Dienstag, 19. März 2024

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Die Linke und die Regierungsbeteiligung
Politologe: Es fehlt eine Form von strategischer Vorbereitung

Die Themen NATO-Mitgliedschaft, Deutschlands Auslandseinsätze der Bundeswehr seien weltanschauliche Grundelemente der Linken, auf die sie nur schwer verzichten könne, sagte der Politologe Torsten Oppelland im Dlf. Das mache auch eine Kompromissbildung bei möglichen Koalitionen schwierig.

Torsten Oppelland im Gespräch mit Silvia Engels | 27.02.2021
Janine Wissler (r) und Susanne Hennig-Wellsow, die neuen Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, äußern sich nach ihrer Wahl am Randes des Online-Bundesparteitags der Linken gegenüber Medienvertretern.
Janine Wissler (r) und Susanne Hennig-Wellsow, die neuen Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Die Linkspartei hat neue Vorsitzende: Janine Wissler aus Hessen und Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen führen künftig die Partei. Beide wurden auf einem virtuellen Parteitag gewählt, sie lösen die langjährigen Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger ab. Ob das neue Parteispitzenduo ruhiger arbeiten könne als das bisherige, hänge auch von den Wahlergebnissen in diesem Jahr ab, sagte der Politikwissenschaftler Torsten Oppelland von der Universität Jena. Wenn sich die Wahlergebnisse nicht so gestalteten wie erhofft, dann werde jedes innerparteiliche Lager das auf die Fehler der anderen schieben oder die Schuld bei den anderen suchen, und das würde dann sehr konfliktverschärfend wirken.

Das Interview in voller Länge:

Silvia Engels:!! Wir haben es gehört, die Wahl des neuen Führungsduos lief erwartungsgemäß glatt über die Bühne, mit einem leichten Vorteil, was die Delegiertenstimmen anging, für die Linke Janine Wissler. Erwarten Sie nun auch inhaltlich einen Neustart für die Linke?
Torsten Oppelland: Wenn ich noch mal kurz zu den Unterschieden im Ergebnis was sagen darf: Die Frau Wissler hatte ja keinen Gegenkandidaten, während bei Hennig-Wellsow zwei Gegenkandidaten vorhanden waren, die chancenlos waren, das ist richtig, aber die doch immerhin einen Gegenakzent insofern gesetzt hat, als gerade der eine Kandidat – Reimar Pflanz – sehr fundamentaloppositionell argumentiert hat, was einen großen Gegensatz zu Frau Hennig-Wellsow ausgemacht hat und insofern ihr ein paar Stimmen abgezogen hat. Hätte der gegen Frau Wissler kandidiert, hätte das auch zu einem schlechteren Ergebnis geführt, also darauf würde ich jetzt nicht so großes Gewicht legen, dass sie da etwas unterschiedliche Ergebnisse erzielt haben.

Es geht immer um die Bedingungen einer Koalitionen

Engels: Aber kann man vielleicht dann daraus ableiten, dass letztendlich das Lager rund um Janine Wissler, die ja Regierungsbeteiligungen sehr, sehr skeptisch sieht, stärker ist auf diesem Parteitag als das eher pragmatische Lager um Frau Susanne Hennig-Wellsow?
Oppelland: Auch das würde ich nicht ganz so sehen, denn auch Frau Wissler hat immer gesagt, dass sie nicht grundsätzlich gegen eine Regierungsbeteiligung ist. Sie hat immer wieder gesagt, als damals in Hessen die Möglichkeit sich abzeichnete, dass sie bereit gewesen wäre, eine linke SPD-Führung zu unterstützen. Auch im Westen, in Bremen etwa, als sich die Gelegenheit geboten hat, haben die Linken mitgemacht bei einer rot-rot-grünen Koalition. Es geht immer um die Bedingungen, unter welchen man solche Koalitionen abschließt, und das ist auf Bundesebene deutlich schwieriger. Insofern haben Sie natürlich völlig recht, dass es da eine größere Skepsis auch aufseiten der Linken gibt, in so eine Koalition hineinzugehen. Aber man muss auch sehen, was Frau Wissler in ihrer Rede nicht gesagt hat: Sie hat gesagt, Sozialpolitik natürlich, Rüstungsexporte, aber von Militäreinsätzen, von der NATO war irgendwie nicht die Rede. Insofern, es kommt immer auf die Bedingungen, die man mit potenziellen Koalitionspartnern aushandelt, an, um letztendlich eine Entscheidung zu treffen, und da sehe ich die Gegensätze nicht so groß zwischen den beiden.
Bundesparteitag der LinkenHennig-Wellsow: "Wir wollen Verantwortung übernehmen" Die designierte Chefin der Linkspartei, Susanne Hennig-Wellsow, will alles daran setzen, die schwachen Umfragewerte der Linken von sieben Prozent zu verbessern.
Engels: In vielen sozialpolitischen Fragen sind ja auch die Linken insgesamt angesichts eines Linksschwenks von Teilen der SPD in letzter Zeit gar nicht so weit weg von einer Einigung mit den Sozialdemokraten. Warum aber bekommen die Linken gerade bei den von Ihnen schon genannten Themen NATO-Mitgliedschaft, Deutschlands Auslandseinsätze der Bundeswehr seit so langer Zeit einfach auch parteiintern keine Brücke gebaut, die sie für SPD und Grüne regierungsfähig machen würden?
Oppelland: Weil es einfach ideologisch sozusagen, weltanschaulich Grundelemente in der Anschauung der Linken sind, auf die sie nur schwer verzichten können. Das sind auch symbolische Dinge, die dazu beitragen, die Partei zu vereinen hinter einem Thema oder hinter mehreren Themen. Wenn Sie solche Prinzipienfragen haben, wo es letztendlich nur darum geht, ja oder nein zu sagen, ist natürlich auch eine Kompromissbildung schwer. Insofern kann ich mir auch nur vorstellen, dass man bei einer potenziellen Koalition sozusagen ihnen anbietet, keine Kampfeinsätze mit NATO-Mandant, möglicherweise, sollte sich die Frage ergeben, mit einem Mandat der Vereinten Nationen oder so etwas, um diese pazifistische Grundströmung mit einzufangen. Letztendlich ist das auch irgendwo die Funktion von Frau Wissler, die Parteilinke oder den etwas linkeren Flügel der Linken, sollte sich die Möglichkeit einer Koalition ergeben, den dann mit einzubinden.

Schlechte Wahlergebnisse wären " sehr konfliktverschärfend"

Engels: Dann schauen wir noch auf einen Konflikt, den ja die letzten Parteichefs Riexinger und Kipping immer hatten: Sie mussten immer in einem ständigen Spannungsverhältnis mit der früheren Bundestagsfraktionsspitze Dietmar Bartsch und vor allem Sahra Wagenknecht agieren. Nun ist Sahra Wagenknecht nicht mehr im Amt, aber dieser Konflikt wurde ja offen und zum Teil verletzend ausgetragen. Hat das neue Parteispitzenduo hier bessere Chancen?
Oppelland: Es ist sehr schwer zu sagen, aber ich vermute mal, dass es am Anfang sicher einfacher wird, denn erstens sind die beiden – weder Frau Wissler noch Frau Hennig-Wellsow – selbst im Bundestag, sind also nicht in dieser Doppelrolle, einerseits als Parteivorsitzende sozusagen den Fraktionsvorsitzenden vorgesetzt zu sein, als Bundestagsabgeordnete aber denen untergeben zu sein. Dieses Spannungsverhältnis gibt es nicht mehr, und außerdem sind dieses Jahr so viele Wahlen, dass jede Art von Konflikt letztendlich nur den Linken selber schadet, und das wissen natürlich auch alle. Insofern wird man sich – zumindest in diesem Jahr – auch bemühen, Konflikte unter der Decke zu halten. Wie das dann langfristig wird, das hängt natürlich auch sehr viel davon ab, wie sich die Wahlergebnisse gestalten, denn gerade wenn die nicht den Erwartungen entsprechen, wird jedes innerparteiliche Lager das auf die Fehler der anderen oder die Schuld bei den anderen suchen, und das würde dann sehr konfliktverschärfend wirken.
Die Linke 13 Jahre nach Gründung - Mit weiblicher Doppel-Spitze in die Regierung? Mit Offenheit für eine Regierungsbeteiligung? Vor dem Bundesparteitag gibt es dazu in der Partei unterschiedliche Meinungen – auch bei den Kandidatinnen Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler.
Engels: Wie sehen Sie, wenn Sie das alles zusammennehmen, die Option eines rot-rot-grünen Regierungsbündnisses im Bund?
Oppelland: Im Moment ist das ja rein rechnerisch gar nicht so sehr wahrscheinlich. Im Moment ist eher, wenn die Umfragen sich nicht dramatisch ändern, was nicht ausgeschlossen ist, wenn wir vier Jahre zurückdenken, wie sich der Einbruch der SPD-Umfragewerte da vollzogen hat, so was ist auch aufseiten der Union denkbar. Aber mal von der derzeitigen Umfragesituation ausgehend, ist das Wahrscheinlichste natürlich irgendeine Form von schwarz-grünem Bündnis. Sollte sich das ändern, dann kann es zu so einer rot-rot-grünen, grün-rot-roten Koalition kommen. Was ein bisschen fehlt meines Erachtens, ist irgendwie eine Form von strategischer Vorbereitung, also dass man Vorklärungen trifft. Öffentlich zumindest ist davon sehr wenig zu erkennen, ob es hinter den Kulissen passiert, das kann ich natürlich auch nicht einschätzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.