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Die Bahn in der Krise
"Die Schiene muss oberste Priorität bekommen"

Verspätungen, Sanierungsstau und Schulden - 2018 war für die Deutsche Bahn AG kein erfolgreiches Jahr. Konkrete Zahlen wird es am Donnerstag bei der Bilanzpressekonferenz des Konzerns geben. Politiker fordern mehr Investitionen in Schienennetz und Digitalisierung - auch mit Geld aus der LKW-Maut.

Von Dagmar Pepping | 27.03.2019
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Jeder vierte Fernzug kam 2018 zu spät oder gar nicht (dpa/Jan Woitas)
Sabine Leidig - die bahnpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag - blickt sorgenvoll in die Zukunft: "Die Bahn AG ist in der größten Krise ihrer Geschichte."
Auch Matthias Gastel - der Bahnexperte der Grünen - ist unzufrieden mit dem Zustand des Konzerns, der zu 100 Prozent dem Bund gehört: "Wir haben im Jahr 2018 so viele Verspätungen im Bahnverkehr gehabt wie nie zuvor, im Personen- wie im Güterverkehr."
Jeder vierte Fernzug kam zu spät oder gar nicht, die Güterverkehrs-Sparte macht Dauerverluste, der Schuldenstand hat die Marke von 20 Milliarden Euro erreicht. Bahnchef Richard Lutz schrieb im Herbst in einem internen Brandbrief von einer "schwierigen Situation", es gebe "nichts zu beschönigen". Das versucht auch Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU nicht mehr. Gleich drei Mal musste der Bahnchef im Januar bei Scheuer antreten:
"Das erste Halbjahr ist wichtig, weil ich auch eingefordert habe, dass es zu Verbesserungen beim System Schiene und beim Bahnverkehr kommt."
EVG: Investitionsstau von mehr als 50 Milliarden Euro
"Bundesverkehrsminister Scheuer macht im Bereich der Bahn kaum mehr als reine PR-Shows", kritisiert Matthias Gastel. Seine Grünen und die Linken fordern, der Bund solle Geld aus der LKW-Maut in das unterfinanzierte Schienennetz investieren. Das hält auch Martin Burkert, der Bahnexperte der SPD-Fraktion für eine gute Idee.
"Straße finanziert Straße ist der falsche Weg. Man müsste aus allen Töpfen alles mitfinanzieren, aber der Koalitionspartner hat einen anderen Weg eingeschlagen. Ich bedauere das."
Burkert - der auch im Vorstand der Eisenbahnergewerkschaft EVG sitzt - beziffert den Investitionsstau auf über 50 Milliarden Euro.
"Fakt ist, dass die Straße noch oberste Priorität hat. Deshalb fordere ich schon lange eine Verkehrswende. Die Schiene muss oberste Priorität im Verkehrssektor bekommen!"
Ehrgeizige Ziele im Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD stehen nämlich ehrgeizige Ziele: Bis 2030 sollen doppelt so viele Kunden die Bahn nutzen, außerdem soll mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden. Der "Investitionshochlauf" wirke, betont Verkehrsminister Scheuer:
"Unsere Mittel werden ausgeschöpft und wir haben das Bestreben, dass wir die Schiene - und da bin ich mir mit dem Finanzminister einig - nochmal stärker stärken."
Ab 2020 will der Bund eine Milliarde Euro zusätzlich pro Jahr für die Sanierung der Infrastruktur bereitstellen. "Fakt ist: Das ist eine Milliarde zu wenig", bemängelt SPD-Mann Burkert. Der grüne Bahnexperte Gastel verweist auf weiteren, zusätzlichen Milliardenbedarf, um das Schienennetz auszubauen und die Bahn zu digitalisieren. Mögliche Geldquelle dafür: der Verkauf der Tochterfirma Arriva. Bei seiner anstehenden Sitzung könnte der Aufsichtsrat der Bahn Vorstandschef Richard Lutz grünes Licht geben, um einen Investor zu suchen. Lutz führe die Bahn besser als seine Vorgänger, sagt die Linken-Politikerin Sabine Leidig:
"Er kennt die Bahn, er nimmt es ernst. Wir befürchten, dass er nicht bleiben wird - auch, weil er in dieser deutlichen Form Selbstkritik geübt hat."
Ein Nachfolger stehe bereits in den Startlöchern, sagt Leidig: Ronald Pofalla. Der Ex-Kanzleramtschef mit CDU-Parteibuch verantwortet im Bahnvorstand den Bereich Infrastruktur.