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Deutschtest-Urteil
"Ergebnis ist integrationspolitisch gefährlich"

"Rechtlich falsch", sei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, nach dem von türkischen Ehepartnern bei der Einreise keine Deutschtests mehr verlangt werden dürfen, kritisiert CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl im Deutschlandfunk. Das Ergebnis gefährde die Integration - die beginne mit dem Erlernen der Sprache.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dr. Hans-Peter Uhl, CSU-Innenexperte, aufgenommen am 19.02.2014 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema: "Ziemlich beste Koalitions-Feinde - Wie groß ist der Schaden durch den Fall Edathy?" in den Studios Berlin-Adlershof.
    "Wir fordern zu Recht Integration in Deutschland, und die beginnt und endet mit dem Erlernen der Sprache in Wort und Schrift", sagt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses, die sich derzeit in den USA aufhalten, sie konnten es wohl auch kaum glauben. Da war vor Monaten bekannt geworden, dass die NSA wohl massenhaft die Daten von Deutschen abschöpft und sogar das Handy der Kanzlerin abhörte. Dann wurde in der vergangenen Woche ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes festgenommen, der gestanden hat, den Amerikanern Hunderte geheimer Dokumente verkauft zu haben.
    Gestern dann platzte die nächste Bombe. Demnach ist offenbar ein weiterer Spion im Dienste der Amerikaner aufgeflogen, diesmal im Umfeld des Verteidigungsministeriums. In Deutschland herrscht Empörung, in Washington aber hält sich das Verständnis dafür offenbar in Grenzen.
    In diesen Minuten sind die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums zusammengetreten, und zwar in einem angeblich zumindest abhörsicheren Raum des Reichstagsgebäudes. Und das ist auch nachvollziehbar, werden sie doch von der Bundesregierung über den neuesten Spionagefall informiert. Der könnte sich als weit ernster herausstellen als der Fall der vergangenen Woche.
    Die Empörung ist groß in Berlin, angesichts des neuen US-Spionagefalls. Wolfgang Bosbach, der Chef des Innenausschusses, nennt die Spione Verräter, deren Handeln unentschuldbar sei. Und Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht von der Dummheit der Amerikaner.
    Am Telefon ist jetzt Hans-Peter Uhl von der CSU. Er ist innenpolitischer Experte der Unions-Bundestagsfraktion, war jahrelang Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium und ist jetzt Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag, Herr Uhl.
    Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott!
    Heckmann: Herr Uhl, bei allem, was Sie von dem neuen Spionagefall jetzt im Verteidigungsministerium wissen, ist der möglicherweise noch schlimmer als der von der vergangenen Woche?
    Uhl: Ja, das glaube ich schon, ohne jetzt konkrete Einzelheiten zu kennen. Die werden ja dem Parlament jetzt erst zugänglich gemacht, dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Aber allein die Person, um die es geht, das ist eine andere Qualität. Die Stelle, die er innehat im Verteidigungsministerium, hat auch eine andere Qualität. Das ist schon ernster zu nehmen und deswegen muss das Konsequenzen haben.
    "Amerikanische Nachrichtendienst-Beamte müssen Deutschland verlassen"
    Heckmann: Das muss Konsequenzen haben. Was sind das für Konsequenzen, die Ihnen da vorschweben?
    Uhl: Zunächst mal ist es auch üblich in solchen Fällen, dass die Nachrichtendienst-Beamten, die amerikanischen, die Verbindungsleute das Land zu verlassen haben. Das ist die erste Konsequenz.
    Heckmann: Und wenn das nicht passiert?
    Uhl: Das passiert dann schon.
    Heckmann: Davon gehen Sie aus?
    Uhl: Ja.
    Heckmann: Weshalb sind Sie da so sicher?
    Uhl: Ja, natürlich! Da ist ja Deutschland ein souveräner Staat. Das kann Deutschland organisieren.
    Heckmann: Das heißt, über kurz oder lang wäre die Bundesregierung dann auch möglicherweise gezwungen, die entsprechenden Personen auszuweisen, was ein Novum wäre. So ist das noch nie passiert.
    Uhl: Das macht man diplomatischerweise besser so, dass man den Amerikanern sagt, holt diese Leute zurück, sie haben unsere Beziehungen nachhaltig gestört und verletzt, sie haben durch ihr tölpelhaftes Verhalten Antiamerikanismus geradezu gezüchtet, wie Wolfgang Schäuble zu Recht sagt, es ist in eurem Interesse, die abzuziehen, sodass wir sie gar nicht ausweisen müssen.
    Heckmann: Sind es die betroffenen Personen, die handelnden Personen, die diesen Antiamerikanismus gezüchtet haben, wie Sie gerade den Minister zitiert haben, oder ist es nicht die amerikanische Regierung?
    Uhl: Ich würde mich wundern, wenn solche Details an die Spitze der Regierung herangetragen werden würden. So was wird im Bereich des Apparates gemacht und allenfalls Ergebnisse werden nach oben getragen. So was weiß ein Präsident der Vereinigten Staaten nicht.
    "Obama ist verantwortlich, auch wenn er es nicht gewusst hat"
    Heckmann: Das heißt, der amerikanische Präsident kann dafür auch nicht verantwortlich gemacht werden?
    Uhl: Doch! Er ist für alles verantwortlich, was seine Administration macht, auch wenn er es nicht gewusst hat. Aber er muss natürlich dann in seiner Organisationshoheit verfügen, dass so was sich nicht wiederholt.
    Heckmann: Haben Sie den Eindruck, dass diese Konsequenzen gezogen werden in Washington? Man hat ja nicht den Eindruck.
    Uhl: Den habe ich auch nicht, den Eindruck. Ich war auch vor einiger Zeit in den USA und habe die NSA-Debatte dort diskutiert, und das hört man sich geduldig an, aber man kann an den Gesichtern ablesen, dass die Befindlichkeit in Amerika eine völlig andere ist.
    Heckmann: Und zwar wie ist die Befindlichkeit aus Ihrer Sicht?
    Uhl: Es beginnt schon bei einem völlig anderen Datenschutzverständnis und Sicherheitsverständnis. Die Sicherheitsaspekte haben einen so ungleich höheren Rang im Verhältnis zu Datenschutzgrundsätzen, dass man uns schon gar nicht versteht, warum wir uns so aufregen über das Abhören und Ausforschen und Mithören und milliardenfachen Speichern von Kommunikation. Das hält man in den USA für ganz normal.
    "Abhören hält man in den USA für ganz normal"
    Heckmann: In der Tat: Viele Amerikaner sagen ja, auch in Washington, was regt ihr euch auf, ihr Deutschen, wir haben halt unsere Ohren natürlich überall und unsere Augen. Ist ja auch kein Wunder: Die Attentäter vom 11. September, die konnten sich immerhin in Hamburg frei bewegen und frei agieren. Klar: Wir sind Partner, die Deutschen und die Amerikaner, aber wir spähen uns trotzdem aus, zumindest tun wir es, wir Amerikaner, wir spähen die Deutschen aus, und das ist für uns auch kein Widerspruch.
    Uhl: Wir spähen die Amerikaner nicht aus. Unter befreundeten Nationen tut man das nicht. Das sehen aber die Amerikaner erkennbar anders. Das ist das eine, was zu sagen ist, und das zweite, dass wir natürlich schon feststellen müssen, dass wir im Bereich der IT-Technologie in einer großen Abhängigkeit von amerikanischer Technologie sind. Das heißt, die Souveränität der Kommunikation in Deutschland ist nicht mehr gegeben.
    "Wir wollen keine digitale Besatzungsmacht USA in Deutschland"
    Heckmann: Wir spähen die Amerikaner nicht aus, sagen Sie. Jedenfalls ist nichts anderes bekannt bisher. Sollte sich diese Praxis aber möglicherweise ändern, denn innerhalb der Geheimdienste und auch im zuständigen Ministerium denkt man ja darüber nach, über einen 360-Grat-Blick, den wir in Zukunft auch erhalten müssen?
    Uhl: Ich wäre vorsichtig mit solchen Vorgehensweisen, weil man nicht etwas tun sollte, was man bei anderen rügt. Ich wäre aber schon engagierter bei der Frage des Aufdeckens von Abhörtechniken auch verbündeter Staaten in Berlin, also von den Botschaften aus, inwieweit der Reichstag, unsere Kommunikation, und vor allem auch die Ministerien und das Kanzleramt technisch abgehört werden. Hier müssen technische Gegenmaßnahmen von deutscher Seite erfolgen, dass wir diese Arbeit stören.
    Heckmann: Wie bewerten Sie die Aufregung, die im Moment in Berlin stattfindet? Man hat den Eindruck, dass es ein bisschen auch was Künstliches hat, eine künstliche Aufregung produziert wird, weil alle eigentlich wissen, so richtig tun kann man eigentlich nichts.
    Uhl: Ja, die Handlungsoptionen sind begrenzt. Das ist richtig. Gegen Spionage kann man letztlich nur, wenn man den Spion überführt hat, Maßnahmen ergreifen, und in all den anderen Fällen ist man ohnmächtig. Deswegen ist die Empörung ja auch etwas größer, weil man seine Ohnmacht erkennt. Auch ich habe immer wieder gesagt, wir wollen keine digitale Besatzungsmacht USA in Deutschland haben. Wir wollen unsere Souveränität in Deutschland stärken. Aber das ist eine Aufgabe an die Technik und nicht an die Politik. Das heißt, wir müssen technisch auf gleicher Augenhöhe sein, und davon sind wir weit entfernt. Hier ist sehr viel nachzuholen.
    "Abkommen müsste nachgebessert werden"
    Heckmann: Herr Uhl, eine kurze Frage noch im Anschluss. Es gab heute ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Demnach sind die Deutsch-Tests für zuziehende Türken rechtswidrig. Hat damit wieder einmal ein höchstes Gericht der Bundesregierung bescheinigt, Mist gebaut zu haben?
    Uhl: Nein. Ich habe das Urteil noch nicht zur Gänze lesen können, ich kenne nur das Ergebnis, und das Ergebnis ist falsch, rechtlich falsch, integrationspolitisch gefährlich. Es handelt sich offensichtlich um eine Analphabetin aus der Türkei und wir fordern zu Recht Integration in Deutschland, und die beginnt und endet mit dem Erlernen der Sprache in Wort und Schrift, und das ist etwas, was Analphabeten ja gerade nicht können. Sie könnte nicht mal die türkische Sprache schreiben. Deswegen sollte Deutschland alles daran tun, um Nachzug von solchen Menschen zu verhindern.
    Heckmann: Würden Sie im Ernst empfehlen, dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu ignorieren?
    Uhl: Das wird schwierig sein. Aber wir sollten uns dieses Abkommen, auf das das Gericht sich stützt, noch mal genauer anschauen. Auch dieses Abkommen ist nicht von Gott gegeben, sondern ist von Menschenhand. Das müsste nachgebessert werden.
    Heckmann: Der innenpolitische Experte der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl von der CSU war das. Herr Uhl, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Uhl: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.