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Winterspiele in Peking
Deutscher Sportausschuss lehnt Boykott ab

Drei Wochen vor den Winterspielen in Peking wird das Sportereignis kontrovers diskutiert - bis hin zu einem möglichen Boykott. Für die Mitglieder des Sportausschusses im Deutschen Bundestag kommt der aber nicht in Frage.

Von Wolf-Sören Treusch | 15.01.2022
Stadion in Peking
Viele westliche Länder haben bereits einen politischen Boykott der Olympischen Spiele in Peking angekündigt. (dpa/picture alliance/AP)
„Olympia ist ein Highlight. Olympia ist im Leben eines Sportlers, einer Sportlerin das höchste Ziel mit. Hier will man fighten, hier will man sich zeigen, hier will man Leistung bringen,“ Tina Winklmann, Freizeit-Fußballerin und seit kurzem sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. „Unsere Sportlerinnen und Sportler, sie haben sich teilweise ein Leben lang darauf vorbereitet, die sollen hinfahren, sich in den Wettkämpfen messen.“
Die Probleme, die man mit Ausrichterland China habe, dürften nicht auf dem Rücken der Athletinnen und Athleten ausgetragen werden, findet Winklmann. Schließlich könnten sie nichts dafür, dass die Spiele in Peking stattfinden. „Es ist eine politische und gesellschaftliche Entscheidung, wohin Spiele vergeben werden. Da müssen wir ran. Und darüber müssen wir diskutieren, wer bekommt Olympia?“

Olympiaboykotte würden den Athleten und Athletinnen schaden

„Olympiaboykotte haben in der Sache noch nie etwas bewirkt, außer dass sie vor allem den Sportlerinnen und Sportlern massiv geschadet haben.“ Ergänzt der sportpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, CSU.
Im Dezember noch war Mayer zum Vizepräsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes gewählt worden. Nach Entscheidung der Bundesregierung darf er den organisierten Sport aber erst nach einer Karenzzeit von einem Jahr vertreten, war er doch bis vor kurzem noch Parlamentarischer Staatssekretär im für Sport zuständigen Innenministerium. Im Sportausschuss des Deutschen Bundestages herrscht in Sachen Olympia über die Fraktionsgrenzen hinweg große Einigkeit, sowohl bei Regierung wie auch Opposition.
Olympiaboykotte würden nichts bewirken, sondern den Athleten und Athletinnen schaden, meint Stephan Mayer, sportpolitische Sprecher der Unionsfraktion (CSU).
Olympiaboykotte würden nichts bewirken, sondern den Athleten und Athletinnen schaden, meint Stephan Mayer, sportpolitische Sprecher der Unionsfraktion (CSU). (picture alliance/dpa | Jörg Carstensen)
„70 Prozent der Wintersportlerinnen und -sportler nehmen nur einmal in ihrer Sportkarriere an Olympischen Spielen teil. Wir würden also einem Großteil der 150 Athletinnen und Athleten, die aus Deutschland vorgesehen sind, für die Teilnahme in Peking ihre einzige Chance in ihrer sportlichen Karriere nehmen, ihren Traum zu erfüllen, an Olympischen Spielen teilzunehmen.“

Weiterhin Uneinigkeit auf EU-Ebene

Gleichzeitig ist allen Politikerinnen und Politikern klar: Irgendein Zeichen muss her, um deutlich zu machen, dass die massiven Menschenrechtsverletzungen in China, der Umgang mit Minderheiten, die Repressionen in Hongkong nicht in Ordnung sind. Also ein diplomatischer Boykott? Wie ihn unter anderem die USA und Großbritannien angekündigt haben, die keine Regierungsvertreter zu den Spielen nach Peking entsenden werden.
Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP, findet die Idee gut. Eigentlich.
„Aber wir haben auch gesagt, wenn wir jetzt generell von einem Boykott sprechen, auch auf diplomatischer Ebene, dann machen wir das mit europäischen Partnern zusammen, und da gibt es eben keine Einigkeit. Einigkeit besteht nur darin, dass wir auch die Menschenrechtsverletzungen ansprechen.“
Außenministerin Annalena Baerbock hatte sich beim EU-Gipfel in Brüssel vergeblich um eine gemeinsame europäische Linie bemüht. SPD-Sportpolitik-Sprecherin Sabine Poschmann hält andere Druckmittel in Richtung Peking ohnehin für effektiver.
„Es sind Sanktionen weiter verlängert worden gegen China, das Investitionsabkommen ist auf Eis gelegt worden, was Jahrelang verhandelt wurde. Also es sind viel schärfere Schwerter bereits beschlossen worden als jetzt, ob ein Politiker da auf der Bühne sitzt.“

Dialog vor Ort wichtig

Aus den Reihen des Bundestags-Sportausschusses wird niemand nach Peking fahren. Vor allem wegen Corona, aber auch weil die Akkreditierungsfrist für Olympia längst abgelaufen war, als sich der Ausschuss im Dezember konstituierte. Ärgerlich, findet Andre Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linken. Denn Olympia sei ein gutes Podium, sensible Themen direkt vor Ort anzusprechen und erinnert an Russland 2014.
„Ich selbst bin in Sotschi gewesen bei den Paralympics und habe mich dort selbstverständlich mit Vertretern der Homosexuellen-Verbände, mit Umweltaktivisten und auch mit Menschenrechtsorganisationen getroffen, aber eben auch die Sportler unterstützt bei ihren Wettkämpfen. Ich möchte im Gespräch sein mit den Betroffenen in dem Ort, wo die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Und dass sie nach Peking vergeben worden sind, das kann man für falsch halten, genau wie die Vergabe nach Katar der Fußballweltmeisterschaft, nur: Es ist ja jetzt geschehen.“

Omikron überlagert Boykott-Debatte

Überlagert wird diese ganze Debatte durch die Pandemie. Omikron hat auch China erreicht trotz scharfer Null-Covid-Strategie. Wirbel gab es in den letzten Tagen um die olympischen Corona-Regularien und die Frage, wann wird ein PCR-Test als positiv gewertet. Trotz aller Sorgen ist CSU-Politiker Stephan Mayer dennoch optimistisch, dass in Peking alles mit rechten Dingen zugehen wird.
„Ich gehe davon aus, dass auch die chinesischen Gastgeber ein Interesse daran haben werden, dass reguläre Bedingungen stattfinden, und nur unter dieser Voraussetzung ist es natürlich unseren Sportlerinnen und Sportlern zumutbar, an den Wettkämpfen teilzunehmen.“
Die Spiele in Peking werden in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung sein. Die Mitglieder des Sportausschusses dürften sich nicht das letzte Mal mit ihnen beschäftigt haben.