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Die Beben und das Gas

Ob Geothermiebohrung oder Hydrofracking: Seitdem die Industrie immer mehr unterirdische Ressourcen mit komplizierten Methoden an die Oberfläche holt, häufen sich menschgemachte Erdbeben. Jetzt untersuchen US-Forscher, ob jene künstlichen Erdstöße auch echte auslösen könnten.

Von Monika Seynsche | 22.04.2013
    Seit über 30 Jahren untersucht Art McGarr Erdbeben. Dem Geophysiker des US amerikanischen Geologischen Dienstes haben es besonders die künstlichen Beben angetan. Jene Erschütterungen also, die sich gerade seit Beginn des Fracking-Booms in den USA häufen.

    "Beim Fracking entsteht sehr viel Abwasser, das große Mengen Mineralsalze und Chemikalien enthält. Um es loszuwerden, pumpen die Öl- und Gasfirmen es tief ins Gestein. Diese Art der Abwasserentsorgung ist für die meisten künstlichen Erdbeben verantwortlich, die heftig genug sind, um von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden und hin und wieder sogar Schäden zu verursachen."

    Es gibt zurzeit in den USA 40.000 solcher Bohrlöcher für die Abwasserentsorgung der Öl- und Gasindustrie. Nur ein Bruchteil von ihnen verursacht Erdbeben. Deshalb versucht Art McGarr herauszufinden, was diese wenigen gefährlichen Bohrlöcher auszeichnet.

    "Ich habe zahlreiche Fallstudien ausgewertet und entdeckt, dass die Geschwindigkeit, mit der das Abwasser in den Untergrund gepumpt wird, keinen Einfluss auf das Erdbebenrisiko zu haben scheint. Wie viel Abwasser insgesamt in ein Bohrloch gepumpt wird, spielt dagegen eine sehr große Rolle. Allerdings lässt sich wiederum nicht sagen: wenn Sie eine große Wassermenge pumpen, erzeugen Sie auf jeden Fall ein messbares Erdbeben."

    Ein anderer Risikofaktor seien Abwasserbohrlöcher in der Nähe oder auf bereits bestehenden geologischen Störungszonen. Und auch auf das Gestein komme es an, ergänzt Art McGarrs Kollege Austin Holland vom Oklahoma Geological Survey.

    "Bohrlöcher, in denen das Abwasser in kristallines Gestein wie Granit gepumpt wird, erzeugen öfter Erdbeben, als Bohrlöcher in porösem und durchlässigem Sedimentgestein, das sehr viel Wasser aufnehmen kann."

    Früher war Oklahoma ein ausgesprochen langweiliger Ort für Seismologen. Das letzte große natürliche Erdbeben erschütterte den Bundesstaat vor etwa 13.000 Jahren. Danach folgten nur noch kleine Beben in großen Abständen. Durch die Öl- und Gasindustrie kamen in den vergangenen Jahrzehnten dann künstliche Erschütterungen hinzu. Seit drei Jahren aber messen Austin Holland und seine Kollegen plötzlich viel mehr Erdbeben als jemals zuvor.

    "Anfangs sah das aus wie ein Schwarm. So etwas gibt es immer mal wieder: viele kleine Erdbeben in einem begrenzten Gebiet. Nach einiger Zeit beruhigt sich die Erde dann wieder. Wir stellten also unsere Instrumente auf und warteten. Aber die Erdbeben hörten nicht auf. Es wurden immer mehr und sie traten an immer neuen Stellen auf. Mittlerweile hat die Erdbebenaktivität fast überall in Oklahoma zugenommen – mit Ausnahme der westlichen Hälfte des Staates."

    Einige der Erdbeben seien künstlich erzeugt worden, vermutet der Seismologe, aber sicher nicht alle. Denn die Öl- und Gasindustrie habe in den vergangenen drei Jahren ihre Aktivitäten nicht so stark verändert, dass sie die dramatische Zunahme an schwachen Erdbeben erklären könnte. Austin Holland vermutet deshalb, dass ein Teil der Erdbeben natürlichen Ursprungs ist. Und genau diese Kombination von künstlichen und natürlichen Erdbeben beunruhigt den Forscher.

    Viele kleine Beben seien oft die Vorboten eines großen Erdbebens. Und je mehr künstliche zu den zurzeit sowieso schon auftretenden natürlichen Beben hinzukämen, desto wahrscheinlicher werde ein solches.