Stolpe: Guten Morgen.
Durak: Sie haben uns gestern wissen lassen, Sie hätten den Finger gehoben bei - sagen wir mal - Nachbesserungen. An welchen Punkten?
Stolpe: Also, noch einmal so die Vorbemerkung, kurz und knapp: Dieses Sparen ist unvermeidlich, wir sind uns da inzwischen in allen Ländern einig und bereits seit 1997 fest verabredet, daß wir nicht sehenden Auges in einen Staatsbankrott hineinsegeln können. Es muß also irgendwas passieren, ganz abgesehen davon, daß ja nun auch lange genug über die Renten geredet wird und da auch Stabilität langfristig rein muß und daß die Gesundheitsreform ja auch überfällig ist. All das geht ja alles nur mit Sparen. Aber jetzt muß aufgepaßt werden, daß nicht Flurschaden angerichtet wird dabei. Und da habe ich drei Problemfelder, bei denen wir besonders mitreden müssen und mitreden werden. Das eine ist: Wie wird's den Rentnern in Ostdeutschland ergehen dabei? Das zweite ist: Wird genügend berücksichtigt, daß wir hier ja kaum einen einzigen Arbeitslosen haben, der das genießt und der sich sozusagen in die Hängematte legt, sondern wir haben hier Hunderttausende von Menschen, die sehr gerne arbeiten würden, wenn man ihnen nur eine Chance geben würde. Und zum Dritten müssen wir zusehen, daß wir die Städte und Gemeinden nicht kaputtspielen, denen es ja hier im Osten schwer geht von Anfang an. Sie haben kaum nennenswerte eigenen eigene Einnahmen - bis auf wenige Ausnahmen und müssen zusehen, wie sie mit den möglicherweise wachsenden Lasten zurechtkommen. Das sind die drei Felder und da müssen wir genau hinschauen. Und da haben wir die Gespräche auch schon aufgenommen.
Durak: Also, gehen wir der Reihe nach. Walter Riester hat ja den ‚Eckrentner', seinen Durchschnittsrentner. Sie, Herr Stolpe, haben den Eckrentner und den Durchschnittsostdeutschen in Brandenburg, der ja im Vergleich zum Westdeutschen überproportional ohne Beschäftigung ist, ist also doppelt benachteiligt. Was werden Sie einfordern, konkret?
Stolpe: Also diese Rentner leben in der Tat im wesentlichen von der Rente. Zusätzliche Einnahmen sind kaum vorhanden, angespart ist auch nichts. Und die Chance, dann noch eine Tätigkeit aufzunehmen, ist relativ gering. Die sind also auf das angewiesen, was sie haben. Und die haben sich auch schon darauf eingestellt gehabt, daß es einen Anstieg geben wird der Renten - dann auch korrespondierend mit den Entwicklungen im Lohnbereich. Jetzt wird durchzurechnen sein, was es bedeutet, wenn sie zwei Jahre lang - das ist zwar verbindlich, aber immerhin sind ja auch zwei Jahre, und für ältere Menschen ist das auch eine ganz schöne Strecke - wenn sie zwei Jahre lang mit einem geringeren Aufwuchs rechnen müssen, weil es nur eine Anpassung an die Inflationsrate geben wird. Hier wird noch einmal sehr stark ins Gespräch gebracht werden müssen: Wie wird es mit der Rentenanpassung an das Niveau West weitergehen, was wird das im einzelnen bedeuten? Hier will ich nur sagen: Das ist ein Thema, das sehr genau bedacht werden muß, aber das auch genau so einer sehr genauen Detailberechnung bedarf. Wir werden da auch mit allen Verbänden uns zusammensetzen, die ebenfalls einen Überblick über die Situation haben.
Durak: Die Verbände werden Ihnen vielleicht beispringen, Herr Stolpe. Aber die Forderung wäre ja ganz einfach zu richten an die Bundesregierung, die Ostrenten eben nicht an die Inflationsrate anzupassen, sondern die Bezüge schneller zu erhöhen, um sie überhaupt erst einmal auszugleichen - ich erinnere mich Bemerkungen von Ihnen.
Stolpe: Wir werden diese Variante genau so mit ins Gespräch bringen bzw. haben sie auch ins Gespräch gebracht. Aber die andere Möglichkeit - um hier den Ausgleich zu schaffen - wäre die, nachzuschauen, daß wir einen etwas beschleunigteren Schritt machen können in Richtung Anpassung. Wir liegen jetzt so bei über 80 Prozent des Niveaus West, und wir sind natürlich daran interessiert, daß das deutlich spürbar vorangeht. Und im Endergebnis wird es darauf ankommen, was die alten Menschen in der Hand haben und daß sie auch Vertrauen in das Rentensystem behalten können. Das ist mir eine ganz wichtige Position dabei. Wir wollen ja seit Jahren schon eine Stabilisierung des Rentensystems haben, wir wollen langfristig da gewährleisten können, daß Menschen sich darauf auch verlassen können. Und dies Vertrauen muß erhalten werden. Das Vertrauen hängt natürlich auch ein bißchen von dem ab, was im Portemonnaie ankommt, nachdem die Erwartungen größer waren.
Durak: Herr Stolpe, wir wollen das noch einmal festhalten, weil das ja auch eine neue Information ist: Sie werden namens Brandenburgs fordern, daß der Ausgleich für Ostdeutschland schneller erfolgt?
Stolpe: Wir werden diese Variante mit einbringen, weil es ein deutliches Verfahren wäre, um hier den Rentnern im Osten Deutschlands zu helfen. Wir sehen, daß sie eben mit ihren materiellen Möglichkeiten - im Ganzen gesehen - deutlich ungünstiger gestellt sind. Sie bringen nichts mit aus ihrem Erwerbsleben, keine großen Rücklagen, keine Zusatzversicherungen, und sie haben zusätzlich keine Chance, neu etwas noch dazu zu verdienen als Rentner. Deshalb muß diese Lage berücksichtigt werden - angesichts der Tatsache, daß die Ausgabensituation im wesentlichen ja schon 1 : 1 angekommen ist. Dies wird ein Punkt sein, den wir einbringen. Wir sind aber offen dafür, auch über andere Möglichkeiten zu sprechen, um der speziellen Lage und schwierigen Lage der Rentner im Osten gerecht zu werden.
Durak: Also, die Rentenpause - zwei Jahre Inflationsausgleich - soll bleiben und danach . . .
Stolpe: . . . die kann bleiben, wenn sie vernünftig kompensiert wird . . .
Durak: . . . und danach dann ein schnellerer Anstieg der Ostrenten?
Stolpe: Das kann danach sein, das kann auch schon vorher sein. Mein Anliegen ist dies, daß das Vertrauen erhalten bzw. auch gefestigt wird bei den Rentnern im Osten durch für sie erfahrbare Schritte, also nicht so sehr durch Sprüche und Ankündigungen, sondern so, daß sie sagen: ‚Ja, es ist jetzt eine klare Situation für uns, wir wissen, was wir haben werden und wir werden auch in unserer Lebenssituation entsprechend gewürdigt.'
Durak: Mehr Renten für den Osten - das heißt ja, das Geld muß aus irgendeinem Topf kommen, wo wir doch eigentlich sparen sollen. Haben Sie da einen Vorschlag?
Stolpe: Wir werden ja einen Einstieg in ein Sparsystem, ein Sparpaket vollziehen; ich bin der Meinung, das ist dringend nötig. Aber das heißt ja nicht, Sparen als absolutes eisernes Gebot in allen Feldern. Wir werden ja zum Beispiel auch im nächsten Jahr noch einmal ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit starten, zwei Milliarden sind dafür schon bereitgestellt. Auch das muß aufgebracht werden. Und so wird es auch hier mit der Möglichkeit für die Rentner im Osten sein müssen. Da wäre es jetzt von mir aus so ein bißchen Quacksalberei, wenn ich schon vorschlagen würde, wem was weggenommen wird. Entscheidend ist der Effekt, daß hier sichergestellt werden muß, daß die Rentnerinnen und Rentner im Osten Vertrauen haben können in einen angemessenen Aufwuchs und auch in das System im Ganzen.
Durak: Sie fordern ja etwas für den Osten, und das wird man im Westen sehr, sehr aufmerksam registrieren. Herr Stolpe, die Mineralölsteuer: Die trifft auch die Ostdeutschen - das hat Ihr Kollege Bernhard Vogel für Thüringen sehr laut und deutlich beklagt. Teilen Sie seine Sorge und Klage?
Stolpe: Ja, wir sind - gerade in den Flächenländern - sehr daran interessiert, daß die Menschen nicht unangemessen belastet werden. Wir haben sehr viele Pendler in die verschiedensten Richtungen; hier im Brandenburgischen spielt sich das sehr stark ab mit einem Pendeln aus den Tiefen des Landes in den Berliner Bereich oder Berlin direkt. Trotz der deutlichen Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel ist das zwangsweise Benutzen des Fahrzeuges hier doch noch notwendig, und da wird jeder Pfennig mehr ein Problem sein. Deshalb ist für mich die alleroberste Grenze dessen, was zumutbar ist, die 6-Pfennig-Marke. Das habe ich schon vor einem Jahr, das habe ich schon vor zwei Jahren gesagt, habe ich auch schon gesagt . . .
Durak: . . . einmalig 6 Pfennig - oder . . .
Stolpe: . . . 6 Pfennig - und dann muß man sehen, wie es weitergeht. Aber im Jahr 6 Pfennig halte ich für eine verkraftbare Geschichte - keineswegs eine Traumlösung - aber eine verkraftbare Geschichte, die ja mit zum Ziel hat, daß es zu einer Wirtschaftsbelebung kommt. Und das ist ja für uns das Allerwichtigste hier, daß Unternehmen ermutigt werden, daß Unternehmen Arbeitsplätze schaffen. Und wenn Menschen Arbeit haben mit einigermaßen vernünftigen Löhnen, dann wird das zwar keine schöne Geschichte sein mit den 6 Pfennig - aber wird doch immerhin verkraftbar sein und auch von ihnen mitgetragen werden. DLF: Und Sie hoffen, daß Ihnen Ihre Wähler, Ihre Anhänger das auch abnehmen oder Ihnen nicht dann eine Quittung präsentieren, wie wir sie ja schon erlebt haben bei den Landtagswahlen?
Stolpe: Wir haben Vertrauen darin, daß es uns gelingen wird, den Menschen deutlich zu machen, daß wir hier nicht aus einem Füllraum schöpfen können, daß wir im Grunde genommen nur vor der Frage stehen, endlich jetzt Schritte zur Stabilisierung der Staatsfinanzen zu machen und nicht in den Staatsbankrott hineinzusegeln, und daß wir Prioritäten setzen müssen für die wirtschaftliche und finanzielle Situation in der Gesellschaft. Und das ist schon eine Priorität, daß man den Menschen Lebensbedingungen erhält und finanzielle Ausstattung erhält, mit denen sie vernünftig leben können, aber daß man zum andern auch entschlossene Schritte tun muß, um zu einer Belebung der Wirtschaft zu kommen, was bei uns sehr viel zum Beispiel auch mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zu tun hat. Für sie möchte ich eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten haben - das predigen wir nun schon gemeinsam mit der alten Bundesregierung seit 1995 - und daß auch eine Unternehmenssteuerreform ihnen Möglichkeiten einräumt, die dann auch eine Belebung ebenfalls mit sich bringt.
Durak: Sie fürchten also - abschließend kurz gefragt - keine Nachwirkungen des Sparpaketes für Ihr Bundesland?
Stolpe: Wissen Sie, wenn man Politik macht und immer nur versucht, nachzumessen, was das dann bedeuten könnte bei Wahlen, dann wäre das eigentlich das Ende jeder verantwortbaren Politik, die ja doch ein bißchen weiterschauen muß als nur auf direkte Interessen von Politikern.
Durak: Manfred Stolpe, SPD, Brandenburgs Ministerpräsident. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Stolpe.
Stolpe: Ja, schönen Dank auch und einen schönen Tag allen.
Durak: Sie haben uns gestern wissen lassen, Sie hätten den Finger gehoben bei - sagen wir mal - Nachbesserungen. An welchen Punkten?
Stolpe: Also, noch einmal so die Vorbemerkung, kurz und knapp: Dieses Sparen ist unvermeidlich, wir sind uns da inzwischen in allen Ländern einig und bereits seit 1997 fest verabredet, daß wir nicht sehenden Auges in einen Staatsbankrott hineinsegeln können. Es muß also irgendwas passieren, ganz abgesehen davon, daß ja nun auch lange genug über die Renten geredet wird und da auch Stabilität langfristig rein muß und daß die Gesundheitsreform ja auch überfällig ist. All das geht ja alles nur mit Sparen. Aber jetzt muß aufgepaßt werden, daß nicht Flurschaden angerichtet wird dabei. Und da habe ich drei Problemfelder, bei denen wir besonders mitreden müssen und mitreden werden. Das eine ist: Wie wird's den Rentnern in Ostdeutschland ergehen dabei? Das zweite ist: Wird genügend berücksichtigt, daß wir hier ja kaum einen einzigen Arbeitslosen haben, der das genießt und der sich sozusagen in die Hängematte legt, sondern wir haben hier Hunderttausende von Menschen, die sehr gerne arbeiten würden, wenn man ihnen nur eine Chance geben würde. Und zum Dritten müssen wir zusehen, daß wir die Städte und Gemeinden nicht kaputtspielen, denen es ja hier im Osten schwer geht von Anfang an. Sie haben kaum nennenswerte eigenen eigene Einnahmen - bis auf wenige Ausnahmen und müssen zusehen, wie sie mit den möglicherweise wachsenden Lasten zurechtkommen. Das sind die drei Felder und da müssen wir genau hinschauen. Und da haben wir die Gespräche auch schon aufgenommen.
Durak: Also, gehen wir der Reihe nach. Walter Riester hat ja den ‚Eckrentner', seinen Durchschnittsrentner. Sie, Herr Stolpe, haben den Eckrentner und den Durchschnittsostdeutschen in Brandenburg, der ja im Vergleich zum Westdeutschen überproportional ohne Beschäftigung ist, ist also doppelt benachteiligt. Was werden Sie einfordern, konkret?
Stolpe: Also diese Rentner leben in der Tat im wesentlichen von der Rente. Zusätzliche Einnahmen sind kaum vorhanden, angespart ist auch nichts. Und die Chance, dann noch eine Tätigkeit aufzunehmen, ist relativ gering. Die sind also auf das angewiesen, was sie haben. Und die haben sich auch schon darauf eingestellt gehabt, daß es einen Anstieg geben wird der Renten - dann auch korrespondierend mit den Entwicklungen im Lohnbereich. Jetzt wird durchzurechnen sein, was es bedeutet, wenn sie zwei Jahre lang - das ist zwar verbindlich, aber immerhin sind ja auch zwei Jahre, und für ältere Menschen ist das auch eine ganz schöne Strecke - wenn sie zwei Jahre lang mit einem geringeren Aufwuchs rechnen müssen, weil es nur eine Anpassung an die Inflationsrate geben wird. Hier wird noch einmal sehr stark ins Gespräch gebracht werden müssen: Wie wird es mit der Rentenanpassung an das Niveau West weitergehen, was wird das im einzelnen bedeuten? Hier will ich nur sagen: Das ist ein Thema, das sehr genau bedacht werden muß, aber das auch genau so einer sehr genauen Detailberechnung bedarf. Wir werden da auch mit allen Verbänden uns zusammensetzen, die ebenfalls einen Überblick über die Situation haben.
Durak: Die Verbände werden Ihnen vielleicht beispringen, Herr Stolpe. Aber die Forderung wäre ja ganz einfach zu richten an die Bundesregierung, die Ostrenten eben nicht an die Inflationsrate anzupassen, sondern die Bezüge schneller zu erhöhen, um sie überhaupt erst einmal auszugleichen - ich erinnere mich Bemerkungen von Ihnen.
Stolpe: Wir werden diese Variante genau so mit ins Gespräch bringen bzw. haben sie auch ins Gespräch gebracht. Aber die andere Möglichkeit - um hier den Ausgleich zu schaffen - wäre die, nachzuschauen, daß wir einen etwas beschleunigteren Schritt machen können in Richtung Anpassung. Wir liegen jetzt so bei über 80 Prozent des Niveaus West, und wir sind natürlich daran interessiert, daß das deutlich spürbar vorangeht. Und im Endergebnis wird es darauf ankommen, was die alten Menschen in der Hand haben und daß sie auch Vertrauen in das Rentensystem behalten können. Das ist mir eine ganz wichtige Position dabei. Wir wollen ja seit Jahren schon eine Stabilisierung des Rentensystems haben, wir wollen langfristig da gewährleisten können, daß Menschen sich darauf auch verlassen können. Und dies Vertrauen muß erhalten werden. Das Vertrauen hängt natürlich auch ein bißchen von dem ab, was im Portemonnaie ankommt, nachdem die Erwartungen größer waren.
Durak: Herr Stolpe, wir wollen das noch einmal festhalten, weil das ja auch eine neue Information ist: Sie werden namens Brandenburgs fordern, daß der Ausgleich für Ostdeutschland schneller erfolgt?
Stolpe: Wir werden diese Variante mit einbringen, weil es ein deutliches Verfahren wäre, um hier den Rentnern im Osten Deutschlands zu helfen. Wir sehen, daß sie eben mit ihren materiellen Möglichkeiten - im Ganzen gesehen - deutlich ungünstiger gestellt sind. Sie bringen nichts mit aus ihrem Erwerbsleben, keine großen Rücklagen, keine Zusatzversicherungen, und sie haben zusätzlich keine Chance, neu etwas noch dazu zu verdienen als Rentner. Deshalb muß diese Lage berücksichtigt werden - angesichts der Tatsache, daß die Ausgabensituation im wesentlichen ja schon 1 : 1 angekommen ist. Dies wird ein Punkt sein, den wir einbringen. Wir sind aber offen dafür, auch über andere Möglichkeiten zu sprechen, um der speziellen Lage und schwierigen Lage der Rentner im Osten gerecht zu werden.
Durak: Also, die Rentenpause - zwei Jahre Inflationsausgleich - soll bleiben und danach . . .
Stolpe: . . . die kann bleiben, wenn sie vernünftig kompensiert wird . . .
Durak: . . . und danach dann ein schnellerer Anstieg der Ostrenten?
Stolpe: Das kann danach sein, das kann auch schon vorher sein. Mein Anliegen ist dies, daß das Vertrauen erhalten bzw. auch gefestigt wird bei den Rentnern im Osten durch für sie erfahrbare Schritte, also nicht so sehr durch Sprüche und Ankündigungen, sondern so, daß sie sagen: ‚Ja, es ist jetzt eine klare Situation für uns, wir wissen, was wir haben werden und wir werden auch in unserer Lebenssituation entsprechend gewürdigt.'
Durak: Mehr Renten für den Osten - das heißt ja, das Geld muß aus irgendeinem Topf kommen, wo wir doch eigentlich sparen sollen. Haben Sie da einen Vorschlag?
Stolpe: Wir werden ja einen Einstieg in ein Sparsystem, ein Sparpaket vollziehen; ich bin der Meinung, das ist dringend nötig. Aber das heißt ja nicht, Sparen als absolutes eisernes Gebot in allen Feldern. Wir werden ja zum Beispiel auch im nächsten Jahr noch einmal ein Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit starten, zwei Milliarden sind dafür schon bereitgestellt. Auch das muß aufgebracht werden. Und so wird es auch hier mit der Möglichkeit für die Rentner im Osten sein müssen. Da wäre es jetzt von mir aus so ein bißchen Quacksalberei, wenn ich schon vorschlagen würde, wem was weggenommen wird. Entscheidend ist der Effekt, daß hier sichergestellt werden muß, daß die Rentnerinnen und Rentner im Osten Vertrauen haben können in einen angemessenen Aufwuchs und auch in das System im Ganzen.
Durak: Sie fordern ja etwas für den Osten, und das wird man im Westen sehr, sehr aufmerksam registrieren. Herr Stolpe, die Mineralölsteuer: Die trifft auch die Ostdeutschen - das hat Ihr Kollege Bernhard Vogel für Thüringen sehr laut und deutlich beklagt. Teilen Sie seine Sorge und Klage?
Stolpe: Ja, wir sind - gerade in den Flächenländern - sehr daran interessiert, daß die Menschen nicht unangemessen belastet werden. Wir haben sehr viele Pendler in die verschiedensten Richtungen; hier im Brandenburgischen spielt sich das sehr stark ab mit einem Pendeln aus den Tiefen des Landes in den Berliner Bereich oder Berlin direkt. Trotz der deutlichen Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel ist das zwangsweise Benutzen des Fahrzeuges hier doch noch notwendig, und da wird jeder Pfennig mehr ein Problem sein. Deshalb ist für mich die alleroberste Grenze dessen, was zumutbar ist, die 6-Pfennig-Marke. Das habe ich schon vor einem Jahr, das habe ich schon vor zwei Jahren gesagt, habe ich auch schon gesagt . . .
Durak: . . . einmalig 6 Pfennig - oder . . .
Stolpe: . . . 6 Pfennig - und dann muß man sehen, wie es weitergeht. Aber im Jahr 6 Pfennig halte ich für eine verkraftbare Geschichte - keineswegs eine Traumlösung - aber eine verkraftbare Geschichte, die ja mit zum Ziel hat, daß es zu einer Wirtschaftsbelebung kommt. Und das ist ja für uns das Allerwichtigste hier, daß Unternehmen ermutigt werden, daß Unternehmen Arbeitsplätze schaffen. Und wenn Menschen Arbeit haben mit einigermaßen vernünftigen Löhnen, dann wird das zwar keine schöne Geschichte sein mit den 6 Pfennig - aber wird doch immerhin verkraftbar sein und auch von ihnen mitgetragen werden. DLF: Und Sie hoffen, daß Ihnen Ihre Wähler, Ihre Anhänger das auch abnehmen oder Ihnen nicht dann eine Quittung präsentieren, wie wir sie ja schon erlebt haben bei den Landtagswahlen?
Stolpe: Wir haben Vertrauen darin, daß es uns gelingen wird, den Menschen deutlich zu machen, daß wir hier nicht aus einem Füllraum schöpfen können, daß wir im Grunde genommen nur vor der Frage stehen, endlich jetzt Schritte zur Stabilisierung der Staatsfinanzen zu machen und nicht in den Staatsbankrott hineinzusegeln, und daß wir Prioritäten setzen müssen für die wirtschaftliche und finanzielle Situation in der Gesellschaft. Und das ist schon eine Priorität, daß man den Menschen Lebensbedingungen erhält und finanzielle Ausstattung erhält, mit denen sie vernünftig leben können, aber daß man zum andern auch entschlossene Schritte tun muß, um zu einer Belebung der Wirtschaft zu kommen, was bei uns sehr viel zum Beispiel auch mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zu tun hat. Für sie möchte ich eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten haben - das predigen wir nun schon gemeinsam mit der alten Bundesregierung seit 1995 - und daß auch eine Unternehmenssteuerreform ihnen Möglichkeiten einräumt, die dann auch eine Belebung ebenfalls mit sich bringt.
Durak: Sie fürchten also - abschließend kurz gefragt - keine Nachwirkungen des Sparpaketes für Ihr Bundesland?
Stolpe: Wissen Sie, wenn man Politik macht und immer nur versucht, nachzumessen, was das dann bedeuten könnte bei Wahlen, dann wäre das eigentlich das Ende jeder verantwortbaren Politik, die ja doch ein bißchen weiterschauen muß als nur auf direkte Interessen von Politikern.
Durak: Manfred Stolpe, SPD, Brandenburgs Ministerpräsident. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Stolpe.
Stolpe: Ja, schönen Dank auch und einen schönen Tag allen.