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Diätenerhöhung
Schmidt-Jortzig: Bundestag hat zu lange gezögert

Der ehemaliger Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) findet die geplante Reform der Diätenerhöhungen für die Bundestagsabgeordneten im Grundsatz richtig. Änderungen hätte er sich aber bei den Kostenpauschalen vorstellen können, sagte Schmidt-Jortzig im Deutschlandfunk.

Edzard Schmidt-Jortzig im Gespräch mit Gerd Breker | 12.02.2014
    Gerd Breker: Es gibt so Zufälle, Koinzidenzen genannt. Da fordert der Arbeitnehmervertreter des öffentlichen Dienstes dreieinhalb Prozent mehr für die nächste Gehaltsrunde und gleichzeitig wird bekannt, dass die Große Koalition eine kleine Diätenerhöhung für die Bundestagsabgeordneten von knapp zehn Prozent plant. Und damit das ganze auch Reformcharakter bekommt, sollen künftige Erhöhungen automatisch erfolgen, gebunden an die allgemeine Steigerung der Bruttolöhne. Koalitionspolitiker wollen sich kaum dazu äußern, aber die Opposition, die mosert. Die Große Koalition beruft sich im Zusammenhang mit der Diätenerhöhung auf Vorschläge einer Expertenkommission unter der Leitung des ehemaligen Justizministers und FDP-Politikers Edzard Schmidt-Jortzig, und den begrüßen wir jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Schmidt-Jortzig.
    Edzard Schmidt-Jortzig: Ja, guten Tag.
    Breker: Entdecken Sie in den Plänen der Großen Koalition Ihre Vorschläge wieder?
    Schmidt-Jortzig: Ja, soweit ich den Entwurf - er ist ja noch nicht mal förmlich, jedenfalls liegt er mir förmlich nicht vor - kenne, ist das weitgehend das, was wir vorgeschlagen haben.
    Breker: Eine Steigerung von zehn Prozent, die jeden Arbeitnehmer neidisch macht, das war auch bei Ihren Vorschlägen vorgesehen?
    Schmidt-Jortzig: Jein. Ich muss sagen, die absoluten Zahlen und überhaupt der Ausgangspunkt, über den wir dann sprechen, wenn wir uns - und das war unser Thema - um die automatisierte Anpassung nachher unterhalten, der war uns ja durch das Gesetz vorgegeben. In der Tat ist es so, ich habe es eben in dem Beitrag ja gehört, dass der Herr Grosse-Brömer auch darauf hingewiesen hat: Seit 1995 steht drin, dass die Abgeordneten-Entschädigung sich an den Besoldungsgruppen R6 für Richter an oberen Bundesgerichten oder B6 aus der Beamtenbesoldung orientiert. Das hat der Bundestag nie geschafft, sich dazu zu bekennen. Man kann sich auch gut vorstellen, warum. Man hatte natürlich Angst vor der öffentlichen Meinung und den üblichen dann aufbrandenden Empörungen, wenn da irgendetwas gemacht wird. Das haben die nie geschafft und jetzt sagen sie, nun nehmen wir das mal in Kauf, dass wir dafür natürlich Schläge bekommen werden, aber dann ist das auch in ruhigen Bahnen. Diese Zahlen, die da schwirren, die sind sicherlich richtig, aber die sind für die Kommission nicht das Entscheidende gewesen, sondern es ging darum, endlich mal den gesetzlich fixierten Orientierungs-Ausgangspunkt zu bekommen und dann für die Zukunft etwas zustande zu bringen.
    Breker: Sie haben es nicht geschafft, eben weil der Sprung so groß war?
    Schmidt-Jortzig: Ich weiß nicht, wie ich Ihre Frage verstehen soll. Der war ja ursprünglich nicht so groß. Wenn man 1995 gleich zur Tat geschritten wäre, wäre es wahrscheinlich nur eine kleine Differenz gewesen. Man hat dann aber immer nur sich mit kleinen Zusatzbeträgen - ich weiß gar nicht, wann die letzte gewesen ist; die letzte war dann vor zwei Jahren, glaube ich -, die dann aber nie irgendwie zum Abbau dieser sich vergrößernden Differenz reichten, begnügt. Diese jetzigen zwei Schritte, oder dann nachher, wie von der Opposition offenbar gewünscht wird, in mehreren Schritten, das muss man politisch entscheiden, wie das am besten in die Landschaft passt. Das ist nicht das Thema der Kommission und auch nicht mein Thema.
    Richter sind ähnlich unabhängig wieder Abgeordnete
    Breker: Nur grundsätzlich die Orientierung an Bundesrichter, das war auch Ihr Vorschlag und das halten Sie auch weiterhin für richtig?
    Schmidt-Jortzig: Ja, genau. Für die landläufige Bewertung ist wahrscheinlich besser die Parallelgeschichte mit dem B6. Das sind die Beamten, die kommunalen Wahlbeamten, die da in Anspruch genommen werden. Das sind die Bürgermeister von Mittelstädten, sagen wir 70.000, 80.000 bis an 100.000 Einwohner. Das sind die Landräte kleinerer Landkreise. Das, glaube ich, leuchtet unmittelbar ein, dass an Verantwortungsgewicht, an Aufgabenvielfalt, an ständiger Kommunikation mit dem Bürger das durchaus vergleichbar ist mit einem Bundestagsabgeordneten. Wir haben dann gesagt, nehmt mal von diesen beiden, B6 oder R6, also Beamtenbesoldung oder Richterbesoldung, dann lieber den Richter, weil die Abgeordneten ja schon darauf Wert legen, dass ihre Tätigkeit von der Verfassung als unabhängig geschützt wird, und Beamte sind, wie man weiß, weisungsabhängig, und das schien uns in dem Vergleich nicht zu passen. Richter sind ähnlich unabhängig wie die Abgeordneten, also haben wir dann uns für die Parallelisierung an diese Richtergehälter ausgesprochen. In der Höhe ist das aber genau das gleiche, wie es im Gesetz steht, B6 oder R6.
    Breker: Herr Schmidt-Jortzig, die Altersversorgung wurde ja auch geregelt, und die steht in besonderer Kritik. Halten Sie die für korrekt, oder ist das auch aus Ihrer Sicht etwas fragwürdig?
    Schmidt-Jortzig: Da will und muss ich mich fair verhalten. Man kann ja in dem Bericht der Kommission nachlesen, dass ich da eine Meinung vertreten habe, die an dem bisherigen System durchaus Kritik geübt hat, und mich für ein sogenanntes Baustein-Modell, was dann den allgemeinen Arbeitsverhältnissen eher angeglichen wäre, stark gemacht habe. Dafür gab es keine Mehrheit in der Kommission. Ich will es mal so formulieren: Ich kann die Kritik an diesem Punkt schon verstehen. Es gibt aber auch ordentliche Argumente, bei dem bisherigen System zu bleiben, denn hier wäre eine Nachfinanzierungspflicht des Bundestages, wenn man sich zu einem Systemwechsel entschlösse, wirklich höchst gravierend, und den Aufschrei in der Öffentlichkeit, wenn man die Summen nennt, den mag ich mir gar nicht vorstellen. Aber vom reinen System her, wie gesagt, habe ich durchaus Verständnis für diese Kritik.
    Das ist ein Fulltime-Job erster Güte
    Breker: Faktum ist – das haben wir eben auch in dem Beitrag gehört -, dass für einen normalen Arbeitnehmer irgendwann die Rente bei 43 Prozent liegen wird und bei den Abgeordneten bei 65 Prozent. Das ist auch keine Gleichbehandlung?
    Schmidt-Jortzig: Nein! Gleichbehandlung ist ja auch gar nicht gewünscht oder notwendig. Man muss sich schon mal klar machen, dass der Beruf - es ist ja ein Fulltime-Job erster Güte - des Abgeordneten und hier konkret des Abgeordneten im Bundestag, im Deutschen Bundestag etwas Eigenständiges und Spezifisches ist. Da kann man nicht sagen, ihr müsst jetzt in eurer täglichen Arbeitszeit oder mit eurer technischen Ausstattung oder mit der mal sinkenden Altersversorgung dem und dem und dem anderen Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Das ist wirklich dann eine Frage, wie man angemessen die Arbeit des Bundestagsabgeordneten bewertet, und da kann man natürlich wie bei allen Bewertungsfragen unterschiedliche Auffassungen haben. Die Kommission hat sich die Mühe gemacht, einmal aufzulisten, welche Aufgaben denn wirklich von einem Abgeordneten erfüllt werden müssen. Da kann man zwar immer sagen, das machen die nicht gut, oder ich habe einen konkreten Abgeordneten im Blick, der macht das gar nicht gut. Da kann ich nur aus dem Wissenschaftsbereich, denn nur als solcher bin ich in diese Kommission gekommen, nicht als ehemaliger Minister, sagen, dann müsst ihr, bitte schön, bessere wählen beziehungsweise den Betroffenen beim nächsten Mal nicht wiederwählen. Aber der imaginäre Abgeordnete, auf den dieses ganze System zugeschnitten ist, er als Mitglied des Gesetzgebungsorgans Deutscher Bundestag, der hat einen immensen Arbeitsauftrag, hat auch, wie man ja überall besichtigen kann, eine wirklich fast unbegrenzte Arbeitszeit in der Woche oder am Tag, unterschiedlich natürlich, wie sich die einzelnen da engagieren. Also da muss man dann schon eine faire Bewertung dieser Aufgabe und ihres Inhabers beziehungsweise des sie erledigen Sollenden anwenden und danach sagen, was ist dafür dann auch als finanzielle Entschädigung angemessen in aktiven Bezügen, in dem Ruhestand, in der Alterssicherung nachher. Das ist dann nachher ja eine Bewertung und also eine politische Aufgabe.
    Pauschbeträge für Wohnung oder Wahlkreisbüro
    Breker: Stichwort politische Aufgabe, Herr Schmidt-Jortzig. Gibt es Vorschläge Ihrer Kommission, die Sie vermissen in der jetzigen Umsetzung?
    Schmidt-Jortzig: Nein, richtige Vorschläge nicht. Wir haben auch problematisiert - aber auch da gab es dann keine Mehrheit dafür -, hier Änderungen vorzunehmen bei dem Teil, der da als Kostenpauschale in der Ausstattung der Abgeordneten noch läuft, die dann im übrigen auch steuerfrei ist, diese Kostenpauschale. Da hätte ich persönlich mir durchaus vorstellen können, dass man entweder wie bei allen anderen Beschäftigten verlangt, dass hier die einzelnen Ausgaben belegt werden, so wie man in seiner Steuererklärung nachher für seine Werbungskosten die Belege vorlegen muss. Da kommt das Gegenargument, was nicht ganz von der Hand zu weisen ist, wir haben ja als Abgeordnete die Garantie, dass man nicht von außen uns da reinreden kann, was da nun richtig gewesen ist als Aufwand und was nicht. Der Unabhängigkeitsaspekt ist da von Bedeutung. Und ich hätte mir auch gedacht, man könnte jedenfalls so Standarddinge wie Wohnung in Berlin oder Wahlkreisbüro irgendwie pauschalieren, Pauschbeträge dafür ansetzen, bei denen man dann nachweist, dass man tatsächlich eine Wohnung hat und tatsächlich ein Wahlkreisbüro unterhält. Dann braucht man da ja keine Einzelnachweise im übrigen. Der Abgeordnete, der in Berlin ohnehin wohnt, und der, der im Saarland wohnt, die sind dann natürlich unterschiedlich belastet. Na ja, da hätte man in der Tat noch ein bisschen näher hingucken können, zumal die Amtsausstattung auch relativ gut ist bei den Abgeordneten, von den Reisekosten bis zu den technischen Ausstattungen.
    Breker: Das kann ja noch kommen, Herr Schmidt-Jortzig.
    Schmidt-Jortzig: Da hätte man noch was machen können.
    Breker: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Herr Schmidt-Jortzig.
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