schon mal nicht, weil wir kehren zurück zu 15,5, dem alten Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung, bei dem natürlich auch die Arbeitgeber mit im Boot sind und die Hälfte mittragen.
Müller: Danach ist aber Schluss?
Spahn: Danach schreiben wir den Arbeitgeberbeitrag fest. Das ist auch lange diskutiert in der Politik, ich glaube im Kern richtig, um eben die Arbeitskosten von den steigenden Gesundheitskosten zu entlasten. Dann muss man aber – und das ist eben das wichtige Neue, was wir machen – auch den Schritt tun, dass man einen Sozialausgleich macht, der steuerfinanziert ist und der insbesondere geringere und auch geringere mittlere Einkommen entlastet. Aber ich bleibe dabei: Die Wahrheit ist, Gesundheit wird teurer.
Müller: Aber die CDU hat jetzt und auch die Union zu verantworten – vielleicht würden Sie das unterschreiben, wenn man das so formuliert -, dass die Arbeitnehmer, die Versicherten demnächst aufgrund der Gesundheitsreform weniger Geld im Portemonnaie haben?
Spahn: Natürlich bleibt am Ende netto weniger über, das ist auch die Wahrheit an der Stelle. Wenn Sie beides zusammen nehmen, dass es teurer wird, weil wir medizinischen Fortschritt haben, weil wir alle gemeinsam älter werden, was ja erst mal was Positives ist, dann ist der Umkehrschluss natürlich, dass dann weniger Netto übrig ist. Aber ich finde – und ich nehme das auch aus vielen Veranstaltungen vor Ort bei mir daheim etwa im Münsterland mit -, dass die Menschen auch bereit sind, wenn sie wissen, dass das eben der medizinische Fortschritt ist, der das Geld kostet, und das Versprechen einer guten flächendeckenden Versorgung, nicht nur in der großen Stadt, sondern auch auf dem Land, dass da auch eine Bereitschaft ist, dieses Mehr zu bezahlen.
Müller: Konnten Sie bei den Arzneimitteln nicht mehr sparen?
Spahn: Wir sparen im nächsten Jahr bei den Arzneimitteln über alle Vertriebsstufen, also auch Großhandel und Apotheken, zwei Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe. Wir werden zudem zum 1.1. das System ändern, dass nicht mehr bei neuen Arzneimitteln einseitig die Pharmaindustrie die Preise festlegen kann. Darüber wird seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in Deutschland diskutiert, und es ist nun eine Koalition aus Union und FDP, die das endlich umsetzt. Also bei den Arzneimitteln gehen wir ziemlich ran, und das ist auch richtig, das ist gewollt, aber ich finde, das muss auch mal anerkannt werden.
Müller: Stimmt das denn, dass die Pharmaindustrie selbst diese konkreten Vorschläge gemacht hat, wo zu sparen ist?
Spahn: Nein, das stimmt definitiv nicht. Im Gegenteil: Sie sind eher überrascht und ein wenig erschrocken gewesen, dass es nun ein FDP-Minister mit Unterstützung der Union ist, der da so hart rangeht. Das haben wir gemeinsam auf den Weg gebracht und das werden wir jetzt auch zum 1.1. neben der Gesundheitsreform in Kraft setzen, das Ende der Mondpreise im Grunde bei den Arzneimitteln in Deutschland.
Müller: War das, Herr Spahn, eine große Fehlleistung der Politik in den vergangenen Jahrzehnten, dass in Deutschland per se die Medikamente am teuersten sind?
Spahn: Es war der Versuch – und das wollen wir auch in Zukunft schaffen -, den Menschen einen direkten Zugang zu Innovationen, zu neuen Arzneimitteln zu geben. Das gibt es nicht in vielen Ländern auf der Welt anders herum, dass direkt nach Zulassung eines neuen Arzneimittels dieses auch erstattet wird in den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen. Das war in Deutschland bisher so, das soll auch so bleiben, und wir wollen eben den Spagat schaffen zwischen Innovation, direktem Zugang zu Innovationen und bezahlbaren Arzneimitteln, und es ist da sicherlich in der Vergangenheit vielleicht manches nicht direkt umgesetzt worden, ist lange diskutiert worden, im Übrigen auch gerade zu Zeiten der SPD lange diskutiert worden, und wir setzen es jetzt endlich auch mit der notwendigen Härte gegenüber der Pharmaindustrie um.
Müller: Vielleicht, um das mal konkreter zu fragen, Herr Spahn: Wenn man sich hier Aspirin kauft, dann ist das immer noch dreimal so teuer wie in den USA. Muss das sein?
Spahn: Wir müssen ja immer schauen, was wird miteinander verglichen. Bei uns beinhalten die Apothekenabgabepreise, die Verkaufspreise eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Das ist in vielen anderen Ländern nicht der Fall. Darüber kann man diskutieren, aber ich finde, dann muss man auch eine Gegenfinanzierung haben. Einfach ein Loch bei Herrn Schäuble, dem Finanzminister zu reißen, würde da nicht reichen. Und zum Zweiten: Gerade Aspirin ist ein Beispiel dafür, da sind die Preise im Grunde freigegeben. Da gibt es keine Vorschriften mehr, wie der Preis zu sein hat, und da können Sie im Grunde mit Ihrem Apotheker wie bei jedem anderen Einkauf auch über den Preis verhandeln. Nur machen das viel zu wenige heute und deswegen gehen die Preise da nicht so runter.
Müller: Aber ist nicht das Problem, dass das nur beim Apotheker geht?
Spahn: Arzneimittel sind schon ein besonderes Gut.
Müller: Aber wir reden ja von den nicht Verschreibungspflichtigen.
Spahn: Ja, aber nichtsdestotrotz haben auch nicht Verschreibungspflichtige Nebenwirkungen. Auch Aspirin sollte man nicht in unbegrenzten Mengen zu sich nehmen, das ist was anderes als Kaugummi. Deswegen sagen wir ganz bewusst, Arzneimittel müssen auch in Apotheken, ausschließlich in Apotheken abgegeben werden, um auch deutlich zu machen, Arzneimittel sind ein besonderes Gut, bei dem auch Vorsicht angesagt ist. Das kann man nicht einfach so schlucken.
Müller: Bis 2014, hat der Minister gesagt, werden die Beiträge weiter steigen. Müssen wir uns darauf einrichten?
Spahn: Die Wahrheit ist – das habe ich ja gerade schon gesagt -, dass Gesundheit teurer wird. Deswegen werden natürlich auch in den nächsten Jahren die Beiträge Schritt für Schritt steigen. Der Unterschied ist eben, dass die künftigen Kostensteigerungen insbesondere beim Zusatzbeitrag liegen werden, und deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt den nächsten Schritt machen – den konnten wir in der Großen Koalition leider nicht tun -, dass wir die auch steuerfinanziert sozial ausgleichen, damit insbesondere niedrige Einkommen nicht überfordert werden. Aber es bleibt die Wahrheit sozusagen unseres Gespräches hier: Gesundheit wird teurer.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Spahn: Gerne!