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Einigung im Asylstreit
"Die Vereinbarung fußt auf den Ergebnissen, die Merkel aus Brüssel mitgebracht hat"

Im unionsinternen Streit zur Flüchtlingspolitik sei ein sehr guter Kompromiss gefunden worden, sagte der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary im Dlf. Grundlage seien die Ergebnisse des EU-Gipfels. Jetzt gehe es darum, dies in der Praxis umzusetzen.

Daniel Caspary im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 02.07.2018
    Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary im Interview der Woche des Deutschlandfunks.
    Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary im Dlf-Interview (Deutschlandradio / Detjen)
    Jörg Münchenberg: Der Kompromiss ist da: CDU und CSU wollen weiter in der Fraktionsgemeinschaft bleiben, trotz der massiven gegenseitigen Anfeindungen. Da gibt es einiges zu besprechen und am Telefon ist nun der Chef der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary. Herr Caspary, ich grüße Sie.
    Daniel Caspary: Guten Abend, Herr Münchenberg.
    Münchenberg: Herr Caspary, jetzt Transitzentren. Das soll die Lösung sein. Ist das ein überzeugender, oder vielleicht doch ein fauler Kompromiss?
    Caspary: Ich bin der festen Überzeugung, der Kompromiss ist ein sehr, sehr guter Kompromiss, weil deutlich wird, wir haben in den letzten Jahren wahnsinnig viel erreicht. Wir haben die Zahl der Flüchtlinge, die illegal übers Mittelmeer kommen, von 1,5 Millionen 2015 auf 150.000 2017 reduziert. Zum zweiten, auch dank des Drucks der CSU in den letzten 14 Tagen, hat Angela Merkel beim letzten EU-Ratsgipfel aus meiner Sicht ein Bombenergebnis mit heimgebracht. Und die Vereinbarung, die jetzt zum Frieden innerhalb der deutschen Union beiträgt, die fußt ja genau auf den Ergebnissen, die Angela Merkel aus Brüssel mitgebracht. Von daher: Das war eine sehr, sehr schwierige Geburt, aber am Ende können wir uns alle über ein sehr gesundes und vitales Kind freuen.
    "Wichtig, dass wir eine europäische Lösung angehen"
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Caspary, sollen ja jetzt Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden können. Das hat die Kanzlerin ja immer abgelehnt. Ist sie jetzt doch umgefallen?
    Caspary: Nein, sondern uns in der CDU war doch immer ganz wichtig, dass wir eine europäische Lösung angehen. Genau das Thema ist das Thema, für das sich Angela Merkel seit über zwei Jahren aus meiner Sicht erfolgreich verkämpft. Und was wir auch jetzt wollten ist: Wir wollten keine einseitigen nationalen unabgestimmten Lösungen haben, und das Papier, das jetzt auf dem Tisch steht, ist ja ganz genau das Gegenteil davon, nämlich abgestimmt in Europa. Angela Merkel hat ja vom Gipfel am Wochenende nicht nur ein gutes Gipfelergebnis mit heimgebracht, sondern auch die Bereitschaft von vielen Mitgliedsstaaten innerhalb der Europäischen Union, über Flüchtlingsrückführung Abkommen abzuschließen. Und genau das ist das, was jetzt ja passieren soll, nämlich abgestimmt mit den Ländern, mit klaren Vereinbarungen, die im Moment der Innenminister noch teilweise ausverhandeln muss.
    Münchenberg: Herr Caspary, lassen Sie mich mal kurz unterbrechen. Es gibt zwei Probleme. Das eine ist Italien; mit Italien gibt es keine Übereinkunft. Italien weigert sich, Flüchtlinge zurückzunehmen. Das andere ist – das hat unser Korrespondent eben angesprochen -, wenn es nämlich keine bilateralen Rückführungsabkommen gibt, dann soll es eine Regelung mit Österreich geben. Hängt jetzt der Fraktionsfriede von CDU und CSU am guten Willen der österreichischen Regierung?
    Caspary: Nein, ganz im Gegenteil, sondern als allererstes sollten wir doch über das sprechen, was gut gelaufen ist, und obwohl es fast niemand für möglich gehalten hat, dass Angela Merkel mit über einem Dutzend Staaten politische Vereinbarungen am Wochenende trifft über die Frage von der Rücknahme von Flüchtlingen, hätte doch wirklich niemand vorausgesagt. Und noch mal: Ich glaube, das ist auch mit ein Verdienst der CSU, dass hier sehr viel Druck im Kessel drin war und Angela Merkel sehr erfolgreich auf den Gipfelverhandlungen und am Rande der Gipfelverhandlungen tätig war.
    "Jetzt geht es darum, das in der Praxis umzusetzen"
    Münchenberg: Jetzt hat man einen Kompromiss, der steht bislang ja nur auf dem Papier.
    Caspary: Ja, gut! Genau! Und jetzt geht es doch darum, ihn in der Praxis umzusetzen, und in der Praxis umzusetzen haben wir doch genau als solide Basis die vielen bilateralen Abkommen, die sich jetzt abzeichnen dank Angela Merkels Einsatz. Das Zweite – ich mag es doch nicht beschönigen – sind dann die Länder, mit denen wir im Moment noch keine solchen Abkommen haben. Auch da erhöht sich doch der Druck. Die Frage ist doch: Machen Länder wie Italien mit? Gerade Italien sind wir doch auch entgegengekommen. Wir sind ja am Wochenende einen Riesenschritt vorangekommen, zum Beispiel in der Frage der Umverteilung von Flüchtlingen, was uns als deutscher Union auch immer sehr, sehr wichtig war. Und genau dieses Gesamtpaket, das die Länder an der Außengrenze die Außengrenze gemeinsam mit europäischen Partnern und Frontex schützen müssen, dass auf der zweiten Seite die Länder wie Italien, Griechenland und andere die Flüchtlinge registrieren müssen, dass wir jetzt Umverteilungsmechanismen in Europa dank Angela Merkel haben, dass die Mitgliedsstaaten auch wissen, wenn sie registrieren, dann stehen sie nicht alleine, …
    Münchenberg: Aber noch mal, Herr Caspary. Es ist aber tatsächlich so: Österreich wird das Zünglein an der Waage sein, weil man hängt am Goodwill, von der Unterstützung von Österreich ab, ob die sagen: Ja, wir sind bereit, uns mit Deutschland zu einigen und Flüchtlinge faktisch zurückzunehmen.
    Caspary: Das eine ist: Wir haben ja nach wie vor Abkommen auch aus guten alten Zeiten in Kraft. Wir haben zum Beispiel, wenn ich richtig informiert bin, ein Abkommen aus den 50er-Jahren mit Österreich, wo grundsätzlich mal klar geregelt ist, dass Menschen, die aus Österreich nach Deutschland kommen und denen wir die Einreise verweigern, von Österreich wieder zurückgenommen werden. Das ist doch eine solide Basis, um damit umzugehen. Das Zweite, worauf ich raus will, ist: Wir haben jetzt die Situation, dass wir hier nicht unabgestimmt vorgehen, sondern auch auf dem Gipfel ist doch nicht nur deutschen Interessen entgegengekommen worden, sondern wir sind auch Italien entgegengekommen, indem wir uns vereinbart haben.
    "Das hat immer mal gerumpelt"
    Münchenberg: Aber Italien nimmt das ja gar nicht auf.
    Caspary: Das ist doch aber genau die Arbeit der nächsten Tage, und da ist doch genau diese Vereinbarung jetzt auch in der deutschen Union genau die Basis, wo die Italiener jetzt wissen, nachdem wir ihnen am Wochenende bei der Frage Umverteilung entgegengekommen sind, dass sie jetzt auch uns entgegenkommen müssen, und das ist doch eine solide Basis. Auf der einen Seite haben wir eine Umverteilung und auf der anderen Seite muss man aber auch diejenigen, die nicht umverteilt werden, wieder zurücknehmen, und das wird die Verhandlung der nächsten Tage sein.
    Münchenberg: Wie solide die Basis tatsächlich ist, das werden wir in den nächsten Tagen feststellen. Ich möchte noch mal einen anderen Punkt ansprechen. Das eine ist das Technische; das andere ist das Persönliche. Es gab ja diese massiven Verwerfungen zwischen CDU und CSU. Jetzt gibt es diesen Kompromiss, aber das Persönliche bleibt ja. Kann man das einfach wegdrücken, bei Seite schieben und sagen, auch wenn wir nicht miteinander können, auch wenn es letztlich keine Grundlage für eine vertrauenswürdige Zusammenarbeit mehr gibt, wir machen einfach weiter?
    Caspary: Ich sehe sehr, sehr großes Vertrauen, gerade wenn Sie die Debatte in den letzten Tagen sehen. Wir haben zum Beispiel in der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament Kollegen aus beiden Unionsparteien und wir haben ein Rieseninteresse, gemeinsam viele Projekte voranzugehen: Wie schaffen wir die europäische Außen- und Sicherheitspolitik? Wie schaffen wir Außengrenzschutz? Wie bringen wir die Europäische Union voran?
    Münchenberg: Das ist die europäische Ebene. Wir reden aber auch über die innerdeutsche, und da hat zum Beispiel Seehofer gesagt, mit dieser Frau kann ich nicht mehr.
    Caspary: Das sei mal dahingestellt, ob er das wirklich so gesagt hat. Es wurde ja in den letzten Tagen auch einiges lanciert, was nicht ganz der Realität entspricht. Deswegen stelle ich nur fest, dass es eine solide Vereinbarung gibt. Ich stelle fest, dass wir zwischen den beiden Parteien ja schon seit 70 Jahren sehr erfolgreich zusammenarbeiten. Das hat immer mal gerumpelt. Wir haben manchmal auch verschiedene Vorstellungen. Deswegen sind wir auch zwei unterschiedliche Parteien. Aber was uns am Ende immer umtreibt – und ich glaube, das ist in jeder guten Familie so -, der allermeiste Streit wird intern geführt und manchmal dringt es leider auch nach außen. Und da merkt man doch bei dem Thema: Es geht uns um die gemeinsame Sache. Wo wir jetzt einen sehr guten Kompromiss gefunden haben, ist die Frage, wie schaffen wir auf der einen Seite, das Thema Sekundärmigration zu verhindern, was der CSU ein sehr, sehr wichtiges Anliegen ist, aber wie schaffen wir es, im europäischen Rahmen das zu machen, was beiden Parteien ein Anliegen ist. Da ist es manchmal so: Wir wünschen uns alle als Bürger eine schnelle Lösung. Wir wünschen uns schnelle Erfolge und einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte. Aber gerade an dem Beispiel wird deutlich, die Welt ist leider kompliziert, und deswegen dauert es manchmal etwas länger. Aber wir haben es doch jetzt geschafft.
    "Wir haben so viel erfolgreiche Politik gemacht, das schweißt zusammen"
    Münchenberg: Herr Caspary, letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort. Würden Sie jetzt sagen nach Ihren Ausführungen, das Verhältnis zwischen CDU und CSU ist weiter intakt und gut?
    Caspary: Ja, selbstverständlich! Nur weil es mal rumpelt, hat man trotzdem eine solide Basis. Wir haben so viel erfolgreiche Politik für Deutschland gemacht, das schweißt zusammen. Und wir werden das auch in Zukunft tun.
    Münchenberg: … sagt der Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im EU-Parlament, Daniel Caspary. Herr Caspary, besten Dank für Ihre Zeit heute Abend.
    Caspary: Schönen Abend!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.