Montag, 29. April 2024

DFB-Bundestrainer
Wie Julian Nagelsmann die DFB-Elf wieder fit machen soll

Die Entscheidung für Julian Nagelsmann als neuen Bundestrainer sei ein Glücksfall für den DFB, es habe aber auch keine andere Alternative gegeben, sagten die Journalisten Thomas Kistner und Claudia Neumann. Für den Verband seien die Prognosen düster.

Claudia Neumann und Thomas Kistner im Gespräch mit Matthias Friebe | 24.09.2023
Der neue DFB-Bundestrainer Julian Nagelsmann bei seiner Vorstellung in Frankfurt.
Der neue DFB-Bundestrainer Julian Nagelsmann: Die Journalisten Thomas Kistner und Claudia Neumann halten ihn für eine gute Lösung. Dennoch gebe es im Verband einige Probleme. (dpa / picture alliance / Florian Wiegand)
„Für mich ist Julian Nagelsmann als Bundestrainer eine wirklich gute Wahl“, sagte ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann im Deutschlandfunk. Zwar habe es keine echte Alternative gegeben, sagte Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung, aber Nagelsmann sei ein „unerhörter Glücksfall für den DFB“. Dass ein Trainer dieser Kaliberstärke derzeit gerade auf dem Markt gewesen und bereit gewesen sei, diese Aufgabe unter den Umständen zu übernehmen.
Beide Journalisten begrüßten die Entscheidung als positiv. Die kurze Laufzeit von Nagelsmanns Vertrag bis zur EM 2024 sei mit der enormen Wichtigkeit des Turniers für den DFB als Verband an sich, für die Nationalmannschaft und den Bundestrainer selber begründet. Komme Nagelsmann mit dem DFB-Team ins Halbfinale und zeige auf dem Weg dorthin attraktive Spiele, werde es die Bereitschaft geben mit ihm weiter zu machen, bei einem frühzeitigen Scheitern bei einer EM, ende der Vertrag ohnehin, sagte Kistner.

DFB ist finanziell nicht mehr auf Rosen gebettet

Auch habe der Verband etwas aus der Erfahrung gelernt, indem man früher langjährige Verträge geschlossen habe, wo sich die sportliche Leistung bei den Turnieren dann später nicht eingestellt habe, sagte Neumann im Hinblick auf die Verträge der ehemaligen Bundestrainer, wie Joachim Löw, Hansi Flick, Steffi Jones bei der Frauen-Nationalmannschaft. Außerdem seien langfristige Verträge für den klammen Verband momentan nicht mehr leistbar, führte Kistner weiter fort.
Bei den Nationalspielern werde es interessant zu sehen sein, wie Nagelsmann mit den ehemaligen Bayern-Spieler, mit denen er nicht das beste Verhältnis hatte, wie Manuel Neuer und Thomas Müller, umgehe und wie er ein gutes Team forme. Hier könne es eventuell Unruhe oder auch noch Rücktritte von verdienten Nationalspielern gehen, mutmaßte Kistner.

Personalie Rettig dürfte für Unruhe sorgen

Bei der anderen wichtigen Personalie von Andreas Rettig, dem neuen Geschäftsführer Sport, übte Neumann etwas Kritik und ordnete diese als Stärkung der Hausmacht von DFB-Präsident Bernd Neuendorf, da Rettig ein Wahlkampfhelfer für den Präsidentsschaftwahlkampf von Neuendorf gewesen sei.
Journalist Kistner prognostizierte, dass mit der Personalie Rettig ein neuer Konflikt angelegt sei. „Warum er derjenige sein soll, der hier die große Transformation vollzieht, ist nicht erkennbar“, sagte Kistner. Außerdem sei Rettig definitiv jemand, der spaltet. Dies sei schon direkt daran erkennbar, dass Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Mintzlaff direkt aus der DFB-Taskforce ausgetreten, nachdem Rettigs Personalie bekannt gegeben worden ist. Außerdem sei wohl bei einem Gespräch mit DFB-Vizepräsident Aki Watzke und Rettig ausgehandelt worden, dass Rettig sich aus den Belangen des Profifußballs zurückhalten soll, um nicht für weiteren Unmut und Missstimmung zu sorgen.

Negativ-Beispiel WM in Katar

Für die Heim-EM seien die Erwartungen so gering, da es in der Bevölkerung auch sehr wenig Interesse gebe, sagte Kistner. Dies sei alles nicht mehr mit dem Sommermärchen von 2006 vergleichbar. Vieles habe sich geändert, auch in der Gesellschaft und ihrer Einstellung zum Fußball und der Nationalmannschaft.
Ein Negativ-Beispiel sei dabei die verkorkste WM in Katar mit der Debatte um die Regenbogenbinde. „Katar ist komplett in die Hose gerutscht“, sagte Neumann. Sie kritisierte dabei aber auch Journalisten und Medienschaffende. Hier sei vieles in einen Topf geworfen worden und nicht ausreichend differenziert worden.
Ein positives Beispiel seien die spanischen Fußballerinnen, die authentisch für ihre Rechte einstehen und für diese kämpfen, sagte Neumann.