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Fracking für die Geothermie

Fracking ist eine umstrittene Technologie zur chemikalienbasierten Förderung von zum Beispiel Erdgas. Die Methode gefährdet das Grundwasser und verursacht schwache Erdbeben. Jetzt zeigt sich: Auch die Zukunft klimafreundlicher Erdwärmekraftwerke hängt massiv von Fracking ab.

Von Karl Urban | 12.02.2013
    Fracking ist unbeliebt – bei Wasserversorgern, Umweltbehörden und Anwohnern. Tiefes Gestein soll mit Wasser und chemischen Zusätzen aufgebrochen und durchlässig gemacht werden. Dass diese Technik bald nicht nur Erdgasförderer, sondern auch Erdwärmeunternehmen in Deutschland im großen Stil einsetzen könnten, passt da nicht ins Bild. In der Geothermiebranche spricht man deshalb erst gar nicht vom Fracking, sondern von hydraulischer Stimulation. Denn die Verfahren ähnelten sich nur auf den ersten Blick, sagt Waldemar-Müller Ruhe vom Bundesverband Geothermie:

    "Ich hab keine Gaszusammensetzung, auf die ich aufpassen muss. Das einzige, was ich mache – ich will einen Riss erzeugen – das ist das einzig gemeinsame."

    Der Unterschied liegt laut dem Verbandschef in der Art des Gesteins, das aufgebrochen wird. Gas führendes Schiefergestein ist flexibel, fast schon knetbar. Es aufzubrechen und für die Gasförderung offenzuhalten ist aufwendig und macht einen chemischen Cocktail zwingend erforderlich. Die Erdwärme führenden Gesteine sind hingegen viel spröder: Hier sollen Granite und Sandsteine geknackt werden, durch die später Wasser fließt, das die enthaltene Wärmeenergie abführt. Und solche spröden Gesteine ließen sich viel bereitwilliger aufbrechen. Im Prinzip. Denn ganz ohne Zusätze geht es dann doch nicht.

    "Für die Praxis brauch ich ... wenn Sie Wasser einpressen und Sie würden kein Trinkwasser nehmen, sondern Brauchwasser, dann müssten Sie die Keime, die darin sind, müssten Sie abtöten können. Und das sind die Biozide, die man dort hineinpresst. Wenn Sie ein sehr heißes Wasser haben und Sie haben noch Luft darin, dann besteht die Gefahr, wenn Sie Luftzutritt und Temperatur haben, dass das korrosiv wird. Also hat man normalerweise eine weitere Chemikalie darin, die als Korrosionsverhinderer wirkt. Das kann man am einfachsten durch Kaffeemehl oder etwa solche Zutaten machen."

    Fracks für die Geothermie sind also nicht frei von chemischen Zusätzen – aber die Ingenieure wollen sich auf Stoffe beschränken, die nach Lebensmittelrecht zugelassen sind. Theoretisch, denn bislang wurde in deutschen Geothermiebohrungen kaum gefrackt. Die konzentrierten sich nämlich bisher auf Gesteine mit natürlichen Spalten und Rissen.

    Zum Beispiel im Umland von München: Hier liegt ein ergiebiger und heißer Grundwasserleiter im tiefen Kalkgestein, der sich einfach anbohren lässt. Ohne Fracking und mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand. Aktuell sind dort zwölf geothermische Kraftwerke in Betrieb. Ihre Zahl dürfte sich in den nächsten Jahren vervielfachen. Wie genau der Untergrund auf die immer neuen Bohrungen reagiert, ist aber nicht ganz klar. Zumindest ein Risikofaktor könnte hier unterschätzt worden sein: schwache Erdbeben.

    Tobias Megies, Geophysiker an der Ludwig Maximilians Universität, erinnerte seine Fachkollegen kürzlich auf einer Konferenz an diese beunruhigende Möglichkeit: Eigentlich gilt München als eine tektonisch sehr ruhige Region. Und doch bebte die Erde seit 2008 zweimal spürbar, mit einem Epizentrum nahe dem Geothermiekraftwerk im Vorort Unterhaching. Ausblicke auf die Zukunft erlaubt die Datenlage aber bisher nicht.

    "Bisher gibt es eben nur diese zwei Beben, die von einigen Anwohnern auch bemerkt wurden sozusagen, die aber nicht in einer Stärke sind, die Schäden an Gebäuden verursachen könnten."
    Dennoch sollten die Wissenschaftler in Zukunft genau hinsehen: Bei der Entwicklung schwacher Erdbeben ebenso bei den Risiken des Frackings. Immerhin schätzt die Bundesregierung, dass die klimafreundliche Gewinnung von Strom und Wärme aus der Erde rasant wachsen wird. Bis 2020, glaubt sie, könnte die Tiefengeothermie 80 mal so viel Energie bereitstellen wie heute. Die Umweltauswirkungen sollten dabei nicht aus dem Blickfeld geraten.