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Deutsch-palästinensische Forschungskooperation
Hoffen auf eine langfristige und tragfähige Zusammenarbeit

Ungeachtet aller politischen Krisen im Nahen Osten hat jetzt eine deutsch-palästinensische Forschungskooperation begonnen. In Jülich können palästinensische Studenten und Hochschulabsolventen die Infrastruktur des Forschungszentrums für ihre Arbeiten nutzen. Das soll nicht nur die wissenschaftliche Kooperation verbessern.

Von Helga Hermanns | 04.01.2017
    Der Eingang zum Forschungszentrum in Jülich mit Kugelbrunnen.
    Der Eingang zum Forschungszentrum in Jülich. (imago / Rech)
    Ghaleb Natour ist in Palästina geboren. 1979 kam er zum Studium nach Deutschland - und er blieb. Im Jülicher Forschungszentrum leitet er das Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik, an der RWTH Aachen unterrichtet er Studenten an der Fakultät für Maschinenwesen. Eine Karriere als Wissenschaftler wünscht er auch anderen jungen Palästinensern - vor allem in deren Heimat. Deshalb setzte Ghaleb Natour sich intensiv dafür ein, Talente systematisch zu fördern.
    "Ich bin hier als Institutsleiter immer mit dem Problem konfrontiert, dass ich nicht genug Kandidaten für Master- und PHD-Projekte finde. Auf der anderen Seite fehlt in Palästina diese Forschungsinfrastruktur. Und wir versuchen, mit diesem Programm beides zu kombinieren. Also uns Zugang zu gut ausgebildeten, motivierten Studenten zu ermöglichen und ihnen Zugang zu solchen Experimentiermöglichkeiten anzubieten."
    Mit Thomas Rachel, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium und im Kreis Düren zu Hause, fand Ghaleb Natour einen Verbündeten, der die Idee einer Forschungskooperation befürwortete und Fördergelder ermöglichte.
    Qualifikation in Palästina vergleichbar mit denen in Europa
    "Wir hoffen, dass wir mit den Forschungsaufenthalten, die im Forschungszentrum und an deutschen Universitäten ermöglicht werden, einen wissenschaftlichen Nachwuchs, einen kompetenten, gut qualifizierten, in den Palästinensischen Autonomiegebieten unterstützen, und dass sich insofern eine eigene Wissenschaftsszene stärker dort entwickeln kann. Und natürlich - der Blick geht immer nach vorne - wir wollen tragfähige, langfristige Kooperationen ermöglichen."
    Die Qualifikation nach Schule und Universität in Palästina sind vergleichbar mit denen in Europa, sagt Professor Natour. Doch die jungen Leute dort seien sehr viel motivierter. Zum Beispiel die Doktorandin Asmaa Alhroob, die seit Februar in Jülich ist. Die Physikerin hat vor ein paar Wochen ein Mädchen geboren, verzichtet aber auf den Mutterschutz, um weiter an ihrer Promotion arbeiten zu können.
    "Als ich in Palästina war, hatte ich schon einen großen Ehrgeiz, weiter zu kommen. Aber hier merke ich, dass ich sehr viel freier und selbstständiger arbeiten kann, und das gibt mir noch mehr Hoffnung. Es gibt viele Frauen, die gute Studienabschlüsse machen. Aber da ist oft noch das traditionelle Denken in vielen Familien. Sie sind nicht so liberal wie meine Familie oder die von Sabreen."
    Sabreen Hammouda ist ebenfalls Physikerin. Wie Asmaa beschäftigt sie sich im Forschungszentrum Jülich mit Neutronenstreuung. Nach der Promotion will sie zurück an eine Hochschule in Palästina, um dort zu unterrichten. Was treibt sie an?
    "Ich sage es mal in einem Satz: Versuche es einfach, bis du deine Grenzen spürst. Asmaa sagte es schon, wir haben die gleichen Kollegen. Sie sind sehr freundlich, wirklich tolle Leute. Sie stehen immer bereit, um dir zu helfen, dann findest Du alles leichter. Vor allem, wenn du auch noch Talent hast."
    Infrastruktur entwickeln, Arbeitslosigkeit senken
    Ghaleb Natour will mit dem Programm ScienceBridge einen ersten Schritt tun, um langfristig in Palästina eine nachhaltige Forschungs- und Entwicklungslandschaft aufzubauen.
    "Dann könnten sich um die Infrastruktur Services für die Gesellschaft entwickeln Richtung Wasseruntersuchung, Umweltuntersuchung. Und ich denke, dass unser Programm dazu dienen kann, diese Arbeitslosigkeit bei Akademikern zu lindern."
    Dass durch die Forschungskooperation mit den palästinensischen Autonomiegebieten das Verhältnis zu Israel getrübt werden könnte, daran glaubt Staatssekretär Rachel nicht. Er weiß, wovon er spricht, denn er ist Vorsitzender der Deutsch-israelischen Stiftung für Forschung und Entwicklung. Gleichzeitig befürwortet er die 2-Staaten-Lösung:
    "Die Idee besteht eben darin, dass wir die Weiterentwicklung beider Länder sehr ernst nehmen und unterstützen wollen. Und natürlich brauchen wir eine friedliche Entwicklung in der Region. Das kann am besten gelingen, indem eine Zukunftsperspektive für die dortige Bevölkerung entsteht. Und dazu kann, im Kleinen jedenfalls, die Wissenschaft und Forschung auch einen Beitrag leisten."