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"Die Atmosphäre war ausgezeichnet"

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hat den EU-Russland-Gipfel im sibirischen Chanti-Mansijsk als Erfolg bewertet. Sie gehe davon aus, dass mit Präsident Dmitri Medwedew neuer Schwung in die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union kommen werde, sagte sie. Schließlich habe Medwedew deutlich gemacht, dass er die EU als echten Partner ansehe.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Europäische Union und Russland bewegen sich – wieder, muss man sagen – aufeinander zu. Es hat eine Periode gegeben, wo das nicht so war und wo es die ein oder andere diplomatische Spannung gegeben hat, die man auch öffentlich ausgetragen hat. Inzwischen gibt es ein Partnerschaftsabkommen, es wurde gestern abgeschlossen.

    Ich habe über dieses Thema gestern mit der EU-Außenkommissarin, Benita Ferrero-Waldner, direkt im Anschluss an die Konferenz gesprochen. Ich habe sie zunächst einmal gefragt, ob die Atmosphäre denn bei diesem Treffen in Sibirien gänzlich anders gewesen ist als im Jahr zuvor, wo es über die Auseinandersetzungen mit dem damaligen Präsidenten Putin doch das ein oder andere Problem gegeben hat.

    Benita Ferrero-Waldner: Die Atmosphäre war ausgezeichnet. Es war offen, es war ruhig und entspannt, und es war ein sehr ehrliches Gespräch. Es war eine sehr gute Atmosphäre. Das kann ich bestätigen.

    Zurheide: Wenn Sie jetzt sagen, ehrlich heißt, das ein oder andere Konfliktthema ist auch angesprochen worden, da kommen wir sicher darauf, ich will mal das Wort des neuen russischen Präsidenten Medwedew aufnehmen, der gesagt hat, es gibt neuen Schwung. Sehen Sie diesen neuen Schwung auch in seiner Person?

    Ferrero-Waldner: Das sehe ich absolut. Das sehe ich sowohl in seiner Person, weil jemand kommt, der sehr stark auch die Europäische Union als echten Partner sieht, im Rahmen seiner Modernisierung der Wirtschaft, aber auch im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit, die ihm wichtig ist, wie er sagt, und die ihm auch wirklich zu sein scheint. Aber natürlich zum Zweiten auch, weil wir heute das neue Abkommen lanciert haben. Jetzt werden die Verhandlungen beginnen.

    Zurheide: Dann kommen wir mal auf die einzelnen Punkte. Die Zusammenarbeit bei der Wirtschaft, das ist ja das eigentliche, tragende Element, die tragende Säule in der Zusammenarbeit zwischen Russland und der Europäischen Union. Beim Stichwort Energie hatte man immer mal die eine oder andere Sorge, dass die Russen vielleicht den Hahn zudrehen könnten. Können Sie uns da beruhigen?

    Ferrero-Waldner: Also ich kann Ihnen folgendes sagen. Erstens ist Russland tatsächlich der drittgrößte Handelspartner der Europäischen Union und liefert auch die Hälfte seiner Waren in die Union. Zweitens, ich glaube, es ist für uns ganz wichtig, und beide haben wir das so gesehen, dass wir verlässliche Partner füreinander sind. Das gilt selbstverständlich oder ganz besonders auch für die Frage der Energielieferungen. Wir sind ein wichtiger Markt für Russland, Russland wird immer ein wichtiger Lieferant für uns sein.

    Zurheide: Dann kommen wir auf die Staatsfonds zu reden. Mit dem vielen Geld, was man über die Energielieferungen einnimmt, haben die Russen, und man kann es eigentlich auch nachvollziehen, durchaus Interesse, sich an interessanten Unternehmen in der Union zu beteiligen. Ist man da zu Lösungen gekommen? Denn in der Union gibt es die ein oder andere Sorge, dass die Russen mit ihrem Geld dann vielleicht doch zu viel Einfluss gewinnen könnte.

    Ferrero-Waldner: Also ich kann Ihnen sagen, wir haben generell über die Staatsfonds geredet. Und hier haben wir beide die Auffassung vertreten, dass diese Fonds natürlich transparent sein müssen. Ich glaube, es ist besonders wichtig, dass der russische Präsident selber gesagt hat, er stimmt dem völlig zu.

    Zurheide: Stichwort Rechtsstaatlichkeit haben Sie gerade auch angesprochen. Was dürfen wir denn erwarten? Ist auch dem neuen Präsidenten klar, dass er da noch nicht alle Ansprüche erfüllt, so wie sie in Europa im Moment für normal erachtet werden, und dass er da noch etwas tun muss, weiß er das?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube, es ist dem russischen Präsidenten sehr klar, welche Lage er vorfindet. Er hat ja selber, und Sie erinnern sich daran und ich zitiere ihn, von einem legalistischen Nihilismus in Russland gesprochen. Und zwar war das einmal in einem "Financial-Times"-Interviews. Und er hat auch in Deutschland in seiner Berlin-Rede ganz klar angesprochen, dass in dieser Frage viele Schritte notwendig sind, und er versucht in diese Richtung zu gehen. Das sind gute Ankündigungen. Natürlich wollen wir dann sehen, ob Taten folgen. Aber ich glaube nach der heutigen Sitzung, wie gesagt, offen, ehrlich – ich sehe da einen echten Willen dahinter.

    Zurheide: Das Stichwort Menschenrechte fällt da natürlich auch in diesem Zusammenhang immer, und jeder von uns hat noch vor Augen, immer wenn das Thema bei Putin angesprochen wurde, dann hat er die Augen verdreht, in den Himmel geguckt, nach oben geschaut und schon durch seine Gesten klar gemacht, dass ihm das so missfällt. Kann man das mit Herrn Medwedew etwas offener tun?

    Ferrero-Waldner: Ich denke, dass die ganze Palette der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte, dass diese Frage absolut offen diskutiert werden können. Wir haben natürlich im Großen diese Fragen auch angesprochen. Aber selbstverständlich gibt es auch einen eigenen Menschenrechtsdialog, der ja laufend stattfindet, wo wir auch in Details gehen. Und ich bin sicher, dass sich hier noch Verbesserungen abzeichnen können.

    Zurheide: Kommen wir noch einmal auf den Umgang mit den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes, wo es ja hin und wieder die Schwierigkeit gibt, wenn der Westen sich annähert, dass dann die russische Seite doch einigermaßen irritiert reagiert. Glauben Sie, dass Russland inzwischen weiß, dass man da auch Leine lassen muss, und wieweit wird die Leine dann sein?

    Ferrero-Waldner: Das sind einige der schwierigeren Fragen. Es geht hier um die gemeinsame Nachbarschaft, es geht um die sogenannten eingefrorenen Konflikte. Und hier hat der neue Präsident durchaus Interesse gezeigt, im Rahmen vielleicht einer neuen umfassenderen Sicherheitsstruktur diese Fragen anzusprechen. Aber das wird sicher Zeit brauchen. Aber es ist hier Offenheit und politischer Wille vorhanden, voran zu gehen.

    Zurheide: Kommen wir noch als letzten Stichwort auf die internationalen Konflikte, den Iran und den Umgang mit Ländern wie dem Iran. Ist das auch angesprochen worden, und sehen Sie da Lösungsmöglichkeiten?

    Ferrero-Waldner: Da hat grundsätzlich auch diese Frage auf der Tagesordnung gestanden. Sie wissen ja, dass Solana für alle, auch für Russland und für China und für die Vereinigten Staaten, aber auch für die Europäische Union, erst kürzlich in Teheran war, um ein vollständigeres Angebot dort zu machen. Und daher besteht hier ziemliche Übereinstimmung dafür, wie wir vorangehen sollen. Es ist jedenfalls wichtig, dass die Internationale Gemeinschaft hier geeint ist, und das hat man auch heute im Gespräch gesehen.

    Zurheide: Das war Benita Ferrero-Waldner die EU-Außenkommissarin.