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Die alternde Gesellschaft studieren

Der demografische Wandel in Deutschland erfasst alle gesellschaftlichen Bereiche vom Einkaufen bis zur Pflege. Einige Hochschule bilden mittlerweile Experten rund um das Thema "Altern" aus, die später als Demografiebeauftragte in Unternehmen oder als Manager bei sozialen Diensten arbeiten können.

Von Ute Schyns | 19.08.2013
    Lisa Siegismund studiert "Alternde Gesellschaften" an der Technischen Universität Dortmund. Die 25-Jährige findet den Masterstudiengang spannend:

    "Weil der Prozess des Alterns und das Alter aus den unterschiedlichen Disziplinen in dem Grundstudium beleuchtet wird. Aus dem Bereich der Soziologie, Psychologie, Ökonomie. Das ist schon eine breite Fläche, in der jeder seinen Interessen nachgehen und sich wiederfinden kann."

    Die End-Vierzigerin Bettina Frank hat sich spät entschlossen, nochmals zu studieren. Sie hat das Studium als große Bereicherung empfunden.

    "Wir haben einmal den wirtschaftspolitischen Bereich, wo es darum geht, wie gehe ich in der Wirtschafspolitik damit um, dass man in einer alternden Gesellschaft lebt. Wir haben den Bereich Gesundheit beziehungsweise Krankheit und Pflege, wo man sich damit auseinandersetzt, welche Probleme kommen auf ein Pflegesystem zu."

    Der Studiengang soll den Studenten vermitteln, wie sich der demographische Wandel gestalten lässt. Professor Gerhard Nagele, Professor für soziale Gerontologie, nennt einige der typischen Fragestellungen:

    "Wie organisiere ich Produktion und Dienstleistungen mit insgesamt alternden Belegschaften."

    Die Frage ist, wie sich Arbeitsprozesse gestalten lassen, sodass sie auch von älteren Mitarbeitern erledigt werden können. Im Blick hat der Studiengang außerdem die Seniorenwirtschaft, bei der die Bedürfnisse älterer Konsumenten im Mittelpunkt stehen. Die Automobilindustrie beispielsweise habe schon längst damit begonnen, Autos zu entwickeln, die sich auch von älteren Menschen gut fahren lassen.

    "Einerseits gibt es ein Interesse an seniorengeeigneten Dienstleistungen und andererseits muss man Dienstleistungen und Angebote so gestalten, dass sie von insgesamt älter werdenden Kundschaften bedient werden können."

    Ein weiterer Schwerpunkt setzt sich mit dem Bereich Pflege, gesundheitliche Versorgung und soziale Dienste auseinander. Studentin Lisa Siegismund dagegen will sich auf das Thema "Personalmanagement" von älteren Mitarbeitern spezialisieren und später einmal in der Personalabteilung arbeiten.
    "Es kommt vielleicht daher, dass ich schon mal einen Nebenjob hatte und es dort mitbekommen habe, wie es da abläuft mit den älteren Arbeitnehmern."
    Gut eine Handvoll Universitäten in Deutschland bilden mit unterschiedlichen Schwerpunkten Experten zum Thema "Altern" aus. Die Universität Vechta zum Beispiel bietet Gerontologie mit sozial- und verhaltenswissenschaftlicher Ausrichtung an. An der Hochschule Zittau/Görlitz kann man Soziale Gerontologie studieren. Die Universität Stuttgart setzt mit ihrem Online-Studiengang "Integrierte Gerontologie" einen Fokus auf ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Die Sporthochschule Köln hat sich auf Sport- und Bewegungsgerontologie spezialisiert.

    "Das, was uns interessiert, ist die Änderung der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit und das Verhältnis dann mit körperlicher Aktivität."

    Sagt Studiengangleiter Wiebren Zijlstra. Die Studenten lernen zum Beispiel, wie sie die körperliche und geistige Fitness durch spezielle Bewegungsprogramme bis ins hohe Alter verbessern können. Studentin Ann-Christin Willmann gefällt, dass sie schon im Studium Trainingsprogramme entwickeln und selbständig Studien durchführen durfte.

    "Eigentlich fand ich am erstaunlichsten, dass so viele positive Veränderungen durch Sport bei den älteren Menschen gemacht werden können. Dass selbst mit 80, 85 Jahren noch Veränderungen erreicht werden können."
    Die Einsatzmöglichkeiten für Gerontologen sind je nach Studienschwerpunkt unterschiedlich. Die Absolventen der Sporthochschule Köln zum Beispiel können in Sportvereinen, Fitnessstudios und in der Geriatrie arbeiten. Einen großen Bedarf an Gerontologen sieht Professor Gerhard Naegele zudem im Management von sozialen Diensten und der Altenpflege. Auch in der Stadtentwicklung, in Krankenkassen und Unternehmen. Anja Rodde arbeitet als Demografiebeauftragte für Galeria Kaufhof und setzt sich mit demografischem Wandel auseinander.

    "Das soll heißen, dass wir einerseits auch natürlich sehen, dass die Kunden älter werden und sicherlich auch damit einige Veränderungen einhergehen. Auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch, dass unsere Mitarbeiter länger bei uns sind. Wir haben eine hohe Betriebszugehörigkeit und ein Durchschnittsalter, das liegt aktuell bei 46 Jahren."

    Rodde betreut auch das Gesundheitsmanagement und setzt sich für altersgemischte Teams ein – um Kreativität und Erfahrung gut zu mischen. Als Demografiebeauftragte hat sie dabei nicht nur die Bedürfnisse der Mitarbeiter, sondern auch die Kunden im Blick – und zwar für alle Altersgruppen.

    "Wir sehen diese Maßnahmen wie eine größere Umkleidekabine, breitere Gänge, barrierefreier Zugang, Wickeltische immer unter dem Aspekt generationenfreundliches Einkaufen."