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Deutschkurse
Mit der Kraft der Bilderbücher lernen

Deutsch lernen mit Fantasie. Dazu wird eine Zeichnung aus einem Bilderbuch an die Wand geworfen, Kinder beschreiben, was darauf zu sehen ist und erzählen eine Geschichte dazu. Mit diesem Konzept, Bilderbuchkino genannt, soll schulpflichtigen Roma-Kindern in Berlin-Neukölln geholfen werden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Von Kemal Hür | 12.11.2014
    Ein Schüler einer dritten Klasse der Evangelischen Grundschule in Frankfurt (Oder) meldet sich beim Deutschunterricht, aufgenommen am 14.01.2009.
    Viele Grundschulkinder in Berlin können nicht richtig Deutsch. Das "Bilderbuchkino" soll es ihnen näher bringen. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    "Wir gucken uns mal das Titelbild dieses Buches an. Und wir schauen, was ist auf diesem Titelbild zu sehen?" – "Ein Hase."
    Mathias Neumann projiziert ein Bild an die Tafel. Darauf zu sehen: ein kleiner Hase, der auf der Nase eines riesigen Dinosauriers sitzt. Die Zeichnung ist einem Bilderbuch entnommen. Der Text ist nicht zu sehen. Die Kinder sollen animiert werden, das Bild zu beschreiben, oder ausgehend davon eine Geschichte zu erzählen. Bilderbücher sind dazu sehr gut geeignet, sagt Mathias Neumann, der das Bilderbuchkino an vielen Grundschulen und Kitas anbietet.
    "Die Bilderbücher, die sind so motivierend und so inhaltsreich und so ausdrucksstark, dass wenn ich die Kinder auffordere, zu sagen, oder zu beschreiben, was sie sehen, das ist ja im Grunde genommen eine Herausforderung an die Kinder: Was wisst ihr? Erzählt mir, was ihr eigentlich wisst, zeigt mir, was ihr alles könnt, dass die da sofort drauf einspringen."
    Tatsächlich melden sich immer mehr der 20 Kinder und machen eifrig mit. Die Bilder wählt Neumann so aus, dass die Schüler Vokabeln üben, die Geschichte auf dem Bild erzählen, oder aber über andere Themen sprechen können.
    "Die Bandbreite der Möglichkeiten geht also vom einfachsten Vokabeltraining bis dahin, dass wir zum Beispiel in einer Willkommensklasse - um nur mal ein Beispiel zu nennen - einen Hund hatten, und der Hund fletschte seine Zähne. Und dann kamen wir plötzlich auf Tollwut zu sprechen. Das Wort wurde dann zunächst natürlich auf Rumänisch genannt. So hatten wir dann einen Anlass, aus dem Buch heraus über etwas ganz anderes zu sprechen."
    Der Bedarf in Berlin-Neukölln wächst
    Das "Bilderbuchkino" bietet die Bürgerstiftung Berlin seit 2006 an. Die Methode, Bilder an die Wand zu projizieren und Geschichten nachzuerzählen, stammt aus der Reformpädagogik der 70er-Jahre. Als "Bilderbuchkino" modernisiert, wird es berlinweit an 40 Grundschulen und Kitas angeboten. An einigen Schulen und Kitas zweisprachig, Deutsch kombiniert mit Türkisch, Arabisch, Englisch und vielen anderen Sprachen.
    In Neukölln wächst der Bedarf an Rumänisch stark an. An der Hans-Fallada-Schule stammt jedes fünfte Kind aus Rumänien; rumänischsprachige Mitarbeiterinnen helfen bereits bei der Sprachvermittlung. Das "Bilderbuchkino" begrüßt Schulleiter Carsten Paeprer als zusätzliche Ergänzung.
    "Die Situation, dass mal jemand von außen kommt, ist eine sehr bereichernde, weil meine Lehrkräfte sich auch mal zurücklehnen können und sehen, wie reagieren denn die Kinder darauf. Sonst sind sie immer in Aktion. Und so haben sie mal eine Situation: Mensch, so und so ist es. Da kann mal nochmal reflektieren, es für die eigene Arbeit natürlich auch übernehmen. Von daher ist es eine irre Bereicherung."
    Über die Zahl von Roma-Familien gibt es keine statistische Erhebung. In Neukölln sind 5.000 Personen aus Rumänien und Bulgarien gemeldet, davon 3.000 Unternehmer, beziehungsweise Gewerbeinhaber, sagt Franziska Giffey, Bezirksstadträtin für Bildung.
    "Wenn Sie über 3.000 Gewerbeanmeldungen haben, dann hängt da meistens eine Familie mit dran. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir über 10.000 Menschen allein aus Bulgarien und Rumänien hier haben. Davon natürlich auch ein Teil Roma-Familien, die eben aus dieser schwierigen Lage dort, auch aus Diskriminierung, aus wirtschaftlicher Not hierher kommen."
    Da der Bezirk finanziell nicht gut da steht, ist die Stadträtin besonders froh darüber, dass die private Flick-Stiftung das Bilderbuchkino für ein Jahr finanziert.
    Viel Elan, wenig Mittel
    Aber die Bürgerstiftung Berlin möchte das Projekt dauerhaft anbieten, sagt Natascha Salehi-Shahnian, Projektkoordinatorin des "Bilderbuchkinos".
    "Das Bilderbuchkino wird bleiben. Dass wir einen Mitarbeiter mit Stunden bereitstellen, das können wir nicht garantieren; das Projekt ist nicht ausfinanziert. Aber wir haben die Kooperationen, wir haben die Bücher, wir stellen auch Weiterbildungen zur Verfügung, so dass die Lehrer, Erzieher oder auch Ehrenamtliche das auf jeden Fall weiterführen können. Dafür sorgen wir auf jeden Fall."
    Sehr zur Freude der Kinder. Denn ihnen hat das "Bilderbuchkino" großen Spaß gemacht.
    "Bei der Geschichte hat mir alles gefallen, der Hase, weil er gut angegriffen hat."
    "Dieser kleine Hase Rosi, er hatte keine Angst."
    "Ich mag, weil die Hase hat den Dinosaurier geküsst. Mit hat alles gefallen."