Mittwoch, 24. April 2024

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Deutsch-französische Beziehungen
"Der Motor der Europäischen Union"

Die deutsch-französischen Beziehungen seien derzeit in einem guten Zustand. Das Tandem Berlin-Paris bleibe die "richtige Kombination", sagte Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, im Deutschlandfunk. Die Einbeziehung Polens zum "Weimarer Dreieck" sei da eine gute Ergänzung.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jürgen Liminski | 10.05.2014
    Philipp Mißfelder in der ARD-Talksendung "Anne Will"
    Philipp Mißfelder (Karlheinz Schindler, dpa picture-alliance)
    Das Treffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande an der Ostsee sei kein Krisentreffen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich seien derzeit "in einem sehr, sehr guten Zustand, obwohl die Regierungen sich beide unterscheiden". Auch wenn die Beziehungen in den vergangenen Jahren nicht immer einfach gewesen seien, hätten "der französische Staatspräsident und der deutsche Bundeskanzler oft dann doch noch zueinander gefunden". Auch bei Hollande und Merkel sei mittlerweile eine gute Arbeitsatmosphäre eingekehrt.
    Mißfelder rechnet mit weiteren Sanktionen
    Angesichts der aktuellen Krise in der Ukraine sagte Mißfelder, "in der Sanktionslogik" sei die "Eskalation zwangsläufig" gewesen. Man habe Russland von Anfang an deutlich gemacht, wenn es nicht "zu erfolgreichen Gesprächen mit messbaren Ergebnissen" komme, gebe es weitere Strafmaßnahmen. Das sei die logische Konsequenz aus dem, was man begonnen habe. "Wir werden am Montag dann damit zu rechnen haben, dass die EU-Außenminister weitere Sanktionen verhängen werden, aber immer noch im Rahmen der Stufe zwei."
    Russland als neues Feindbild zu sehen, wäre "töricht", sagte der CDU-Politiker. Eine ähnliche Konfrontation wie im Kalten Krieg sei für niemanden von Nutzen. Der politische Weg sei aber sehr schwierig, weil Moskau "keine messbaren Ergebnisse" liefere und sich "nicht an die Vereinbarungen" von Genf gehalten habe.
    Derzeit ein Ungleichgewicht zwischen Paris und Berlin
    Das Tandem Paris-Berlin müsse die frühere politische Durchschlagskraft für Europa wieder erlangen. "Es ist natürlich schon ein gewisses Ungleichgewicht zu sehen - auf der einen Seite eine extrem erfolgreiche Regierung in Deutschland und ein extrem professionell geführtes Land mit einer beliebten Kanzlerin und fantastischen Wirtschaftsdaten." Und auf der anderen Seite stehe Frankreich derzeit mit schwacher Wirtschaftskraft. Paris sei nicht in der Lage, "die Reform zu machen, die vorher andere Regierungen überall gemacht haben. Und dieses Ungleichgewicht tut der Beziehung gerade sicherlich nicht gut."
    Dennoch sei das gemeinsame Agieren von Deutschland und Frankreich die richtige Kombination und der "Motor der europäischen Union". Aber auch Großbritannien müsse hier mitarbeiten - ohne die Briten gehe es nicht. "Richtig" und "gut" sei zudem die Ergänzung der deutsch-französischen Politik mit Polen zum "Weimarer Dreieck".
    Philipp Mißfelder, geboren 1979 in Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen. Der CDU-Politiker studierte ab 2003 Geschichte in Berlin. Er ist seit 1993 Mitglied der Jungen Union und wurde dort 2002 zum Vorsitzenden gewählt. Seit 1995 ist er Mitglied der CDU. Seit 2005 ist Mißfelder Abgeordneter im Deutschen Bundestag und dort seit 2009 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

    Das vollständige Interview
    Jürgen Liminski: Die Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft ist zu einem großen Teil die Geschichte von persönlichen Freundschaften zwischen den Regierungschefs. Das fing an zwischen Adenauer und De Gaulle, setzte aus bei Erhardt und De Gaulle, lebte erst wieder auf unter Schmidt und Giscard und setzte sich fort unter Chirac und Schröder sowie Merkel und Sarkozy. Bei fast allen diesen Freundschaften stand eine gewisse Fremdheit am Anfang, auch bei Merkel und Sarkozy, und dasselbe gilt für das heutige Staatspaar Merkel und Hollande. Vielleicht auch, um diese Fremdheit zu überwinden, kam Francois Hollande gestern zu einem Freundschaftsbesuch in die Heimat, in den Wahlkreis von Angela Merkel. Natürlich gibt es außer touristischen Einlagen auch dringende politische Themen, bei denen Berlin und Paris sich abstimmen müssen, etwa die Ukraine-Krise oder die Lage nach der Europawahl und wie das Tandem darauf reagieren soll, ob es überhaupt noch die Bedeutung von früher hat, darüber wollen wir jetzt reden mit dem außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion Philipp Mißfelder. Guten Morgen, Herr Mißfelder!
    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Liminski!
    Liminski: Herr Mißfelder, ist dieses Freundschaftstreffen am Kreidefelsen von Rügen ein Krisentreffen?
    Mißfelder: Das glaube ich nicht. Ich denke, dass die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich momentan in einem sehr, sehr guten Zustand sind, obwohl die Regierungen sich beide unterscheiden. Aber Sie haben es ja gesagt, die wechselhaften Beziehungen waren nicht immer einfach, aber letztendlich ist es so, dass der französische Staatspräsident und der deutsche Bundeskanzler oft dann doch noch zueinander gefunden haben, und es sind ja viele berühmte Bilder daraus entstanden, Helmut Kohl und Francois Mitterrand in Verdun, beispielsweise. Aber Sie haben ja auch die Freundschaft zwischen anderen angesprochen. Also ich glaube, dass auch bei Hollande und Merkel eine sehr, sehr gute Arbeitsatmosphäre mittlerweile eingekehrt ist, und ich finde es auch richtig und schön, dass sie ihn in ihren Wahlkreis eingeladen hat.
    Sanktionen sind die logische Konsequenz
    Liminski: Aber vielleicht Krisentreffen mit Blick auf die Ukraine. Der polnische Präsident Komorowski fordert sozusagen in Nachbarschaft der Freundschaftsausflüge ein härteres Vorgehen gegen Russland. Auch die Amerikaner ziehen die Daumenschrauben der Sanktionen an, jedenfalls drohen sie damit, wenn Russland das anstehende Referendum nicht be- oder sogar verhindert oder vielleicht auch die Präsidentschaftswahlen verhindern sollte. Tun wir, tut Europa zu wenig?
    Mißfelder: Ich glaube, dass in der Sanktionslogik nun diese Eskalation auch zwangsläufig war, denn es wurde ja von Anfang an gesagt, als schon die erste Stufe der Sanktionen in Kraft getreten ist seitens der Amerikaner und seitens der EU, dass man Russland signalisiert hat, wenn es nicht zu weitern Gesprächen, und zwar auch zu erfolgreichen Gesprächen mit messbaren Ergebnissen kommt, dann wird es weitergehen mit den Sanktionen, und das ist eben die logische Konsequenz aus dem, was man begonnen hat. Und wir werden am Montag dann damit zu rechnen haben, dass die EU-Außenminister weitere Sanktionen verhängen werden, aber immer noch im Rahmen der Stufe zwei.
    Liminski: Ist Russland, ja, vielleicht sogar das neue Feindbild oder vielleicht sogar das wieder erstandene alte?
    Mißfelder: Das wäre töricht, das so zu beurteilen, weil ich glaube tatsächlich, dass eine ähnliche Konfrontation wie im Kalten Krieg für niemanden von Nutzen wäre. Allerdings sehen wir, dass jetzt gerade der politische Weg, für den sich ja die Bundeskanzlerin entschlossen hat, und sie hat auch noch mal vor den Unionsabgeordneten darauf hingewiesen, dass sie keine militärische Lösung sieht. Dieser politische Weg, den wir versuchen zu beschreiten, ist eben sehr, sehr schwierig, weil eben Moskau mit Blick auch auf die Gespräche von Gründonnerstag in Genf keine messbaren Ergebnisse liefert und eben sich auch an die Vereinbarung nicht gehalten hat.
    Ein Land mit einem wirtschaftlichen Schwächemoment
    Liminski: Noch einmal zum Tandem Paris-Berlin. Hat es noch die frühere Bedeutung oder politische Durchschlagskraft für Europa.
    Mißfelder: Es muss sie wieder bekommen. Es ist natürlich schon ein gewisses Ungleichgewicht zu sehen. Auf der einen Seite eine extrem erfolgreiche Regierung in Deutschland und ein extrem professionell geführtes Land mit einer beliebten Kanzlerin und fantastischen Wirtschaftsdaten, mit Steuermehreinnahmen ungeahnten Ausmaßes und einer Konjunktur, die auch in der Krise sich sehr stabil gezeigt hat. Und auf der anderen Seite ein Land, das sehr, sehr stark gerade einen wirtschaftlichen Schwächemoment hat und gleichzeitig auch nicht mit einer Agenda 2020 beispielsweise reagiert, sondern nicht in der Lage ist, die Reformen zu machen, die vorher andere Regierungen in Europa überall gemacht haben. Und dieses Ungleichgewicht tut der Beziehung gerade sicherlich nicht gut.
    Liminski: Jetzt hat Francois Hollande mit seinem neuen Premierminister ein neues Sparprogramm aufgelegt, will das Steuer herumreißen. Ist das nicht eine neue Chance, auch für das Tandem?
    Mißfelder: Absolut. Also ich kann Frankreich nur dabei unterstützen und ermutigen, den Reformweg zu gehen. Allerdings ist es natürlich so, man hat in Frankreich ja schon sehr, sehr viel Zeit dadurch verloren, dass eben die Regierung Hollande die Reformansätze, die Sarkozy gewählt hat, wieder rückgängig gemacht hat und vollkommen in die falsche Richtung gelaufen ist. Also ich glaube, es wird höchste Zeit in Frankreich, und wenn man mit französischen Politikern spricht, dann hört man das auch an allen Ecken und Enden, dass sie sich schon dessen bewusst sind, dass zum Beispiel der gesamte Sektor der Geschäftswelt, und was Exporte und Wettbewerbsfähigkeit angeht, schon sehr, sehr stark unter Druck steht.
    Koordinierung der Außenpolitik von Deutschland, Frankreich und Großbritannien
    Liminski: Im Moment sieht es so aus, als führe Merkel die Europäer einschließlich der Franzosen durch die Finanzkrise, aber eben auch durch die Ukraine-Krise. Natürlich darf man das als Politiker nicht sagen, ohne gleich Argwohn zu erwecken. Was ist denn Ihre Einschätzung.
    Mißfelder: Ich glaube, dass die tatsächlich richtige Kombination Deutschland und Frankreich gemeinsam ist. Für jeden weiteren integrativen Schritt, den ja Europa weiter gehen muss, aber auch für jeden weiteren Schritt in der Koordinierung unserer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kann es ja gar nicht ohne Deutschland, Frankreich und vor allem Großbritannien gehen, weil Großbritannien ja auch im UNO-Sicherheitsrat sitzt, genau wie Frankreich. Deutschland nicht. Insofern ist das, was die Außenpolitik angeht, ja noch mal wichtig, sich abzustimmen. Aber wenn es um Europa selber geht, dann sehen wir ja schon, dass England sich aus vielen Sachen leider selber ausschließt, und Frankreich und Deutschland eben gerade in dieser besonderen ökonomischen Situation sind, wo es Frankreich selbstverständlich schwerfällt, große Anstrengungsschritte gemeinsam mit uns zu gehen, weil sie finanziell gar nicht dazu ihn der Lage sind.
    Liminski: Einige Beobachter sagen, das Tandem sei durch Warschau zum Trio, zum Weimarer Dreieck erweitert. Wo ist denn die gemeinsame Stimme dieses Trios?
    Mißfelder: Grundsätzlich halte ich diese Idee, mit Polen enger und vertrauensvoller zusammenzuarbeiten, auch für richtig. Aber der Motor der Europäischen Union, das bleibt schon die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland. Das hat natürlich auch historische Gründe und ist ja auch Teil der Erfolgsgeschichte der Europäischen Union. Ich glaube, dass die Ergänzung um das Weimarer Dreieck gut ist und dass diese Koordinierungsaufgabe ja auch an manchen Stellen sehr viel Hoffnung gebracht hat. Denken Sie nur an die Kooperation der Außenminister vor dem Desaster, das passiert ist auf dem Maidan-Platz, als dann das Abkommen zerrissen worden ist und man leider dann in diese Eskalation eingetreten ist. Ich glaube, dass man vor dem Hintergrund sagen kann, das ist eine gute Ergänzung.
    Das Dream Team Steinmeier und Fabius
    Liminski: Es gibt jetzt ein neues Dream Team, Steinmeier und Fabius. Aber reicht es, wenn die beiden Außenminister gemeinsam durch die Gegend reisen?
    Mißfelder: Ich glaube, Außenpolitik besteht natürlich sehr viel aus Gesten, und ich denke, dass es deshalb auch richtig ist, wenn Steinmeier und Fabius zusammen reisen und auch versuchen, gemeinsame Schwerpunkte zu setzen. Ich denke zum Beispiel, dass Deutschland sehr, sehr stark auch von der Afrikaexpertise Frankreichs profitieren kann. Und wenn es dann gelingt zum Beispiel, indem die beiden Außenminister sich auch zum Beispiel dem Maghreb zuwenden, Nordafrika zuwenden - auch diese Transformationsländer im Blick haben und Frankreich uns dann auch teilhaben lässt an diesem Transformationsprozess und damit auch die Europäische Union einen Fuß in die Tür bekommt, dann, glaube ich, wäre das ein großer Beitrag, der gelungen wär.
    Liminski: Neue Chancen für das Tandem Paris-Berlin. Das war zum Freundschaftsbesuch des französischen Präsidenten Hollande bei Bundeskanzlerin Merkel der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder. Besten Dank fürs Gespräch, Herr Mißfelder!
    Mißfelder: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.