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Deutsch-griechisches Flüchtlingsabkommen
Die Tücken der Familienzusammenführung

Griechenland will Flüchtlinge zurückzunehmen, die bereits im eigenen Land registriert sind. Im Gegenzug soll Deutschland bei der Familienzusammenführung helfen. Die griechische Politik ist zufrieden - Menschenrechtler kritisieren die Abmachung.

Von Rodothea Seralidou | 06.07.2018
    Eine syrische Frau schaut aus dem Fenster eines Reisebus', in dessen Fenster sich die Fähre "Diagoras" reflektiert, die gerade im Hafen von Piraeus, nahe Athen, ankommt.
    Geflüchtete warten in Griechenland momentan Monate, wenn nicht gar Jahre, bis sie zu ihren Angehörigen nach Deutschland weiterreisen dürfen. (picture alliance / dpa / Yannis Kolesidis)
    Anastasia hat unter einem Orangenbaum platzgenommen, um der Athener Mittagshitze zumindest ein bisschen zu entkommen. Ihren Nachnamen möchte die pensionierte Lehrerin nicht nennen. Dass die Bundesregierung schon bald Flüchtlinge von der deutschen Grenze wieder zurück nach Griechenland schicken will, findet sie absolut inakzeptabel:
    "Ich habe Respekt vor den Flüchtlingen und wir müssen ihnen helfen. Aber da müssen alle europäischen Länder einen Teil der Verantwortung übernehmen. Und nicht nur Griechenland, sonst ist es unfair! Sind wir eine Abstellkammer für Menschen?"
    Neben Anastasia wartet Markos Isoufi auf seine Freunde. Der 21-jährige Student ist in Athen aufgewachsen, seine Eltern sind in den 90er Jahren aus Albanien eingewandert. Er betrachtet das Ganze etwas weniger emotional: "Alles ist so plötzlich passiert und Europa weiß immer noch nicht, wie es mit der Situation klarkommen soll. Andererseits: Die Flüchtlinge wollen nicht in Griechenland bleiben. Sie suchen nach Wegen, um weiterzureisen, sie wollen in Länder, wo sie auch arbeiten können."
    Griechenland will profitieren
    Genau diesem Bestreben soll mit der Einigung zwischen Deutschland und Griechenland ein Riegel vorgeschoben werden. Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, sollen auch dort bleiben - das ist das Ziel der Vereinbarung. Gleichzeitig will Deutschland Angehörige von Flüchtlingen, die noch in Griechenland leben, im Rahmen des Familiennachzuges schneller aufnehmen.
    Sein Land profitiere also von dieser Vereinbarung, sagte der griechische Vize-Minister für Flüchtlingspolitik, Giannis Balafas, im griechischen Fernsehen:
    "Es kommen nur noch wenige Menschen in Deutschland an, die über Griechenland in die EU gereist sind. Die Balkanroute ist dicht, die Grenzen werden durch Frontex überwacht. Wenn die Zahlen so bleiben wie im Moment, werden einige Hundert Flüchtlinge im Monat nach Griechenland zurückkehren. Gleichzeitig warten aber rund 2.900 Flüchtlinge in Griechenland darauf, zu ihren Familien nach Deutschland reisen zu können. Und das können sie dank unserer Vereinbarung mit der Bundesregierung nun schrittweise tun. Wir glauben, dass die Bilanz positiv für uns sein wird!"
    Von der Grenze zurück ins Auffanglager
    Gavriil Sakellaridis von Amnesty International geht es weniger um Zahlen, er kritisiert vielmehr die Richtung des Abkommens:
    "Diese Menschen werden also nach Griechenland zurückgeschickt, in Auffanglager, die jetzt schon überfüllt sind. Die Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge in diesen Lagern leben, sind schlecht, und ein schnelles und gleichzeitig faires Asylverfahren ist auch nicht gewährleistet. Dass auf der anderen Seite Deutschland bereit ist, Flüchtlinge im Rahmen des Familiennachzugs aufzunehmen, sollte überhaupt nicht zur Debatte stehen. Deutschland ist verpflichtet, den Familiennachzug zu erlauben. Das gehört zum Kern des internationalen Flüchtlingsrechts."
    Und doch warten Geflüchtete in Griechenland momentan Monate, wenn nicht gar Jahre, bis sie zu ihren Angehörigen nach Deutschland weiterreisen dürfen.
    Warten auf Familienzusammenführung
    So auch der irakische Familienvater Dumu Haji. Der 62-Jährige lebt seit fast zwei Jahren in einem Athener Flüchtlingscamp. Seine Ausreiseerlaubnis hat er längst in der Tasche, er hofft nun, dass er bald seine zwei Töchter wiedersehen kann:
    "Es ist sehr schwer, ich kann nicht mehr schlafen, das ist eine große psychische Belastung für uns alle. Jede Nacht überlege ich: Was passiert morgen? Meine Töchter sind sechzehn und zwanzig Jahre alt. Sie leben in Köln. Es gibt ja Gesetze, Deutschland muss sich jetzt endlich daran halten. Ich bitte darum, dass ich zu meinen Kindern kann. Ich möchte mit meiner Familie zusammen sein!"