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Die Idee vom grünen Fracking

Kann Fracking – die umstrittene Fördermethode von Schiefergas – ökologischer gestaltet werden als bisher? Darüber diskutierten nun rund 200 Fachleute in Hannover auf einer Tagung in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Am Ende verständigte man sich auf ein "Jein".

Von Michael Engel | 16.07.2013
    Um Schiefergas zu fördern, muss zuvor das Gestein aufgebrochen – gefrackt - werden. Dazu presst man mehrere Millionen Liter "Frackingfluide" in die Erde. Es handelt sich im Wesentlichen um Wasser, tonnenweise angereichert unter anderem mit Bioziden, Tensiden und Chlorkohlenwasserstoffen, damit im warmen Wasser keine Algen oder Bakterien gedeihen und das Bohrloch verstopfen. 700 solcher Additive kommen zum Einsatz, und das meiste davon ist giftig, so die Analyse im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Professor Georg Teutsch.

    "Einige dieser Substanzen sind durchaus sehr toxisch. Auf gut Deutsch gesagt, die möchten Sie auch nicht in ihrem Trinkwasser haben. Und genau das ist die Aufgabe, Systeme zu bauen, in Deutschland, wo wir ein dicht besiedeltes Land haben, wo wir Wasserschutzgebiete haben, wo wir Einzugsgebiete haben, die sollten eben von diesen Stoffen nicht betroffen sein."

    Würden die Frackingfluide in die Grundwasser führenden Schichten aufsteigen, würden sie das Trinkwasser auf lange Sicht unbrauchbar machen. Nach Ansicht von Professor Martin Sauter, Geologe an der Uni in Göttingen, ist dieses Szenario aber sehr unwahrscheinlich, sofern der sogenannte "Frac" – das hydraulische Aufbrechen des Gesteins – mit einem Sicherheitsabstand unterhalb des Grundwasserleiters geschieht. In einer Computersimulation für "Bad Laer" bei Osnabrück kamen 1000 Meter als notwendige Bohrtiefe heraus:

    "Da haben wir einen Aufstieg von circa 50 Metern prognostiziert mit mathematischen Modellen. Und wenn man dann nochmal so einen Sicherheitsfaktor draufpackt, dann kommt man auf diese 200 Meter. Und wenn man dann noch diese 500 Meter Frac-Höhe dazu packt, dann kommt man auf eine Transportstrecke vom Ort der Verpressung auf 700 Meter im konservativen ungünstigen Fall. Und dann hätten wir immer noch 300 Meter an der Oberfläche, die jetzt auch als Nichtbarriere zur Verfügung stehen würden. Daher ergeben sich diese 1000 Meter."

    Da das Schiefergas-Gestein in der Regel deutlich tiefer - zwischen 2000 und 5000 Metern liegt - sehen die Experten keine Gefahr für das Trinkwasser durch Frackingfluide. Doch wie bei allen Technologien gibt es auch hier ein sogenanntes "Restrisiko". Alte, vergessene und schlecht abgedichtete Bohrlöcher zum Beispiel. Hier könnten Frackingfluide unbemerkt aufsteigen. Wahrscheinlicher indes, so Professor Michael Kühn vom Helmholtz-Zentrum Potsdam, ist eine Verunreinigung von oben.

    "Also das Handling mit den Frackingfluiden und den ganzen Substanzen Übertage, das kann durch den normalen Betrieb - wie bei jeder Technologie auch - dazu führen, dass man Leckagen hat und dort dann etwas in den Untergrund gelangt. Und das ist das eigentliche Risiko, so wie ich die ganzen Studien verstehe."

    Umweltverträgliches Fracking? Am Ende der Tagung wurde das Fragezeichen mit "Ja" beantwortet: Fracking ist machbar, wenn die Bohrfirmen nicht schlampen. Nur die Bevölkerung muss noch mitgenommen werden, meint Dr. Hans-Hermann Richnow vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung.

    "Ich glaube, eines der Hauptprobleme liegt darin, dass hier nicht von vornherein klargemacht worden ist, wie diese Technologie auf der einen Seite funktioniert, und auf der anderen Seite ist es so, dass die Befürchtungen der Bürger nicht genügend ernst genommen werden."

    Die Befürchtungen haben schon viel bewegt. Exxon Mobile, ein Hauptakteur im Fracking-Geschäft, sucht nach ungiftigen Additiven. Die BASF forscht an einem Frackingfluid, das biologisch abgebaut werden kann, sollte es doch einmal ins Trinkwasser gelangen: "Green fracking" – so die Hoffnung - soll mehr Zustimmung in der Bevölkerung erreichen. In Deutschland wird noch kein Schiefergas gefördert. Ein Modellprojekt mit Probebohrungen soll nun klären, ob die Praxis hält, was die Theorie verspricht.