Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vermerkt: "Der erste Teil der Rede von Chinas Verteidigungsminister Li steckte voller impliziter Angriffe auf 'ein Land und dessen Verbündete', ohne die Vereinigten Staaten beim Namen zu nennen. Das Bild, das Li von China zeichnete, erstrahlte dagegen in den hellsten Farben. Sein Land respektiere den Multilateralismus und die internationalen Gesetze. Mit solchen Formulierungen zog er jedoch den Unmut von Nachbarländern auf sich", beobachtet die NZZ aus der Schweiz.
Chinesische Staatszeitungen bewerten die Ereignisse anders. HUANQIU SHIBAO lobt die Rede von Verteidigungsminister Li. "Die Essenz lässt sich so zusammenfassen: Dialog statt Konfrontation, Partnerschaft statt Blockbildung und Gemeinnützigkeit statt Ellbogenmentalität. Doch die territorialen Fragen, ob es um Taiwan oder das Südchinesische Meer geht, stehen für Peking nicht zur Diskussion", stellt HUANQIU SHIBAO aus Peking klar.
CHINA DAILY schlägt in seiner internationalen Ausgabe schärfere Töne an. "US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ist heuchlerisch, wenn er versucht, Peking die Schuld zuzuschieben, sollte es zu einem Krieg um Taiwan kommen. Die Vorliebe der USA, die 'Taiwan-Karte' zu spielen, ist eine Provokation gegenüber Peking."
Das amerikanische WALL STREET JOURNAL konstatiert. "Chinas klares Ziel ist es, die USA aus dem Westpazifik hinauszuwerfen. Peking wird in dem Maße kühner, wie seine militärische Macht schnell zunimmt. Präsident Xi warnte zuletzt seine für die nationale Sicherheit zuständigen Regierungsbeamten, sich auf den schlimmsten Fall vorzubereiten. Das Risiko einer versehentlichen Konfrontation wächst. China muss verstehen, dass seine Provokationen es der US-Regierung schwerer machen, eine bilaterale Entspannungspolitik zu verfolgen", bemerkt das WALL STREET JOURNAL.
Ein Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN wirbt für mehr Diplomatie: "Zwar kam ein Treffen zwischen US-Verteidigungsminister Austin und seinem chinesischen Kollegen Li diesmal nicht zustande. Aber der Organisator der Sicherheitskonferenz hatte etwas Schönes inszeniert. Beim Abendessen wurde ein runder Tisch vorbereitet, an dem diese zwei Männer gegenüber sitzen sollten. Austin ging zu Li und die beiden Verteidigungsminister schüttelten die Hände etwa fünf Sekunden lang. Man sollte nicht nur auf Abschreckung setzen, sondern sich um mehr Dialog bemühen, für mehr Verständnis und gegenseitiges Lernen", empfiehlt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel: Zu den erneuten Gefechten in der russischen Grenzregion Belgorod schreibt die portugiesische Zeitung CORREIO DA MANHA. "Entgegen den Versprechungen von Präsident Putin hat die Invasion der Ukraine Russland nicht sicherer gemacht. Wie Söldnerchef Prigoschin richtig festgestellt hat, ist die angebliche Entmilitarisierung der Ukraine kläglich gescheitert. Das Land hat heute eine Armee, die viel stärker und besser bewaffnet ist als vor der Invasion. Mit dem Beginn der angekündigten ukrainischen Gegenoffensive wird der Krieg in den kommenden Monaten für alle Russen noch präsenter werden. Putin hat es noch nicht begriffen, aber der Krieg ist bereits verloren", ist sich der CORREIO DA MANHA aus Lissabon sicher.
Die estnische Zeitung POSTIMEES kommentiert die angekündigte Gegenoffensive der Ukraine: "Manche Beobachter sind der Ansicht, dass der Gegenschlag bereits begonnen hat, zum Beispiel in der Form von Drohnenangriffen auf Russland oder von Kämpfen im Gebiet Belgorod. Obwohl diese Ereignisse im Kreml für Panik gesorgt haben, ist gleichzeitig auch klar, dass die Ukraine ihre Kapazitäten noch nicht vollständig ausgebaut hat. Es handelt sich also wohl eher um psychologische Kriegsführung, und in dieser Hinsicht ist Kiew sehr geschickt. Je mehr Unsicherheit im russischen Hinterland herrscht, desto größer wird das Durcheinander in der russischen Armee und desto einfacher wird für die Ukraine die Rückeroberung besetzter Gebiete. Solange die Ukraine nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hat, weiß Moskau nicht, worauf man sich vorbereiten muss." Das war die POSTIMEES aus Tallinn.
Ein Gastkommentator der norwegischen Zeitung AFTENBLADET erläutert. "Putins Krieg hat die europäische Sicherheitspolitik auf den Kopf gestellt und der NATO neues Leben eingehaucht. Es ist nicht ohne Risiko, Themen wie die Zukunft der NATO und Hilfe für die Ukraine einfach miteinander zu verbinden. Was die Aufrüstung betrifft, besteht die Gefahr des Aufblühens eines neuen Militarismus, das heißt einer politischen Kultur, in der Krieg und Kriegsvorbereitungen immer mehr Raum einnehmen. Manche Änderungen sind notwendig, andere spontan oder sogar irrational. Der neue Sicherheitsfokus will daher gut ausbalanciert sein. Welche sozialen Ausgaben müssen gestrichen werden, wenn der Verteidigungsetat steigt?", fragt das AFTENBLADET aus Stavanger.
Nun in die Türkei. Nach seiner Vereidigung als Präsident hat Recep Tayyip Erdogan ein Großteil seines Kabinetts neu aufgestellt. KARAR aus Istanbul lobt: "Gut ist, dass Süleyman Soylu als Innenminister nicht mehr dabei ist, galt er doch als Scharfmacher. Verteidigungsminister Akar als enger Vertrauter Erdogans ist ebenfalls nicht mehr im Kabinett. Ob das in der Außen- und Verteidigungspolitik eine Richtungsänderung bedeutet, werden wir sehen. Aber dass Geheimdienstchef Fidan zum Außenminister ernannt wurde, könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die Türkei in der neuen Ära sich außenpolitisch auch auf andere Bereiche ausdehnen will. Erdogan und seine Regierung haben von den Wählern einen Blankoscheck erhalten. Es ist zu hoffen, dass sie dies zu schätzen wissen und das Land aus seiner derzeit schwierigen Lage herausbringen", unterstreicht die türkische Zeitung KARAR.
Die belgische Zeitung DE TIJD wirft ein Schlaglicht auf den neuen Finanzminister Mehmet Simsek und fragt sich, "..., ob der türkischen Zentralbank freie Hand gelassen wird, um die Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen, auch wenn die Medizin in den ersten Jahren schlecht schmecken wird. Sollte der wirtschaftliche Umschwung gelingen, stellt sich eine größere und noch schwierigere Frage: Wird es möglich sein, dem türkischen Präsidenten Erdogan auch in anderen Bereichen seine Grenzen aufzuzeigen und ihn zu einer Wende zu bewegen? Und könnte die Türkei dann nicht nur zum Traum von einer wirtschaftlichen Verheißung, sondern auch zum Traum von einem islamischen Rechtsstaat mit bürgerlichen Freiheiten zurückkehren?" Das war DE TIJD aus Brüssel.
MILLIYET aus Istanbul bedauert: "Im Kabinett ist nur eine Frau vertreten, nämlich Mahinur Göktaş als Familien- und Sozialministerin. Manche Frauen waren davon ausgegangen, dass eine zweite Frau in die Regierung aufgenommen wird. Leider ist das nicht passiert."
Zum Schluss geht es nach Polen. In Warschau haben gestern hunderttausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS protestiert. Dazu schreibt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Es scheint so, dass es in erster Linie darum ging, den Teil der städtischen Wählerschaft zu mobilisieren, der der oppositionellen Bürgerplattform ideologisch nahe steht, aber bislang zu den Nicht-Wählern gehört. Die Protestaktion erwies sich als unerwarteter Erfolg. Donald Tusk ließ seine Konkurrenten in der Opposition hinter sich. Er zeigte ein fantastisches Gespür für die Situation und die Stimmung in der Gesellschaft. Für Tusk wird es aber schwierig werden, diese Stimmung bis zu der Wahl im Herbst aufrecht zu erhalten. Um die Dynamik der Politik zu ihren Gunsten zu wenden, wird nun auch die PiS ihre Wähler mobilisieren. Wir dürfen jetzt also gespannt auf Schritte des Regierungslagers warten", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.