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Die Internetunternehmen "betrügen ihre Kunden mit Sicherheit nicht"

Nur selten bekommen Kunden die vertraglich versprochene Internet-Bandbreite, heißt es in einer Studie der Bundesnetzagentur. Der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, Bernhard Rohleder, hält die Erhebung für verzerrt. Forderungen nach Bandbreiten-Garantien würden zu höheren Preisen führen.

Bernhard Rohleder im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.05.2013
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, und dazu zählen auch die Telekommunikationsunternehmen. Schönen guten Morgen!

    Bernhard Rohleder: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Herr Rohleder, kaum ein Kunde bekommt, was der Anbieter in seiner Werbung verspricht. Ist das aus Ihrer Sicht ein faires Angebot, ein faires Geschäft?

    Rohleder: Ja, der Begriff Fairness ist an der Stelle natürlich jetzt in ein Umfeld genannt, wo es schwierig ist, um nicht zu sagen, das ist ein faires Geschäft. Ich würde insofern zunächst mal hinterfragen, ob die Studie denn in der Tat so repräsentativ und so empirisch sauber ist, wie das auch im Vorbericht zumindest angeklungen ist, weil die Bundesnetzagentur eben nicht die umfangreichen eigenen Messungen durchgeführt hat, sondern eine browserbasierte Umfrage bei Kunden gemacht hat, die nicht empirisch ist, wo sich also letztlich diejenigen im Wesentlichen beteiligt haben dürften, die sich nicht zufriedenstellen mit ihrem Anschluss, wo auch nicht bedacht wurde, was die einzelnen User an Equipment zu Hause haben. Und genau da liegt oft der Flaschenhals. Aber unter dem Strich bleibt der Umstand, dass in der Telekommunikation nach ISDN im Grunde genommen garantierte Bandbreiten nur schwer darstellbar sind.

    Barenberg: Woran liegt das denn aus Ihrer Sicht, dass sie gar nicht leisten können, was sie in ihrer Werbung versprechen?

    Rohleder: Sie können das in bestimmten Situationen schon, aber was letztlich beim Endkunden ankommt, das hängt davon ab, welchen Router er zu Hause hat, und unter anderem, wie viele Personen in einem Haushalt gleichzeitig das Internet nutzen. Das heißt also, wenn Sie in einer Familie sind, ihr einer Sohn, der macht gerade ein Onlinespiel, ihre Tochter schaut Youtube und Sie wollen für den Job noch was im Breitband machen, dann haben Sie natürlich in dieser Situation nicht die volle Bandbreite verfügbar. Und das ist eigentlich was, was auch niemanden wundern darf. An der Stelle gibt es natürlich Angebote, die auch das abfangen, für kommerzielle Nutzer, aber die kosten ab 500 Euro aufwärts für eine sogenannte Standleitung. Und an der Stelle muss man einfach sehen, wie man das Preis-Leistungs-Modell an der Stelle – und die eine Spirale geht immer nach oben, die andere, die Preisspirale, geht seit zehn Jahren nach unten –, wie wir dieses Modell noch mal neu aufstellen.

    Barenberg: Das, Herr Rohleder, wissen Sie allerdings auch natürlich, dass die Autoren der Studie behaupten, das, was sie genannt haben an Einschränkungen, also wie viele gleichzeitig am Internet arbeiten und welche technische Ausstattung dazugehört, dass das in dieser Studie quasi ausgeschlossen wurde und dass unterm Strich einfach die Tatsache übrig bleibt, dass mehr versprochen als geliefert wird. Ich will’s mal versuchen konkret zu machen: Sie gehen zum Bäcker und kaufen eine Brötchen für 20 Cent. Das wäre ja vergleichsweise so, als wenn der Bäcker sagen würde, heute gibt es für diese 20 Cent bis zu einem Brötchen, aber vielleicht ist es heute halt nur die Hälfte. Noch mal die Frage also: Wie nah ist das eigentlich am Betrug, diese Tarife, die sagen,"bis zu", und in Wirklichkeit können sie nur in den seltensten Fällen das liefern?

    Rohleder: Also die Unternehmen betrügen ihre Kunden mit Sicherheit nicht, und dort, wo sie Leistungsmerkmale versprechen können, vertraglich zusichern können, also zum Beispiel im ISDN-Bereich, dort tun sie es auch. Aber es gibt bestimmte Medien, dazu gehört zum Beispiel auch das Koaxkabel, also Fernsehkabel, sodass Sie auch Breitbandzugang nutzen können – auch das ist ein … (Anmerkung der Redaktion: Wort wegen schlechter Verbindung leider unverständlich), das Sie sich zum Beispiel in einem gesamten Mietshaus unter Umständen teilen müssen mit den einzelnen Nutzern. Und an der Stelle ist die Studie in der Tat verzerrend, nämlich insofern, als sie eben nicht ausschließt, dass die jeweiligen Parameter zu Hause unterschiedlich sind. Und es sind jeweilige Angaben der Nutzer, die nicht überprüft wurden von der Bundesnetzagentur, und die eben nicht die Leistungsfähigkeit des Anschlusses, sondern nur gemessen hat: Was kommt letztlich auf dem PC an. Und da gibt es eben nicht nur das Netz der Telekom oder von Vodafone oder O2 dahinter, sondern eben auch die hausinterne Verkabelung mit unterschiedlichen Nutzungssituationen. Aber gleichwohl, ich bestreite überhaupt nicht, dass weniger geliefert wird, als mit der Maximalaussage geliefert werden sollte. Wobei der Anbieter sich immer bemüht, das maximal Verfügbare, die maximal verfügbare Bandbreite dem Kunden auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen.

    Barenberg: Warum gibt es denn überhaupt diese vielen Tarife: "bis zu soundso viel Leistung"? Warum gibt es nicht Tarife, die einfach realistisch darstellen, was minimal und was maximal geliefert werden kann von dem jeweiligen Anbieter?

    Rohleder: Ja, also wenn Sie eine minimale Bandbreite letztlich vertraglich zusichern wollten und sich gegen jede Haftung dann versichern wollten, dann müssten Sie irgendwo bei null Bandbreite anfangen, weil selbst das theoretisch passieren kann, insbesondere in diesen sogenannten Shared Services, heißt also im Mobilfunk. Und wenn Sie dann Bandbreiten garantieren wollen, dann brauchen Sie das, was wir Quality of Services nennen, also eine Möglichkeit, ich sag jetzt mal eine Überholspur, in den Netzen zur Verfügung zu stellen. Und das wiederum trifft dann auf andere Kritik, nämlich auf die Kritik, dass hier die Netzneutralität letztlich beschädigt würde oder dagegen verstoßen wird, weil natürlich jemand, der sich sozusagen auf der Überholspur einbucht, und jemand anderes, der surft dann gleichzeitig auf der Standspur, da gibt es dann auch unterschiedliche Qualitäten im Netz. Und die Frage, die wir uns stellen müssen, auch als Politik, auch als Gesellschaft, ist, inwieweit wollen wir diese Differenzierung zulassen oder eben nicht.

    Barenberg: Diese Frage stellt sich auch der Wirtschaftsminister, Philipp Rösler von der FDP scheint langsam ungeduldig zu werden. Es soll in den nächsten Wochen ein Treffen mit der Branche geben, und er droht mit mehr Regulierung, mit mehr Aufsicht, und er verlangt mehr Transparenz. Macht Sie das nervös?

    Rohleder: Das macht uns nicht nervös. Die Unternehmen befinden sich derzeit in einer sehr misslichen Situation. Es ist die Branche, die die Preise starrer gesenkt hat als jede andere Branche, die jedes Jahr derzeit sechs Milliarden Euro investiert in den Netzausbau, die ihren Kunden immer mehr bietet und dafür immer weniger verlangt und trotzdem derzeit der Buhmann der Nation ist. Insofern tut Transparenz sicherlich gut, und wir hoffen und gehen davon aus, dass wir auch möglicherweise im Rahmen einer Selbstverpflichtung eigene Beiträge leisten können, indem wir zum Beispiel Wahrscheinlichkeiten angeben, in denen statistisch bestimmte Bandbreiten geliefert werden. Und wir hoffen, dass wir damit auch aus dieser für uns wirklich sehr unschönen Rolle dann mittelfristig wieder rauskommen.

    Barenberg: Die Netzagentur hat ja selber Vorschläge gemacht, um dem Problem Herr zu werden, beispielsweise, dass der Kunde bei Vertragsabschluss auch Informationen darüber erhält, welche minimale und welche maximale Geschwindigkeitsrate der Anbieter wirklich gewährleisten kann oder welche da möglich ist, und dass man das tatsächlich auch dann nach Vertragsabschluss vor Ort misst. Wäre das beispielsweise ein Vorschlag, wo Sie sagen, da könnte sich die Branche drauf einigen?

    Rohleder: Ich kann mit gut vorstellen, dass die Branche zum Beispiel bei diesem Vorschlag mitgeht, wobei das sicherlich dazu führen wird, dass extrem geringe Minimalbandbreiten hier in die Verträge aufgenommen werden müssten, um einer Klageflut von Kunden, wo es situativ möglicherweise auch nur in ganz speziellen Situationen mal zu einer Netzüberlastung kommt … Ob damit letztlich den Kunden viel geholfen ist, das weiß ich nicht, und wir müssen uns alle auch des Umstands bewusst sein, dass wenn die Unternehmen hier mit umfangreichen Messpflichten konfrontiert werden, die kosten auch Geld. Und vor dem Hintergrund, dass gerade in der …-Kommunikation (Anmerkung der Redaktion: Wort wegen schlechter Verbindung leider unverständlich), die ja 6,5 Milliarden Umsatz verloren haben, und zwar Umsatz pro Jahr seit dem Jahr 2005, und gleichzeitig die Datenübertragung in Summe sich in dem Zeitraum verzehnfacht hat – vor diesem Hintergrund muss man einfach wissen, dass es auch dazu führen wird, dass die Anschlüsse dann in Zukunft teurer werden.

    Barenberg: Aber ich hab Sie ja schon richtig verstanden: Angesichts dessen, was man im politischen Bereich an Überlegungen anstellt und was auch die Netzagentur für Vorschläge macht, ist die Branche schon bereit, auf die Forderungen einzugehen?

    Rohleder: So generell, dass auf alle Forderungen – das ist ein neunseitiger Forderungskatalog, der hier vorgelegt wurde, den sehen wir uns im Moment an. Soweit, dass wir jetzt sagen könnten, wir gehen hier auf alles ein, sind wir nicht, aber die Situation ist viel komplexer und viel schwieriger, und die Mechanismen sind auch etwas teurer, als man sich das so vorstellen mag, dass wir jetzt einfach sagen könnten, jawohl, wir machen das alles, und gleichzeitig sinken die Preise weiter.

    Barenberg: Welche Forderungen – dies zum Schluss, Herr Rohleder – lehnen Sie denn jetzt schon ab?

    Rohleder: Es gibt derzeit keine Forderungen, die wir ablehnen. Worum wir bitten, das ist etwas mehr Augenmaß und Verständnis auch für die technische Komplexität und dafür, dass wir nicht Ferraris für alle fordern können, aber gleichzeitig nur Preise für Fahrräder bezahlen wollen.

    Barenberg: Heute Morgen im Deutschlandfunk im Gespräch Bernhard Rohleder, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM. Ich bedanke mich!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.