Die Brisanz des Problems ist unübersehbar. Der politische Gestaltungsdruck, der auf den Demokratien lastet, nimmt immer mehr zu. Banken und ganze Nationen müssen gerettet, die Energiewende organisiert, die Europäische Union am Leben erhalten werden. Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie begrenzt nationalstaatliche Maßnahmen im global entgrenzten Kapitalismus geworden sind. Nicht die nationalen Parlamente treffen die wichtigen Entscheidungen, sondern transnationale Regierungs- und Expertengremien.
Zudem werden die Gesellschaften immer pluraler, sodass sich Politik immer weniger auf homogene Wertorientierungen und Traditionsparteien stützen kann. Der Titel, den die beiden Göttinger Politologen Danny Michelsen und Franz Walter ihrem Buch zur Krise der repräsentativen Demokratie gegeben haben, trifft daher schon ins Schwarze: "Unpolitische Demokratie". Politische Aufgaben, schreiben die Autoren, habe die demokratische Gesellschaft genug zu bewältigen. Aber genau das treibe die Entpolitisierung womöglich immer weiter voran.
Da der Nationalstaat in der Berichterstattung noch immer als das eigentlich relevante politische Entscheidungszentrum und der Wettbewerb der um Macht konkurrierenden Gruppen von den meisten Bürgern noch immer als der Kern dessen, was Politik ausmacht, betrachtet werden, stehen die politisierten Bürger, mit der plausiblen Diagnose vom "Ende der Handlungsfähigkeit des Staates" konfrontiert, dem zunehmend machtlosen Adressaten ihrer zahlreichen Anliegen rat- und politisch perspektivlos gegenüber.
Ein Buch, das diese Diskrepanz zwischen politischem Regulierungsbedarf und politischer Ohnmacht ausleuchtet, verheißt eigentlich eine spannende Lektüre. Doch leider haben die beiden Autoren dem einige Hindernisse entgegengesetzt. Das geringere Problem ist noch der ausgesprochen akademische Stil, der von politologischen und soziologischen Fachwörtern durchsetzt ist. Nervtötend jedoch sind die ellenlangen Schachtelsätze, die das Lesen streckenweise zur Tortur machen.
Franz Walter, von dem man eigentlich einen anderen Stil gewohnt ist, entschuldigt sich dafür quasi in einer Nachbemerkung des Buches. Besser wäre es jedoch gewesen, den Text vor der Veröffentlichung noch einmal gründlich zu überarbeiten und dabei auch einige Wiederholungen zu tilgen. Denn inhaltlich gesehen lohnt sich die Lektüre des Buches zumindest insofern, als es die aktuelle Debatte zum Demokratieproblem in großer Breite durchforstet und bilanziert.
Die Transformation der Demokratie wird sich weiter im Spannungsfeld einer zunehmend unpolitischen Politik einerseits und der ambivalenten Manifestationen gegendemokratischer (Anti-)Politik andererseits vollziehen. Aus dieser letztlich fruchtbaren Spannung vermögen moderne Gesellschaften zuweilen beträchtliche Energien zu ziehen.
Michelsen und Walter prüfen das allerdings weniger an konkreten politischen Initiativen als an Theorien, die zur Lösung des Demokratieproblems vorgeschlagen werden. Einige Theoretiker versuchen das Problem der unpolitischen Demokratie inzwischen zu entschärfen, indem sie weniger Wert auf die reale Mitbestimmung der Bürger legen. Wichtiger sei es, die immer komplexer werdenden Probleme im Sinne eines allgemeinen gesellschaftlichen Interesses zu lösen.
Oder - im Falle von Jürgen Habermas - dass Verfahren öffentlich zugänglich sind, die ein rationales Ergebnis erwarten lassen. Michelsen und Walter kritisieren zu Recht, dass solche Ansätze der Expertenkultur Vorschub leisten. Zudem setzten diese eine Regulierungsmacht der Politik voraus, die eben längst problematisch geworden ist.
Die gegendemokratischen Ansätze der Antipolitik wollen hingegen – wie die Occupy-Bewegung – mehr Partizipation neben oder jenseits des Staates verwirklichen. Auch hier, so Michelsen und Walter, werde die Frage nach einer effektiven staatlichen Regulierungsmacht gegenüber der Ökonomie vernachlässigt. Sehr kritisch behandeln die Autoren auch aktuelle Konzepte zur direkten oder zur Internetdemokratie.
Von Beginn an dominierte ein bestimmtes soziales Milieu den personellen Kern der Piraten: das einer gut ausgebildeten, ständig vernetzten Internetkultur, bestehend aus Hacker-Subkulturen und alternativen virtuellen Gemeinschaften, die im Internet eine geeignete Technologie sehen, um die Gesellschaft als Ganze zu liberalisieren. Dieser Typus nimmt Abstand von bürgerschaftlichen Verpflichtungen, wie sie in der Vergangenheit öffentliches Engagement kennzeichneten, und assoziiert mit citizenship vorrangig "Autonomie, Kontrolle und die Befähigung, Autoritäten infrage zu stellen". Die mit dem Einfluss neuer Technologien ohnehin im Verschwinden begriffene politische Öffentlichkeit ist dem Netzbürger fremd; sein Handeln beschränkt sich auf eine "vernetzte, wenn auch private Sphäre".
Durchgängig folgen Michelsens und Walters Analysen einem Ja-Aber-Schema. Sie entdecken zwar auch an den Konzepten der direkten Demokratie Positives, brandmarken aber scharf deren Schattenseiten. Insofern treibt das Buch unausweichlich auf die Frage zu, ob die repräsentative Demokratie denn überhaupt noch zu retten sei.
Die Antwort der Autoren fällt erneut zwiespältig aus. Zum einen hoffen sie auf eine innere Widerstandskraft der Demokratie und warnen davor, sie zu überfordern. Andererseits fördern sie pessimistische Einstellungen, wenn sie schreiben:
Viel spricht in der Tat dafür, dass wir es mit einer gravierenden Krise der Art zu tun haben, wie sie uns bereits während der Depressionsjahre 1873-95, der Hyperinflation 1923 und den Deflationsjahren 1929-33 begegnet ist. Ökonomische Faktoren gaben zunächst den Ausschlag. Aber ihre Wirkungen griffen weiter aus, durchdrangen das Alltagsleben, die Politik und Kultur.
Das Hauptverdienst dieses schwer zu lesenden Buches liegt wohl darin, den tiefgehenden Charakter der gegenwärtigen politischen Krise vor Augen zu führen. Und zwar ohne die Illusion zu erzeugen, dass fertige theoretische Lösungen bereits auf dem Tisch liegen.
Franz Walter/ Danny Michelsen: "Unpolitische Demokratie. Zur Krise der Repräsentation: Politik im apolitischen Zeitalter"
Suhrkamp Verlag, 410 Seiten, 16 Euro. ISBN: 978-3-518-12668-4
Zudem werden die Gesellschaften immer pluraler, sodass sich Politik immer weniger auf homogene Wertorientierungen und Traditionsparteien stützen kann. Der Titel, den die beiden Göttinger Politologen Danny Michelsen und Franz Walter ihrem Buch zur Krise der repräsentativen Demokratie gegeben haben, trifft daher schon ins Schwarze: "Unpolitische Demokratie". Politische Aufgaben, schreiben die Autoren, habe die demokratische Gesellschaft genug zu bewältigen. Aber genau das treibe die Entpolitisierung womöglich immer weiter voran.
Da der Nationalstaat in der Berichterstattung noch immer als das eigentlich relevante politische Entscheidungszentrum und der Wettbewerb der um Macht konkurrierenden Gruppen von den meisten Bürgern noch immer als der Kern dessen, was Politik ausmacht, betrachtet werden, stehen die politisierten Bürger, mit der plausiblen Diagnose vom "Ende der Handlungsfähigkeit des Staates" konfrontiert, dem zunehmend machtlosen Adressaten ihrer zahlreichen Anliegen rat- und politisch perspektivlos gegenüber.
Ein Buch, das diese Diskrepanz zwischen politischem Regulierungsbedarf und politischer Ohnmacht ausleuchtet, verheißt eigentlich eine spannende Lektüre. Doch leider haben die beiden Autoren dem einige Hindernisse entgegengesetzt. Das geringere Problem ist noch der ausgesprochen akademische Stil, der von politologischen und soziologischen Fachwörtern durchsetzt ist. Nervtötend jedoch sind die ellenlangen Schachtelsätze, die das Lesen streckenweise zur Tortur machen.
Franz Walter, von dem man eigentlich einen anderen Stil gewohnt ist, entschuldigt sich dafür quasi in einer Nachbemerkung des Buches. Besser wäre es jedoch gewesen, den Text vor der Veröffentlichung noch einmal gründlich zu überarbeiten und dabei auch einige Wiederholungen zu tilgen. Denn inhaltlich gesehen lohnt sich die Lektüre des Buches zumindest insofern, als es die aktuelle Debatte zum Demokratieproblem in großer Breite durchforstet und bilanziert.
Die Transformation der Demokratie wird sich weiter im Spannungsfeld einer zunehmend unpolitischen Politik einerseits und der ambivalenten Manifestationen gegendemokratischer (Anti-)Politik andererseits vollziehen. Aus dieser letztlich fruchtbaren Spannung vermögen moderne Gesellschaften zuweilen beträchtliche Energien zu ziehen.
Michelsen und Walter prüfen das allerdings weniger an konkreten politischen Initiativen als an Theorien, die zur Lösung des Demokratieproblems vorgeschlagen werden. Einige Theoretiker versuchen das Problem der unpolitischen Demokratie inzwischen zu entschärfen, indem sie weniger Wert auf die reale Mitbestimmung der Bürger legen. Wichtiger sei es, die immer komplexer werdenden Probleme im Sinne eines allgemeinen gesellschaftlichen Interesses zu lösen.
Oder - im Falle von Jürgen Habermas - dass Verfahren öffentlich zugänglich sind, die ein rationales Ergebnis erwarten lassen. Michelsen und Walter kritisieren zu Recht, dass solche Ansätze der Expertenkultur Vorschub leisten. Zudem setzten diese eine Regulierungsmacht der Politik voraus, die eben längst problematisch geworden ist.
Die gegendemokratischen Ansätze der Antipolitik wollen hingegen – wie die Occupy-Bewegung – mehr Partizipation neben oder jenseits des Staates verwirklichen. Auch hier, so Michelsen und Walter, werde die Frage nach einer effektiven staatlichen Regulierungsmacht gegenüber der Ökonomie vernachlässigt. Sehr kritisch behandeln die Autoren auch aktuelle Konzepte zur direkten oder zur Internetdemokratie.
Von Beginn an dominierte ein bestimmtes soziales Milieu den personellen Kern der Piraten: das einer gut ausgebildeten, ständig vernetzten Internetkultur, bestehend aus Hacker-Subkulturen und alternativen virtuellen Gemeinschaften, die im Internet eine geeignete Technologie sehen, um die Gesellschaft als Ganze zu liberalisieren. Dieser Typus nimmt Abstand von bürgerschaftlichen Verpflichtungen, wie sie in der Vergangenheit öffentliches Engagement kennzeichneten, und assoziiert mit citizenship vorrangig "Autonomie, Kontrolle und die Befähigung, Autoritäten infrage zu stellen". Die mit dem Einfluss neuer Technologien ohnehin im Verschwinden begriffene politische Öffentlichkeit ist dem Netzbürger fremd; sein Handeln beschränkt sich auf eine "vernetzte, wenn auch private Sphäre".
Durchgängig folgen Michelsens und Walters Analysen einem Ja-Aber-Schema. Sie entdecken zwar auch an den Konzepten der direkten Demokratie Positives, brandmarken aber scharf deren Schattenseiten. Insofern treibt das Buch unausweichlich auf die Frage zu, ob die repräsentative Demokratie denn überhaupt noch zu retten sei.
Die Antwort der Autoren fällt erneut zwiespältig aus. Zum einen hoffen sie auf eine innere Widerstandskraft der Demokratie und warnen davor, sie zu überfordern. Andererseits fördern sie pessimistische Einstellungen, wenn sie schreiben:
Viel spricht in der Tat dafür, dass wir es mit einer gravierenden Krise der Art zu tun haben, wie sie uns bereits während der Depressionsjahre 1873-95, der Hyperinflation 1923 und den Deflationsjahren 1929-33 begegnet ist. Ökonomische Faktoren gaben zunächst den Ausschlag. Aber ihre Wirkungen griffen weiter aus, durchdrangen das Alltagsleben, die Politik und Kultur.
Das Hauptverdienst dieses schwer zu lesenden Buches liegt wohl darin, den tiefgehenden Charakter der gegenwärtigen politischen Krise vor Augen zu führen. Und zwar ohne die Illusion zu erzeugen, dass fertige theoretische Lösungen bereits auf dem Tisch liegen.
Franz Walter/ Danny Michelsen: "Unpolitische Demokratie. Zur Krise der Repräsentation: Politik im apolitischen Zeitalter"
Suhrkamp Verlag, 410 Seiten, 16 Euro. ISBN: 978-3-518-12668-4