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Deutsch-österreichische Grenze
Wird der deutsche Polizeieinsatz verlängert?

Während in Köln diskutiert wird, ob in der Silvesternacht zu wenige Polizeibeamte vor Ort waren, sind an der deutsch-österreichischen Grenze viele Bundespolizisten vor Ort. Seit dem 13. September 2015 lässt Deutschland seine südliche Grenze kontrollieren - vor allem von Bereitschaftspolizisten aus ganz Deutschland.

Von Susanne Lettenbauer | 16.01.2016
    Bundespolizisten bei Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze
    Bundespolizisten bei Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze (dpa / picture-alliance / Revierfoto)
    Gerade sind wieder gut 50 Flüchtlinge im Durchsuchungszelt von Rosenheim angekommen. Darunter ein 27-jähriger Iraner. Verpflegung und warme Getränke stehen bereit. Die Beamten ziehen Handschuhe über, setzen Mundschutz auf. Routiniert durchsuchen sie die überwiegend jungen Männer und Frauen aus Afghanistan, Iran und Nordafrika. Die Abfertigung ist im Vergleich zum vergangenen Jahr irritierend perfekt organisiert. Die scharfen politischen Kontroversen um Obergrenzen, Passpflicht oder sexuelle Übergriffe in Köln scheinen hier weit weg . Die Polizisten schauen in die Rucksäcke, fragen nach Alter, Herkunft und Pass:
    "Und wo ist ihr Pass? Ich habe keinen Pass."
    Der 27jährige Iraner ist über die Balkanroute und Österreich problemlos ohne Pass nach Deutschland gekommen, wie die meisten, noch immer. Für Bayerns CSU-Politiker ein Unding. Ginge es nach dem Freistaat, würde er seine Grenze Richtung Süden am liebsten selbst kontrollieren. Dann stünden wieder mehr Bundespolizisten in Hamburg, Berlin oder Köln zur Verführung. Berlin winkt ab.
    Die Fingerabdrücke der ankommenden Flüchtlinge werden in dem Zelt neben dem Rosenheimer Bahnhof nur mit der europäischen Fahndungskartei abgeglichen, nicht gespeichert. Das verbiete der Datenschutz, erklärt der Sprecher der Rosenheimer Bundespolizei Rainer Scharf. Die Klagen über Personalmangel wie in anderen Bundesländern sind hier schon lange verstummt.
    "Wir werden aktuell aufgrund der Migrationslage bzw. nach der Wiedereinführung der Grenzkontrollen von etwa 500 bis 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt aus dem gesamten Bundesgebiet. Das ist insbesondere aus dem Bereich der Bereitschaftspolizei."
    Mehr als 1000 Beamte sind an der deutsch-österreichischen Grenze zwischen Passau und Lindau in einem Rotationsprinzip eingesetzt, darunter zeitweise eine Reiterstaffel aus Berlin, Bundespolizisten vom Bahnhof Frankfurt am Main und:
    "Ich bin normalerweise als Dienstgruppenleiter tätig im operativen Bereich und zwar in der Inspektion Kiel. Wir sind zuständig für die Grenze nach Dänemark und Puttgarden, Fehmarn, Lübeck, Lübecker Hafen und Kieler Hafen und natürlich der Bahnpolizei im Bereich Ostholstein."
    Frank Broderius hat sich mit 36 Lübecker Kollegen freiwillig zur Grenze gemeldet. Für 14 Tage. Ob sie nicht fehlen an der dänischen Grenze? Kein Kommentar. Trotz Sicherheitsdebatte nach den Übergriffen in Köln – an der österreichischen Grenze wird an Beamten nicht gespart. Von den im Herbst angekündigten binationalen Polizeistreifen oder Grenzstationen redet zwar keiner mehr.
    Die österreichischen Kollegen rüsten aber langsam auf mit Blick auf das kommende Frühjahr.
    Die Sprecherin der Salzburger Landespolizei Irene Stauffer:
    "Also derzeit haben wir keine Kontrollstellen, weil ja direkt an der Saalbachbrücke keine Personen aufhältig sind. Wie das dann im Frühjahr weiter geht, das wird dann entschieden, wenn sich die Lage wieder ändert."
    Für 2016 will Wien 1000 neue Polizisten an seinen Grenzen einsetzen. 2017 sollen noch einmal 1000 neue Stellen hinzukommen. Auch weil Deutschland immer mehr Flüchtlinge in Salzburg und Kufstein abweist. Die Sprecherin der Salzburger Landespolizei zuckt mit den Schultern:
    "Die Personen, die zurückkommen, werden ins Polizeianhaltezentrum gebracht, dort wird die rechtliche Situation geprüft, dass heißt, ob ein Asylgrund vorliegt, ob sie in Österreich Asyl bekommen können. Wenn nicht, dann entscheidet das eben das Bundesamt für Asyl, wo die hingehören."
    Die Salzburger Regionalbeauftragte für das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Beatrix Nowotny reagiert nervös auf Fragen von Journalisten. Zur Zahl der Asylanträge kann sie nichts sagen. Wie Wien mit den von Deutschland abgewiesenen Flüchtlingen verfährt kann sie auch nicht beantworten. Der Bürgermeister von Salzburg Heinz Schaden, Vizepräsident des österreichischen Städtebundes zeigt sich viel offensiver. Einige der Abgewiesenen tauchen ab als Illegale, weiß er, andere stellen Asylanträge.
    "Wir können die Leute natürlich nicht, nur weil die Deutschen sie nicht haben wollen, sagen, wir akzeptieren sie nicht und unsererseits jetzt weiterschieben. Ziel muss es sein, dass wir im Gleichkang mit den Deutschen handeln, das heißt Personengruppen, die keine Chance auf Asyl haben, wie etwa Marokkaner, sollten - und ich hoffe dass die Kontrollen in Spielfeld bald greifen – sollten auch in Österreich gar nicht ermutigt werden weiterzureisen oder um Asyl anzusuchen."
    Auf österreichischer Seite befürchtet man seit geraumer Zeit, dass Deutschland seine Grenzen schließt wie Dänemark und Schweden. Entsprechende Pläne soll es tatsächlich vom Bundespolizei-Präsidenten Dieter Romann aus Potsdam geben. Die Rosenheimer Beamten wissen von nichts, betonen sie.
    "Ich weiß, dass wir das jetzt bis Mitte Februar definitiv haben. Soweit sind die Grenzkontrollen ja erstmal festgelegt. Ob es darüber hinaus zu einer Verlängerung kommt - ist Sache des Bundesinnenministeriums."
    Alle Flüchtlinge, die nicht von Deutschland abgewiesen werden, stehen später in Zweierreihe vor dem Bus, der sie nach Erding ins Erstaufnahmelager fährt. Das Gepäck wird verstaut. In einer Stunde kommt der nächste Bus aus Österreich mit 50 weiteren hoffenden Migranten.