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Deutsche Sprache
"Anglizismen bedrohen die Sprache nicht"

Die deutsche Sprache ist erstaunlich reich und nicht von Anglizismen bedroht - das sagte Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, im Deutschlandfunk anlässlich einer Veranstaltung zu dem Thema. In einigen Bereichen seien die Sprache und ihre Bedeutung allerdings in Gefahr.

Klaus-Dieter Lehmann im Gespräch mit Karin Fischer |
    Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, steht vor einem Logo des Goethe-Institut
    Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts (picture alliance / dpa / Tim Brakemeier)
    Karin Fischer: Ein Jahr lang hat man beim Goethe-Institut und mit dem Goethe-Institut debattiert über die deutsche Sprache und deren Zukunft. Mit im Boot waren das Institut für deutsche Sprache und der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Reise ging zu 40 Veranstaltungen in sechs Ländern. Heute Abend ist das Abschluss-Panel im Museum für Kommunikation in Berlin, auf dem auch erste Erkenntnisse aus der einjährigen Diskussion vorgestellt werden. Frage an den Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann: Was haben Sie über den Zustand der deutschen Sprache gelernt?
    Klaus-Dieter Lehmann: Wir haben gelernt, dass die Dinge, die so im Vordergrund der Diskussion stehen, eigentlich nicht der Hauptpunkt ist, zum Beispiel die Frage der Reinigung der deutschen Sprache. Die Sprache ist eigentlich erstaunlich reich und die Anglizismen bedrohen die Sprache nicht wirklich. Es ist auch kein schrumpfender Wortschatz zu sehen.
    Was deutlich wurde, ist die Gefahr des Deutschen als Wissenschaftssprache, die Position zu verlieren. Das war eigentlich das Hauptthema vieler, vieler Veranstaltungen.
    Fischer: Der Überraschungs-Kinoerfolg des vergangenen Jahres, "Fack ju Göhte", hat Ihnen nicht nur klammheimlich Spaß gemacht. Sie haben das gerade angedeutet: Sie wollten ganz wenig sprachpflegerisch und noch weniger deutschtümelnd vorgehen. Was war das Ziel der Veranstaltung, Werben fürs moderne Deutsche im In- und Ausland?
    Lehmann: Das Ziel bei uns war natürlich: Wir können uns auch als Goethe-Institut im Ausland nicht glaubwürdig verhalten, wenn wir nicht im eigenen Land mehr Leidenschaft für die Sprache entwickeln und auch zusehen, dass die Möglichkeiten der deutschen Sprache in der Wirtschaft, in der Wissenschaft sehr viel deutlicher gemacht wird. Es ist ja ein Unterschied, ob ich eine Verkehrssprache habe wie das Englische, oder eine Wissenschaftssprache, die wesentlich qualifizierter sein muss, und insofern wollten wir einfach mal wissen, wie ist das Sprachwahlverhalten der Gastwissenschaftler, die nach Deutschland kommen, ist Internationalisierung ausschließlich von englischen Lehrveranstaltungen abhängig, oder müsste nicht eher eine Universität über den Mehrwert eines Studiums informieren. Das waren die Dinge, die wir bringen wollten, wo liegt der Mehrwert der deutschen Sprache im Land selbst und wie verändert sich die Sprache durch Digitalisierung, durch Migranten, durch den Einfluss der Trends, die einfach durch die Hegemonie der englischen Sprache gegeben sind.
    Fischer: Universitäten, die sich fortschrittlich geben wollen und auch ausländische Studierende haben, sprechen ganz freiwillig Englisch in Deutschland.
    Lehmann: Es ist ein bisschen unterschiedlich. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man gerade im Universitätsbereich auch bilinguale Kurse anbietet. Wenn man sich nur auf das Englische beschränkt - das zeigt im Grunde die Studie, die wir dann Anfang des Jahres veröffentlichen werden -, verlieren wir tatsächlich Zugänge und Differenziertheiten der eigenen Sprache und wir haben dann das Problem, dass die gesamte Publikationstätigkeit der Wissenschaftler nur noch in einer englischen Sprache ist. Wir haben jetzt erlebt bei einem Goethe-Kongress, ein internationaler Goethe-Kongress, der nur in englischer Sprache abgehalten werden durfte, keine deutschen, spanischen oder französischen Beiträge, es mussten sogar die Goethe-Zitate in englischer Sprache gebracht werden. Da läuft was schief.
    Die internationale Qualität des Wissenschaftsstandortes Deutschland ist nicht allein davon abhängig, dass es englischsprachig ist, sondern dass es Qualitäten inhaltlicher Art hat. Die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer sind klar, die sind dominiert vom Englischen. Aber wenn wir in den Geisteswissenschaften, in der Kunst, in der Literatur das Englische als einzige Verständigungssprache haben, dann würden wir ärmer und dümmer.
    Fischer: Gilt, zugespitzt formuliert, das Deutsche im Ausland inzwischen fast mehr als zuhause?
    Lehmann: Ja, das kann man fast sagen, und vielleicht ist das auch der Grund, warum wir in Deutschland diese Kampagne gemacht haben, um den Wert der Sprache auch wirklich in Deutschland noch mal zu haben. Es gab diese wunderschöne Studie von Trabant, ein Wissenschaftler der FU Berlin, der deutlich macht, im 19. Jahrhundert war Deutsch mit Sprachliebe verbunden. In der Nazi-Zeit war es der Sprachhass und in der Nachkriegszeit war es die Sprachscham. Es darf jetzt nicht die Sprachschwächung werden, gerade in einer Zeit, wo Deutsch wieder mit den Inhalten so deutlich identifiziert wird.
    Fischer: Herzlichen Dank, Klaus-Dieter Lehmann, für diesen Bericht zur Lage der deutschen Sprache am Tag der Abschlussveranstaltung der Initiative Deutsch 3.0 in Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.